Mehr Besucher und mehr Aussteller auf der Learntec '97

Lerntechnologen sind zu undiszipliniert

21.02.1997

Vom 28. bis 30. Januar fand in Karlsruhe die fünfte Learntec, Kongreß für Bildungs- und Informationstechnologie, statt. Die Besucherzahl erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr von rund 800 auf 1200. 60 Aussteller, 50 Prozent mehr als im Vorjahr, präsentierten Produkte und Dienstleistungen zum Thema multimediales Lernen. Winfried Sommer, der gemeinsam mit Uwe Beck für die wissenschaftliche Leitung der Learntec verantwortlich ist, erklärte, er habe diesmal "zum erstenmal ein richtig gutes Gefühl".

In der Tat hat sich die Veranstaltung inzwischen als Forum für betriebliche Entscheider und Multimedia-Insider etabliert. Der Tatsache, daß die meisten Kongreßveranstaltungen noch zuwenig Workshop-Charakter haben, soll künftig abgeholfen werden.

Uwe Beck stellte einen Quantensprung fest, indem er die erste Learntec, auf der noch das tutorielle Lernprogramm mit Text und Grafik auf Diskette oder Bildplatte als Einzelplatzlösung dominierte, mit dem vielfältigen Angebot multimedialer Lernmöglichkeiten von heute verglich. Das noch relativ neue, aber aktuelle Thema "Lernen in Netzen" spielte dieses Jahr eine wichtige Rolle. Sommer ist der Ansicht, künftig würden sich Bildung, vor allem auch multimediale Formen des Lernens, direkter an den "Endverbraucher" richten. Immer mehr Berufstätige würden zu Hause arbeiten; und dieser Trend werde durch die zunehmende Vernetzung noch verstärkt.

In über 70 Vorträgen wurde unter anderem der Multimedia-Einsatz in den Bereichen Banken/ Finanzdienstleistungen und Pharma behandelt. Keith Dobson vom British Council - Großbritannien war diesmal Partnerland der Learntec - malte das Bild von "Windownesia" und führte Zahlen an, die vermuten lassen, daß es zur Jahrtausendwende mehr Windows-Benutzer geben werde als Menschen in Indien leben.

Mike Newton von der Trans- cend Technology Ltd. in Rugby, Großbritannien, forderte von den "Edu-technologists", daß sie disziplinierter sein müßten und mehr von anderen Industriezweigen "abgucken".

Gleich mehrere Hochschulen berichteten über Versuche mit neuen Lernformen. So stellte die Universität Münster ein Pilotprojekt mit multimedialen Vorlesungen vor. Damit könne die Studienzeit erheblich verkürzt werden. Allerdings verlange diese Lernform wesentlich mehr Eigeninitiative und Aktivität der Studenten als der Besuch einer klassischen Vorlesung - oder "kuschelige Bücher". Ziel sei es, die Qualität der Lehre und des Lernens zu steigern: Studenten und Lehrende verfügen über eine gemeinsame elektronische Bibliothek.

Der Dozent nutzt während der "Computer Assisted Teaching"-Vorlesung eine Slideshow, die Studenten arbeiten während des "Computer Assisted Learning" mit einer Hypertextbasis. Alle Lernmaterialien, ob CBTs auf CD-ROM, im Internet bereitgestellte Informationen oder Printmedien, befinden sich in einem kommunikativen Verbund. Die meisten Kenner der Materie sind heute der Ansicht, daß die CD-ROM bisher besser zum Lernen geeignet sei als das Internet.

Professor Heppell von der Anglia Polytechnic University sieht den Vorteil der Selbstlernmedien, ob on- oder offline, unter anderem darin, daß sich jeder Lernende das Wissen nach dem eigenen Lernmodell individuell und prozeßorientiert erarbeiten könne. Am Beispiel des Ultralab zeigte er, wie im Internet bereitgestellte Wissensquellen durch Anmerkungen der Lehrenden - auch angeregt durch Fragen der Studenten - angereichert werden können.

Auf große Resonanz stieß ein eintägiger Spezialkongreß zum Thema Hochschule. Auf einer Podiumsdiskussion zum Thema virtuelle Universitäten wurde deutlich, daß es noch schwierig ist, eine gemeinsame Diskussionsebene zu finden. Nicht nur bei der Interpretation des Begriffs "Virtuelle Hochschule" gab es kontroverse Meinungen; die Referenten schätzten auch die Möglichkeiten und Risiken virtuellen Lernens unterschiedlich ein.

Softwarebörse prämierte beste Hochschulprogramme

An den Messeständen konnten sich Bildungs-Manager über interaktive Lernprogramme zu verschiedensten Themen informieren, von CBTs zum Thema Sprachen, DV oder Elektrotechnik, über Seminarverwaltungs-Software und Testsysteme bis hin zu Lernprogrammen für Moderationsmethoden und komplexen Unternehmensplanspielen.

Die Softwarebörse Multimedia Transfer '97 zeigte die 30 besten von über 100 eingereichten Multimedia-Produktionen aus dem Hochschulbereich. Mit Förderpreisen prämiiert wurde unter anderem ein Tutorial zum Thema Web-Publishing, mit dem Präsentationen erstellt werden können, aber auch ein "Bio-Computing-Kurs", mit dem der Anwender sich über das Internet Wissen über Bioinformatik aneignen kann.

*Ute Wolter arbeitet als freie Journalistin in Bensheim