weiterbildung für berufseinsteiger: online zum business engineer

Lernen von und mit dem Netz

20.10.1999
Universitäres Wissen mit Praxisbezug will die Telelearning-Akademie der Firma imc GmbH aus Saarbrücken vermitteln. Hier können sich die Teilnehmer ein Jahr lang online zum Business Engineer mit IHK-Zertifikat weiterbilden.

christine köppl, in der Privatkundenabteilung der Württembergischen Versicherung AG in Stuttgart tätig, kann von sich mit Recht behaupten, eine Pionierin zu sein. Die 31jährige Betriebswirtin ist eine der ersten Absolventen einer einjährigen Internet-Weiterbildung und kann sich seit kurzem auch mit dem Titel Business Engineer schmücken.

Das Besondere an ihrer Qualifizierung? "Wir haben den gesamten Lernstoff online erarbeitet", erklärt die Stuttgarterin. "Lernen von und mit dem Netz war für mich etwas ganz Neues." In drei Trimestern hat Köppl sich mit Strategien moderner Unternehmensgestaltung, mit der Planung und Anpassung von computergestützten Anwendungen und dem Business Process Re-Engineering beschäftigt. "Durch diesen Kurs habe ich jetzt auch mehr Verständnis für die Vorgänge in der IT-Abteilung gewonnen", schätzt sie ein. "Und das ist für die kontinuierlichen Verbesserungsprozesse im Unternehmen, die wir alle anstreben, sicher sehr hilfreich."

Mit Köppl haben noch 27 weitere Teilnehmer das Zertifikat der IHK Saarbrücken erworben. "Die meisten von ihnen sind Unternehmensberater, DV-Spezialisten oder Quereinsteiger aus den Bereichen Informations-Management und Controlling", weiß Wolfgang Kraemer, Mitbegründer der information multimedia communication GmbH (imc), die den Kurs veranstaltet. Den Begriff Online-University für das von imc 1998 gestartete Projekt hält Kraemer durchaus für nicht zu hoch gegriffen: "Hier werden universitäre Inhalte aus der Wirtschaftsinformatik mit der Hilfe eines interaktiven Mediums vermittelt, für die ansonsten sicher vier Semester an einer Präsenzuniversität zu veranschlagen wären."

Hervorgegangen ist die Firma imc als Spin-Off-Unternehmen aus dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Saarbrücken, dessen Leiter Professor August-Wilhelm Scheer ist. Ihn können die Studenten in einer virtuellen Vorlesung erleben, wenn es zum Beispiel um die Erklärung der Aufgaben eines Wirtschaftsinformatikers geht. Informationstechnologisches Wissen, aktuelles betriebswirtschaftliches Know-how über Daten und Geschäftsprozesse und Kenntnisse um den Einsatz spezieller Methoden und Tools sollen von der Online-University vermittelt werden. "Begriffen und Methoden wie dem Telelearning oder dem Web Based Training, die auf die Vermittlung von multimedial aufbereiteten Lerninhalten über das Netz zielen, gehören einfach die Zukunft", ist Kraemer überzeugt.

Ganz und gar virtuell funktioniert aber auch das Saarbrückener Modell nicht, wie Kraemer glaubt. "Der Austausch zwischen den Lehrenden und Lernenden, die menschliche Komponente, ist ein wichtiger Bestandteil der Motivation." So gibt es zwölf Tage im Jahr, an denen alle Teilnehmer zu Präsenzveranstaltungen in Saarbrücken erwartet werden. Allein gelassen wird in der Zwischenzeit aber auch niemand, der sich mit Themen wie "Methoden der Informationsmodellierung" oder "Customizing Methoden und Werkzeuge" herumschlagen muß. Ein Teletutor steht in jeder Woche rund eine Stunde, bei Bedarf auch mehr, per E-Mail oder Telefon zur Verfügung. Er gibt Tips, Ratschläge und Kommentare, kritisiert und korrigiert. Darüber hinaus kann aber auch jeder sein persönliches "Lernkonto" einsehen. "Das ist wie eine Bundesligatabelle", charakterisiert Kraemer"Hier kann jeder seinen Fortschritt und seinen derzeitigen Stand abrufen."

Spaßfaktor Internet-Lernen

Daß die Teilnehmer sehr motiviert sind und die Abbrecherquote bislang mit rund 15 Prozent vergleichsweise niedrig liegt, macht Kraemer zufrieden. "Dazu trägt sicher sowohl der Ruf von Professor Scheer ebenso bei wie die Tatsache, daß wir mit dieser Art von Weiterbildung in Deutschland einzigartig sind", glaubt er.

Diplominformatiker Andreas Röttger, 32 Jahre alt, nennt noch einen anderen Grund: "Das Lernen in Gruppen wird hier ja nicht nur ermöglicht, sondern auch gefördert." Gleich mit insgesamt sechs Mitarbeitern hatte sich die Firma Opitz & Partner GmbH aus Gummersbach am Lehrgang beteiligt. Und dabei wird es nicht bleiben. Nach Abschluß des ersten Durchgangs plant das Unternehmen, das sich mit Organisationsberatung und Projektabwicklung beschäftigt, ein weiteres Team ins Rennen zu schicken. Röttger, der die gemeinsamen Lernaktivitäten im Unternehmen koordiniert hat, ist begeistert: "Ich bin zur Zeit mit dem Aufbau einer Niederlassung in München beschäftigt. Wie mir, so wäre es auch den anderen Kollegen aus zeitlichen und räumlichen Gründen sehr schwer gefallen, uns auf herkömmliche Art weiterzubilden." So konnte das individuelle Training des Einzelnen mit den regelmäßigen Treffen und den Besprechungen zu den vorgegebenen Themen

koordiniert werden.

"Nur die Prüfung mußte zum Schluß jeder allein bestehen", lächelt Röttger. Und die bestand unter anderem darin, einen Geschäftsprozeß aus dem eigenen Unternehmen abzubilden. Qualifizierung der Mitarbeiter sei für das Unternehmen in der Nähe von Köln eine besonders wichtige Aufgabe, so Röttger. "Wir bieten unseren Kunden einen ganzheitlichen Service von der betrieblichen Analyse bestehender Informationssysteme über die Konzeption bis hin zur Erstellung von Individualsoftware", informiert der Gummersbacher. "Dazu benötigen wir gut ausgebildete Mitarbeiter, die die Schnittstellen zwischen Informationstechnik und Betriebswirtschaft erkennen und sinnvoll verbinden können." Und genau das, lobt er, liefere die Weiterbildung zum Business Engineer in Saarbrücken. "Hier ist ein wirklicher Praxisbezug gegeben", so sein Fazit. "Und dazu kommt die Aufbereitung der Inhalte mit Ton, Bild und Animationen, die den nötigen Spaßfaktor

liefert, um die Fortbildung berufsbegleitend durchstehen zu können."

*Gabriele Müller ist freie Journalistin in Wuppertal.