Lernen am Arbeitsplatz und in der Freizeit sind in Zukunft nicht zu trennen Multimedia wird die Berufswelt kraeftig durcheinanderwirbeln

17.11.1995

KARLSRUHE (hk) - Selbst konservative Weiterbildungsexperten verlieren allmaehlich die Angst vor Multimedia. Auf der vierten Learntec zeigten Unternehmen, wie sich mit Hilfe von Lernprogrammen Kosten senken lassen und die Lerneffizienz gesteigert werden kann. Hauptproblem ist weniger die Qualitaet der Programme, als die organisatorische Einbettung in ein Personalentwicklungs-Konzept.

Markige Sprueche konnte man vom Podium vernehmen. Etwa von Reinhard Leiter, dem obersten Personalentwickler der Allianz-Versicherung. Aufs heftigste kritisierte er die aktuellen Management-Methoden wie die Lean-Konzepte und das Business Re-Engineering, die "an Innovation und Kreativitaet nichts gebracht haben". Ans Auditorium gerichtet, fragte er provokativ: "Und was kommt danach?" Aufgabe der Personalentwickler muesse sein, Prozesse zu unterstuetzen, die aus einem Unternehmen eine lernende Organisation werden liessen.

CBT: Erste Angebote aus Osteuropa sind da

Europas groesste Versicherung setzt auf technologiebasiertes Training. Leiter ist ueberzeugt, dass bei der Vermittlung von kognitiven Inhalten dem computerunterstuetzten Lernen die Zukunft gehoert. Zwar sei die Entwicklung einer Stunde Computer Based Training (CBT) mit 100000 Mark Kosten nicht gerade billig, aber "wir haben schon die ersten tschechischen Angebote". Und das Internet solle man auch nicht vergessen. Allerdings duerfe Technik nicht Mittel zum Selbstzweck sein. "Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen", verkuendete der Allianz-Manager pathetisch. CBT werde sich nur durchsetzen, wenn es Teil der Personalentwicklung sei.

Auch Werner Mueller, Direktor bei der Dresdner Bank, konnte sich harte Worte an die Adresse der Arbeitnehmer nicht verkneifen. Als einen wichtigen kuenftigen Trend machte er das Lernen in der Freizeit aus. Noch seien allerdings viele Mitarbeiter nicht bereit, zu begreifen, dass "jeder fuer den Gelderwerb selbst zustaendig ist". Zu sehr wuerden sich Beschaeftigte darauf verlassen, dass die Arbeitgeber alles fuer ihre Mitarbeiter tun.

Bei seiner Bank werde noch ausschliesslich in der Arbeitszeit gelernt. Das fuehrte dazu, dass man anlaesslich eines Projektes die Kosten eines zweiwoechigen klassischen Seminars mit Hotel-, Reise - und Dozentenkosten einer CBT-Schulung gegenueberstellte. Das Ergebnis: Mit Lernprogrammen war es nur halb so teuer.

Keine Diskussion ueber Lernen am Arbeitsplatz oder in der Freizeit braucht Rainer Pudlo zu befuerchten. Bei Bosch koennen sich die Mitarbeiter leihweise Lernprogramme bestellen. Zusaetzlich hat der Weiterbildungsexperte Pudlo einen Rahmenvertrag mit einem grossen PC-Hersteller ausgehandelt: Jeder Beschaeftigte erhaelt die Moeglichkeit, sich einen Multimedia-Pentium-Rechner zu guenstigen Konditionen zu bestellen. Zusaetzlich gibt es ein Lernprogramm sowie eine Bestaetigung des Unternehmens, dass das Geraet fuer Weiterbildungszwecke genutzt wird. In letzter Zeit hatten naemlich Finanzaemter Multimedia-PCs nicht ohne weiteres als Arbeitsmittel anerkannt.

Professor Winfried Sommer konnte insgesamt zufrieden sein: Seine vor vier Jahren zusammen mit dem Professor Uwe Beck ins Leben gerufene Learntec hat sich als Forum fuer Bildungstechnologen etabliert. Etwa 800 Teilnehmer (letztes Jahr 500) besuchten vier Tage lang Messe und Kongress. In rund 80 Vortraegen und Workshops berichteten Wissenschaftler, Vertreter von Herstellern und Anwendern ueber Entwicklungen und praktische Umsetzung von Bildungstechnologien. Darueber hinaus haben etwa 50 Anbieter ihre Lernprogramme gezeigt.