Kolumne

Linux als Dreisatz

09.02.2001
Christoph Witte, Chefredakteur CW

Mit einem möglichen Aufstieg von Linux zur Mainstream-Plattform, die vom Smartphone bis zum Mainframe skaliert, wäre Microsofts Kerngeschäft akut gefährdet. Das gilt allerdings weniger für Microsofts angestammte Aktivitäten als vielmehr für das zukunftsorientierte Web-Business, in dem Linux eine feste und stark wachsende Größe darstellt. In diesem Markt will Microsoft mit Windows 2000 und seiner .NET-Architektur Geld verdienen, und zwar mit dem klassischen Software-Lizenz-Modell, das durch die Open-Source-Bewegung stark in Frage gestellt ist. Zwar dürfte auch im Linux-Umfeld zunehmend für Software bezahlt werden, aber es dürften andere, preiswertere Lizenzmodelle gelten, die nur niedrige Margen abwerfen und niemandem die Kontrolle über den Code garantieren. Deshalb gäbe es für Microsoft nicht mehr viel zu verdienen, wenn sich Linux im Web-Business auf breiter Front durchsetzt. Allerdings stellt sich dann auch die Frage, ob mit Software überhaupt noch Geld zu machen ist.

Um im Open-Source-Segment erfolgreich zu agieren, braucht es außer Software noch Service und Hardware. Von diesem Gewinn bringenden Dreisatz geht offenbar auch die IBM aus: Sie ist nach wie vor über alle Plattformen hinweg (PC, Unix, Mainframe) einer der dominantesten Hardwarelieferanten - und mit IBM Global Services einer der größten IT-Dienstleister. Wenn Big Blue sich jetzt nach E-Business noch glaubhaft für Linux stark macht und es auf allen seinen Plattformen anbietet, könnte der Hersteller pikanterweise dank Open Source zu altem Glanz der Vor-Microsoft-Ära zurückkehren. Er könnte die Kundschaft zwar nicht wieder so in den Klammergriff nehmen wie zur Mainframe-Zeit, aber IBM hätte - wenn auch über den Umweg Suse beziehungsweise Red Hat - wieder die alleinige Kontrolle über ihr Portfolio und wäre nicht in wesentlichen Teilen von Microsoft abhängig. So gesehen, versucht die IBM mit Linux das Gleiche wie Anfang der 90er Jahre mit OS/2. Nur trachtet sie dieses Mal danach, die Marktentwicklung vorauszusehen, und nicht wie noch bei Windows, sie abzuwürgen.

Angesichts des Linux-Marktpotenzials erscheint IBMs Milliarden-Investment eher gering und Microsofts Angst vor dem Betriebssystem eher untertrieben. Kommentare zu diesem Kommentar bitte an cwitte@computerwoche.de