Personal-Management/Internet-Firmen überdenken ihre Personalstrategien

"Lieber Altersversorgung als ein Spaßtrip nach Hawaii"

30.11.2001
Angesichts der Krise in der IT-Branche richten Unternehmen ihr Personal-Management neu aus. Im Mittelpunkt steht eine Professionalisierung der Arbeit. Mit GFT-Personalchef Gerd Wolff sprach Katharina Leimbach*

CW: Der Mangel an IT-Profis hat sich in den vergangenen Monaten deutlich entschärft. Das müsste Sie als Personalchef doch freuen, oder?

Wolff: Wir spüren definitiv eine Entlastung. Doch man darf sich nichts vormachen: In einigen Bereichen bleibt es eng. So werden beispielsweise erfahrene und gute C++- und Java-Programmierer auch in Zukunft gesucht.

CW: Heißt das, Sie fahren nun Ihr Personal-Marketing zurück?

Wolff: Auf alle Fälle, wir müssen nicht mehr auf jeder Hochzeit mittanzen. Konzentration auf die Großereignisse wie CeBIT und Internet World in Berlin ist nun angesagt. Im vergangenen Jahr haben wir noch an zehn Jobmessen teilgenommen, für 2002 haben wir die Zahl halbiert.

CW: Auch beim Personal-Management bleibt sicher nicht alles beim Alten. Streicht GFT seine Leistungen für die Mitarbeiter zusammen?

Wolff: Ich möchte dies eher als eine Verlagerung der Schwerpunkte bezeichnen. Ein Beispiel ist unsere Tochter Pixelfactory: vom Selbstverständnis her ein New-Economy-Unternehmen mit einer Reihe von typischen Schmankerln für die Mitarbeiter wie Büromassage und kostenlose Süßigkeiten. Solche Sachen werden nicht aufgegeben, aber zurückgefahren. Wir wollen den Mitar-beitern lieber Leistungen bieten, die man tatsächlich auch sieht: Altersversorgung und Firmenwagen etwa.

CW: Als Beratungsunternehmen tendieren Sie nun zu den Personal-Management-Werkzeugen der Old Economy. Spielt dabei auch die Übernahme der Deutsche-Bank-Tochter Emagine ein Rolle?

Wolff: Wir bewegen uns irgendwo in der Mitte zwischen Old und New Economy. Anders als unseren Mitarbeitern bei Pixelfactor standen den neuen Kollegen von Emagine Nebenleistungen wie Essenszuschüsse, Sportzentren und Kindergarten zur Verfügung.

CW: Müssen Ihre Mitarbeiter nun auf diese Privilegien verzichten?

Wolff: Wir haben den Emagine-Mitarbeitern einen Bestandsschutz

zugesichert. Andererseits ist es für die Pixelfactory-Mitarbeiter eher eine furchtbare Vorstellung, mittags in eine Kantine essen zu gehen. Deshalb haben wir uns für ein schlankes System entschieden, das unserer Meinung nach alle Mitarbeiter zufrieden stellt und zudem vom Personalbereich administrierbar ist.

CW: Wie macht sich das im Entlohnungssystem bemerkbar?

Wolff: Unser Entlohnungssystem ist bislang bewusst einfach gehalten, mit der Beschränkung auf das Wesentliche: Gehalt und Dienstwagen. Wir denken jetzt jedoch über ein Altersversorgungssystem nach. Denn wir wollen zum einen unsere Mitarbeiter nicht an große IT-Anbieter verlieren, die genau solche Leistungen anbieten. Zum anderen sehen wir die Altersversorgung als ein Zeichen nach außen für neue Beschäftigte.

CW: Altersversorgung ist also ein Punkt, der IT-Profis heute anspricht?

Wolff: Das interessiert vor allem Bewerber, die als gebrannte Kinder von Dotcom-Unternehmen und Internet-Consultants kommen. Sie stellen gezielte Fragen zur Entwicklung des Aktienkurses und eben auch zu solchen Leistungen.

CW: In der IT-Branche werden die Gehälter zunehmend variabel gestaltet mit erfolgsabhängigen Bestandteilen. Wie sieht es bei GFT aus?

Wolff: Wir haben Mitte vergangenen Jahres auch auf das System Grundgehalt plus Bonuszahlungen umgestellt. Dabei bemisst sich der variable Gehaltsbestandteil, der bei zehn Prozent beginnt, vorrangig an der persönlichen Leistung des Mitarbeiters, zum kleineren Teil am Ergebnis von GFT. Für neue Mitarbeiter ist dieses System obligatorisch, die anderen haben die Wahl.

CW: Wie kommt das neue System an?

Wolff: Einige Mitarbeiter wollen beim alten Modell mit Weihnachtsgeldzahlung bleiben. Dabei hat mich zweierlei überrascht: Vor allem die Kreativen bevorzugen dieses System. Sie brauchen wohl feste Rahmenbedingungen. Softwareentwickler und Technologen, die eher als risikoscheu gelten, kommen dagegen von selbst mit neuen Berechnungsmodellen.

CW: Spielt auch das Thema Arbeitsplatzsicherheit eine Rolle?

