Linux-Dienstleister tun sich schwer

17.01.2005
Von Hermann Gfaller
Dienstleistung gilt von Anfang an als das zentrale Geschäftsmodell für Open-Source-Software. Doch trotz des Linux-Booms stehen die Chancen für einen eigenständigen Servicemarkt nicht besonders gut.

Auf den ersten Blick sieht die Situation rosig aus. Im Internet lassen sich problemlos Hunderte von Linux-Dienstleistern finden. Die Marktbeobachter der Meta Group veranschlagen den Jahresumsatz für Linux-bezogene Dienstleistungen allein in Deutschland auf rund 130 Millionen Euro. Doch während ansonsten das Geschäft mit und um Linux mit hohen zweistelligen Wachstumsraten boomt, nehmen sich die Prognosen für den Service eher bescheiden aus. Rund acht Prozent Zuwachs sieht die Meta Group für das Jahr 2005.

Dabei profitieren die reinen Open-Source-Anbieter in aller Regel am wenigsten vom Servicegeschäft. Die vielen kleinen Linux-Dienstleister, die man im Netz findet, betreuen auf lokaler Basis meist computertechnisch unerfahrene Anwenderunternehmen bei der Implementierung von Linux und dem Einrichten von Datei- und Druck-Servern. Außerdem stellen sich viele der Anbieter bei genauerer Betrachtung als Systemhäuser heraus, die sich ergänzend zu ihrem angestammten Portfolio auch Linux-Know-how verschafft haben. Für sie ist Linux lediglich eine zusätzliche Plattform, die von ihren Kunden nachgefragt wird. Diese wiederum sehen nicht ein, warum sie für ein neues Betriebssystem den Ansprechpartner wechseln sollen.

Der Linux-Markt wird vom Produktgeschäft getrieben

Die im Vergleich zu den Betriebssystem-Absätzen niedrigen Wachstumsraten für Dienstleistungen zeigen, dass der Linux-Markt nicht vom Service, sondern vom Produktgeschäft getrieben wird. Hersteller von Intel-Rechnern überbieten sich in Pressemeldungen mit Milliardenbeträgen, die sie mit Linux-Workstations und -Servern verdient haben wollen. Außer bei aufwändigen Migrationsprojekten werden hier kaum Dienstleistungen in Anspruch genommen. Der Grund: Das meiste machen die Anwender selber. Von der Marktforschungs- und Beratungsfirma Techconsult befragte Anwender gaben an, dass sie bei Linux-Projekten rund 75 Prozent für Hard- und Software, aber nur rund vier Prozent für externe Services aufwenden. Dafür investieren sie 22 Prozent der Gelder in den Aufbau von internem Linux-Know-how.

IT-Abteilungen bauen eigenes Linux-Wissen auf

Die Unternehmen, so Techconsult-Analyst Carlo Velten, haben die strategische Bedeutung des Open-Source-Betriebssystems erkannt. Sie wissen, dass sie langfristig nicht ohne entsprechende Kenntnisse auskommen werden. Zudem existiert in vielen IT-Abteilungen längst ein umfasssendes Know-how, weil Open-Source-Projekte dort schon betrieben wurden, als von professionellen Dienstleistungen noch keine Rede sein konnte. Auch Markus Huber-Graul, Senior Consultant der Meta Group, bestätigt, dass der Bedarf nach Planungs- und Designberatung massiv nachgelassen habe, weil sich die Anwender meist selbst behelfen. Insofern sind die Anwender die Hauptkonkurrenten der reinen Linux-Dienstleister.

Das bedeutet nicht, dass es keinen Markt für Linux-Dienstleistungen gäbe. Nach Aussagen der Marktbeobachter läuft das Geschäft mit Anwendungsintegration an. Dabei handelt es sich um Projekte, mit denen reine Linux-Spezialisten rasch überfordert sind, gleichgültig, ob sie beim Anwender oder bei einem Open-Source-Dienstleister sitzen. Hier setzt das Geschäftsmodell der Dienstleistungs-Companies an.

