Liberalisierung und ihre Glaubwuerdigkeit

25.03.1994

Nicht immer, aber immer oefter: Das Motto, mit dem eine bekannte deutsche Brauerei fuer ihren alkoholfreien Gerstensaft wirbt, scheint, was die Forderung nach einer Abschaffung des Netzmonopols angeht, auch bei den Verfechtern von mehr Liberalisierung in der Telekommunikation um sich zu greifen. Und in den lautstarken Chor derer, die in Deutschland spaetestens 1998 europaweit am liebsten gleich alle TK-Monopole beseitigen wollen, reiht sich seit geraumer Zeit immer deutlicher hoerbar auch die US-Handelskammer ein - was im uebrigen, um etwaigen Missverstaendnissen vorzubeugen, deren gutes Recht ist.

Berechtigt ist groesstenteils auch die Kritik, die in dem Papier der Kammer zum Ausdruck kommt; das Problem ist nur, dass die Ueberlegungen nicht neu sind und der deutschen wie internationalen TK-Szene keine ueberraschenden Erkenntnisse bringen. Dies gilt vor allem auch fuer die Erwartungen, die man mit weltweit vollstaendig liberalisierten TK-Maerkten verknuepft. Da ist, nicht nur bei den Experten der US-Handelskammer, vielfach der blosse Wunsch Vater zum Teil fixer Gedanken, und so manch hochgelobtes "TK-Musterlaendle" macht sich bei naeherem Hinsehen des teilweisen Etikettenschwindels schuldig.

Wo ist denn etwa, um beim vielzitierten Beispiel Grossbritanniens zu bleiben, die englische Industrie, die nachpruefbar elementare Vorteile aus einer veraenderten TK-Landschaft zoege? Die britische Insel hat sich ohne Zweifel zu einer Art "TK-Paradies" mit in Europa konkurrenzlos niedrigen Tarifen entwickelt, und zwar groesstenteils in Folge von mehr Wettbewerb. Gleichzeitig blieb dort aber die Stellung des ehemaligen Monopolisten British Telecom im wesentlichen unangetastet, der sich zudem nach wie vor um die Versorgung laendlicher Gebiete kuemmern darf, waehrend sich die Konkurrenz von Mercury und demnaechst Energis die Rosinen in Form von Ballungsgebieten oder einzelnen Grosskunden herauspickt.

Mehr Redlichkeit waere also bei all dem Liberalisierungsgeschrei angebracht, schon um der Glaubwuerdigkeit vielfach berechtigter Anliegen willen. Dabei sollte vor allem klar zum Ausdruck kommen, um was es den meisten letztlich geht: naemlich um niedrigere Telekommunikationskosten oder um die Moeglichkeit, als Anbieter von Dienstleistungen ein bisschen mitzuverdienen. Beide Motive sind legitim, rechtfertigen aber nicht, staendig das hohe Liberalisierungsideal wie eine Monstranz vor sich herzutragen. So wird man, um auf Deutschland zurueckzukommen, wohl oder uebel weiterhin mit einer Telekom leben und streiten muessen. Breitband- Kommunikation und Multimedia heissen - auch in Deutschland - die Herausforderungen, und man darf schon gespannt sein, was die private Telekom-Konkurrenz dazu zu sagen hat. Im uebrigen: Wer will schon bestreiten, dass die Mannen um Helmut Ricke einiges in Sachen Wettbewerb dazugelernt haben, aber auch noch lernen muessen?gh