Wolff: Sicherheit in dem Sinn, dass ein Mitarbeiter in einem Jahr noch das gleiche Aufgabenfeld wie heute haben wird, können wir nicht bieten. Wir können ihm jedoch zusagen, dass der Rahmen bei GFT im Gegensatz zu vielen New-Economy-Unternehmen stimmt: Wir sind ein solides Unternehmen mit gutem finanziellem Background und starken Anteilseignern wie Deutsche Post und Deutsche Bank.

CW: Die zurückliegenden Jahre waren bei Ihnen durch das schnelle Einstellen vieler neuer Mitarbeiter gekennzeichnet. Welches sind nun Ihre Ziele?

Wolff: Wir arbeiten daran, professioneller zu werden. So wollen wir in Zukunft sicherstellen, dass wir Bewerber mit solchen Qualifikationen einstellen, die wir brauchen. Früher haben wir mitunter Mitarbeiter ins Boot geholt, die noch zu jung und unerfahren sind, um beispielsweise Neukunden zu akquirieren oder Projekte zu managen.

CW: Weiterbildung ist dafür das geeignete Mittel. In Krisen wird jedoch häufig genau daran gespart.

Wolff: Die Qualifizierung der Mitarbeiter war in vielen New-Economy-Unternehmen auch schon ein Problem während der Boomjahre, wie ich immer wieder bei Bewerbungen und Interviews feststellen muss.

CW: Welchen Stellenwert hat Weiterbildung bei GFT?

Wolff: Ich halte den Know-how-Aufbau für ganz entscheidend für die Motivation und Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter und folglich für unser Unternehmen - das bringt weitaus mehr als ein Incentive wie ein gemeinsamer Spaßtrip nach Hawaii. Unsere Abteilung für Personalentwicklung konzipiert, entwickelt und organisiert verschiedene Seminarprogramme, die im Intranet für jeden transparent gemacht werden.

CW: Ist die Weiterbildung bei Ihnen in der Gruppe institutionalisiert?

Wolff: Wir haben kein System in dem Sinne, dass ein Hochschulabgänger ein Trainee-Programm durchläuft. Es liegt am einzelnen Mitarbeiter, wie er sich aktiv weiterentwickelt. Es nützt nichts, einen Mitarbeiter zu einem Java-Kurs zu schicken, wenn er das Gelernte nicht zeitnah einsetzen kann. Wir machen solche Qualifizierungsmaßnahmen lieber von den Anforderungen unserer Projekte abhängig.

CW: Bei einer Befragung der Meta Group wussten mehr als drei Viertel der deutschen Unternehmen nicht, wie viele Trainingstage ihre IT-Mitarbeiter pro Jahr haben. Wissen Sie es?

Wolff: Wir kommen auf durchschnittlich sechs Arbeitstage pro Jahr. Dabei hat sich das Budget in den vergangenen drei Jahren pro Mitarbeiter mehr als verdoppelt.

CW: Damit liegen Sie im Meta-Group-Vergleich am unteren Ende der Skala. In Europa sind zwölf Trainingstage der Durchschnitt.

Wolff: Hier darf man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Neue Mitarbeiter erhalten bei uns je nach künftigem Aufgabengebiet eine Einführungsschulung von drei bis 15 Tagen. Daneben gibt es unter anderem das individuell zugeschnittene On-the-job-Training, das wir nicht separat ausweisen.

CW: Die Meta Group kritisiert, dass in Europa Weiterbildung fast ausschließlich der Vermittlung technischer Skills dient. Muss sich GFT hier einreihen?

Wolff: Nein, bei uns sieht das Verhältnis so aus: zwei Drittel Hardskills und ein Drittel Softskills. Alle neuen Mitarbeiter nehmen bereits in der Probezeit an einem allgemeinen Kommunikationstraining teil, bei dem Grundlagen des persönlichen Auftretens sowie der Umgang mit Kollegen und Kunden im Mittelpunkt stehen. Daneben gibt es Angebote für Präsentationstechniken, Konfliktfähigkeit und Moderation. In Frankfurt haben wir zudem mit Sprachkursen für die Mitarbeiter begonnen. Dabei kommen Trainer ins Haus, um die Konversationsfähigkeit zu schulen.

CW: Haben Sie bei Seminaren zur Weiterentwicklung von Softskills nicht damit zu kämpfen, dass dies eher als Freizeitveranstaltung betrachtet wird?

Wolff: Durchaus: Wir hatten beispielsweise einen Kurs "Kreativitätstechniken" aufgesetzt. Dieser Titel klang vielen zu Business-fern. Nun werden die gleichen Inhalte unter dem Titel Kommunikationstechniken vermittelt. Das Feedback von allen Seiten ist sehr gut. (hk)

*Katharina Leimbach ist freie Journalistin in Stuttgart.

Das UnternehmenGFT Technologies AG aus Sankt Georgen ist nicht erst seit der Pleite von Kabel New Media als solider Internet-Dienstleistern anerkannt - auch wenn im ersten Halbjahr ein Verlust vor Zinsen und Steuern von 1,2 Millionen Euro erwirtschaftet wurde. In den vergangenen Jahren hatte GFT im Gegensatz zur Konkurrenz nur wenige Firmenübernahmen getätigt, darunter die Multimedia-Agentur Pixelfactory und ACS, ein Spezialist für Systemberatung im Workflow-Umfeld. Im August dieses Jahres kam Emagine, eine IT-Tochter der Deutschen Bank, dazu. Die Mitarbeiterzahl erhöhte sich durch die Emagine-Integration von 800 auf 1500.