Auch Linux-Distributor Novell/ Suse und dessen Consulting-Arm Cambridge Technology Partners sehen hier ihre Chance. Marketing-Chefin Marina Walser: "Bei einer Server-Konsolidierung brauchen Anwender nicht viel externes Know-how. Künftig wird es aber darum gehen, große Projekte zu stemmen und Anwendungen einzubinden. Hier entsteht ein höherer Beratungsbedarf." Auch handle es sich bei Migrationen um Einmalprojekte, für die es sich nicht lohne, interne Ressourcen aufzubauen. Die größten Potenziale für Linux-Dienstleistungen sieht sie bei Applikationsintegration, Desktop-Migration sowie in Großprojekten.

Diese Entwicklung zeigt, dass entgegen den Hoffnungen der Open-Source-Gemeinde das Geschäft mit Linux-Dienstleistung im allgemeinen IT-ServicesMarkt aufgeht. "Schließlich", so Meta-Analyst Huber-Graul, "gibt es ja auch keinen eigenen Dienstleistungsmarkt für Unix oder Windows." Betriebssysteme sind Plattformen für betriebliche Anwendungen und Prozesse. File- und Print-Services lassen sich von der DV-Abteilung einrichten; um eine SAP-Umgebung auf Linux zu implementieren, kommen hingegen professionelle Dienstleister wie IBM Global Services oder Accenture zum Einsatz, die bei Bedarf auf Linux-Spezialisten zurückgreifen.

Linux-Distributoren sehen ihre Arbeit generell als Service

Branchenprimus Red Hat ist eines der wenigen reinen Open-Source-Unternehmen, das nennenswerten Umsatz mit Linux-Dienstleistung macht. Das liegt vor allem daran, dass Linux-Distributoren ihre Arbeit generell als Servicegeschäft sehen, weil sie für das Open-Source-Linux keine Lizenzkosten verlangen können. Stattdessen erheben sie Gebühren für die damit verbundenen Services wie Handbuch, Installationssupport, Updates und Ähnliches.

So gesehen ließe sich fast der gesamte Umsatz von Red Hat, der sich im Geschäftsjahr 2003/04 auf rund 125 Millionen Dollar belaufen hat, als Serviceumsatz deuten. Diese Sichtweise ist allerdings umstritten. Selbst Mitbewerber Novell/Suse verbucht seine Distributionsumsätze unter Software und nicht unter Dienstleistung. Diese "verdeckten Lizenzgebühren" der Distributoren sind daher auch in die von der Meta Group ermittelten 130 Millionen Euro für Linux-Services nicht eingerechnet.

Red Hat verdient vor allem an Service-Abonnements

Bei Red Hat gehört zum Lieferumfang neben dem Betriebssystem ein Abonnement von Diensten wie Updates, Patches und neuen Releases, die über ein eigenes Netz verteilt werden. Enthalten ist auch eine technische Hotline, für die je nach Umfang unterschiedliche Preise verlangt werden. Mit solchen langfristigen Verträgen erwirtschaftet Red Hat etwa drei Viertel seines Umsatzes, Tendenz steigend. Darüber hinaus können Dienstleister und vor allem Anwenderunternehmen bei Red Hat Mitarbeiter zu zertifizierten Spezialisten ausbilden lassen. Beratung gehört daher nicht zum strategischen Geschäft Red Hats, selbst wenn das Unternehmen Basisdienste von der Planung bis zum Management anbietet.

Novell/Suse offeriert Beratung über Cambridge Technology

Anders stellt sich die Situation bei Novell/Suse dar. Das Unternehmen sieht Linux vor allem als Plattform für proprietäre Lösungen und Dienstleistungen. Die 2001 übernommene Consulting-Firma Cambridge Technology Partners kümmert sich um Geschäftsanalyse, IT-Strategien und Architekturen, und Novell Consulting berät Kunden und Partner über die eigenen Produkte. Im Team können die Novell-Firmen das gesamte Dienstleistungsspektrum von Planung bis Betrieb und Wartung abdecken. Aber auch hier gilt die Regel, dass sich die Anwender oft an ihre bisherigen Lieferanten wenden, wenn sie Linux-Dienste brauchen. Über Partner wie Siemens Business Services oder Capgemini kommt dann auch Novell wieder ins Boot. (wh)