Nach dem Sanierungskurs

LH-Systems-Chef Hansen im Interview

16.04.2012
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Cloud-Lösungen und SAP-Know-how

CW: Im Vergleich zu Wettbewerbern ist ihre Mannschaft eher klein. Ist das angesichts Ihrer immer noch breiten Aufstellung nicht ein Nachteil?

Hansen: Wir sind mit weltweit rund 4300 Mitarbeitern vielleicht nicht sehr groß. Aber wir sind schnell, was unsere Entscheidungsstrukturen angeht, und wir sind innovativ. Nehmen Sie unsere Cloud-Lösung deskBase: Ein Thin Client als Endgerät, Applikationen und Daten sind im Rechenzentrum, Sie können aus dem Büro, von zu Hause aus oder mobil darauf zugreifen und arbeiten - das haben wir im Konzern im Einsatz. Am Ende haben sich dazu nur zwei intelligente Köpfe zusammengesetzt und das Produkt entwickelt. Daraus haben wir dann mehr gemacht.

Oder das Thema BoardConnect, das gerade den international renommierten Crystal Cabin Award gewonnen hat: Wir ermöglichen Flugreisenden, ihre eigenen mobilen Endgeräte, die sie mit an Bord bringen, fürs Streaming zu nutzen. Auch da haben sich zwei oder drei unserer Spezialisten überlegt, wie kann das funktionieren? Damit haben wir bei Virgin America etablierte Wettbewerber aus dem Rennen geworfen. Eigentlich müsste man annehmen, dass diese aufgrund der Ressourcen klar im Vorteil sind. Schlaue Köpfe haben die auch. Der Unterschied ist: Wir sind in unseren Entscheidungsstrukturen viel schneller. Wir sind dichter am Geschäft und flexibler. Das ist ein Riesenvorteil.

Übrigens sind auch viele Industrie-Kunden froh, wenn sie mal nicht mit den Klassikern IBM, Accenture oder T-Systems zu tun haben. Da ist unsere Größe ein Vorteil. Sie haben bei uns das Gefühl, auf Augenhöhe zu agieren. Unser Lufthansa-Brand ist ein weiterer Pluspunkt.

CW: Wie gehen Sie vor, um bei den großen internationalen Projekten mit bieten zu können?

Hansen: Wir arbeiten eng mit diversen Partnern zusammen, so dass wir durchaus auch größere Themen angehen können. Zum Beispiel sind einige indische Unternehmen unsere Partner. Wenn es darum geht, größere IT-Projekte zu staffen, sind wir mit unserem Namen aber auch immer in der Lage, gute Leute vom Markt zu akquirieren.

CW: Trotzdem frage ich mich, ob Sie nicht einen Gemischtwarenladen betreiben: SAP-Einführungsprojekte stehen neben Cloud-Themen wie deskBase und Entertainment-Lösungen wie BoardConnect.

Hansen: Wir haben uns verschlankt und konzentrieren uns auf bestimmte Themen. Bei den Produkten im Bereich Airline Solutions sind die Geschäftsprozesse der Airlines der rote Faden, an dem wir uns ausrichten. Das RZ-Geschäft fungiert als Cost Center und ist Dienstleister für unsere drei Profit Center. Standardisierung und ein klarer Fokus auf die wesentlichen Plattformen ist uns hier wichtig. Wir haben einen Virtualisierungsgrad von 70 Prozent erreicht und konnten viel RZ-Fläche freimachen, so dass wir jetzt problemlos neue Kunden unterbringen können.

Unseren Industriekunden bieten wir gezielt Branchenlösungen und SAP-Beratung. Und hier setzen wir vor allem auf Application Lifecycle Management. Wir haben eine Vorgehensweise definiert, wie wir Legacy-Apps in den Regelbetrieb übernehmen und Cloud-fähig machen können. Das sind Konzepte, für die wir erheblichen Bedarf sehen und die wir im Markt platzieren möchten.

Grundsätzlich möchten wir aus der Interaktion mit dem Kunden heraus Mehrwert liefern. Wir wollen ja seine Legacy-Applikationen mit Cloud-Anwendungen integrieren oder sie gegebenenfalls Cloud-fähig machen. Wir haben historisch bedingt viel Middleware-Kompetenz, die uns hier hilft. Diese Cloud-Readiness für die Kunden herzustellen und ihm zu helfen seine IT-Kosten zu senken, darum geht’s.

CW: Als ausgegliederte IT-Organisation eines Konzerns haben Sie mit Vorurteilen zu kämpfen. Ihre Mutter ist der erste Kunde, alle anderen werden nachrangig behandelt. Wie können Sie das entkräften?

Hansen: Wenn wir 80 oder 90 Prozent des IT-Budgets der Lufthansa hätten, würde ich sagen: Die Sorgen könnten berechtigt sein. Aber wir haben nur 60 Prozent. Alle Projekte im Konzern werden ausgeschrieben. Wir müssen die Besten sein, um uns durchzusetzen. Das ist ein starker Anreiz, technologisch, preislich und auch hinsichtlich der Kundenorientierung die Besten zu sein.

CW: In welchen Fällen hat sich die Lufthansa denn gegen die eigene Tochter entschieden?

Hansen: (Lacht) Darüber rede ich natürlich nicht so gerne. Aber o.k., das ist zum Beispiel das Crew Management.