Lieber Schulung als schnellen Erfolg

15.04.1977

Die Ankündigung immer leistungsfähigerer Hardware-Systeme sowie das Angebot immer stärkerer Software-Systeme, ergänzt durch immer mächtigere Programmiersprachen, erzeugt im Management der Unternehmen durch entsprechende absatzorientierte Informationen der Anbieter vielfach den Eindruck, der Einsatz allein dieser Möglichkeiten führe zu einem schnellen Erfolg. Dabei wird in der Regel übersehen, daß parallel dazu eine Schulung und Motivierung der zuständigen Mitarbeiter unbedingt erforderlich ist. Die entsprechenden Mittel sind aber meistens nicht eingeplant, schließlich kostet ja die beabsichtigte Erweiterung schon genug. So tritt der erwartete Erfolg nur teilweise oder überhaupt nicht ein. Ergebnis: Negative Beurteilung des eingesetzten neuen Systems oder des Software-Produktes.

Denkweisen aus dunkelster Vergangenheit

So versuchen heute noch viele Computer-Konfigurationen der jüngsten Generation, ergänzt um modernste Betriebssysteme mit Methoden und Denkweisen aus der dunkelsten EDV-Vergangenheit "Herr zu werden".

Besonders bei EDV-Abteilungen mit Vergangenheit" besteht oft der Mitarbeiterstab aus ehemaligen Umschülern, deren Ausbildung aus der Zeit der ersten IBM 1401-Installationen stammt.

Das Thema EDV-Schulung verbirgt deshalb eigentlich zwei Problembereiche:

- Der Nachweis der Notwendigkeit der EDV-Schulung überhaupt.

- Die Auswahl der richtigen Schulung.

Sinn und Zweck der Schulung ist die Vermittlung von Informationen, das Erzeugen von neuen Vorstellungen durch den Gedankenaustausch und der Diskussion Gleichgesinnter.

Angeboten werden unter anderem: Schulungskurse, Seminare, Ausbildung mittels Videogeräten und PU (Programmierte Unterweisung).

Schulungskurse und Seminare haben nicht immer einen guten Ruf: Zu teuer, zu wenig konkrete Informationen, falsche Zusammensetzung des Teilnehmerkreises, unzureichende Arbeitsmittel und zu wenig Zeit für sachliche Diskussion - das sind einige Gründe dafür. Die aktuellen Seminarangebote zum Thema "Datenschutz" haben gezeigt, wie schnell auf gewinnbringende Möglichkeiten reagiert wird. Der Wert dieser Angebote ist sicher zweifelhaft.

Ausbildung mittels Videogeräten ist vielfach wegen der Zeit, die zur Erstellung des notwendigen Schulungsmaterials benötigt wird ,veraltet oder überholt und berücksichtigt ebenso

Notwendige Diskussion

wie bei der Schulung durch PU nicht die notwendige Diskussion.

Ausbildung im eigenen Haus, untestützt durch die Einladung entsprechender Spitzenreferenten, ist letzlich kostengünstiger, erreicht den größeren Teilnehmerkreis im eigenen Hause und kann dem "häuslichen EDV-Rahmen" angepaßt werden. Nachteilig ist die fehlende Kommunikation mit anderen EDV-Benutzern.

Unbestritten ist unter Fachleuten die Notwendigkeit der EDV-Schulung auf breiter Basis. Der Seminarbesuch einzelner Spitzenkräfte in Nobel-Hotels bringt uns nicht weiter, denn so lange werden wir über moderne Methoden in der Datenverarbeitung mehr theoretisieren als sie realisieren.

Die Zustimmung für den nicht unerheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand einer vernünftigen Schulung ist sicher nicht leicht vom Management zu erhalten, aber es ist der Mühe wert, sich darum ernsthaft zu bemühen, will man nicht eines Tages der Entwicklung hinterherlaufen.

Der Verfasser ist der Ansicht, daß dieses Thema einer breiten Diskussion wert ist und hier sicherlich nur angerissen werden konnte.

* Herbert Rotthauwe ist Leiter der Abteilung Programmierung der VEBA-Chemie AG, Gelsenkirchen-Buer