Das riesige Angebot an CAD-Hardware und -Software verwirrt die Anwender:

Leitfaden für die Auswahl des richtigen CAD-Systems

07.07.1989

MÜNCHEN (CW) - Der wachsende nationale und internationale Konkurrenzdruck zwingt immer mehr Unternehmen CAD-Systeme für ihre Entwicklungsaufgaben einzusetzen. Allerdings macht das gewaltige Angebot an Hardware und Software es dem Anwender nicht einfach, eine fundierte Entscheidung bei der Auswahl zu treffen. Welche Zielvorstellungen und Auswahlkriterien dabei berücksichtigt werden sollten beschreibt ein Leitfaden des Fachkreises "Rechner in der Entwicklung und Konstruktion" des ZVEI-Fachverbandes Informations- und Kommunikationstechnik.

Analyse und Dokumentation sind Voraussetzungen bei der Auswahl eines CAD-Systems. Parallel dazu ist es erforderlich, umfangreiche Informationen zu den betreffenden Themen zu sammeln - und zwar möglichst unabhängig von Hardware- und Softwareanbietern. Ideal eignen sich dazu Fachzeitschriften und Literatur.

Der nächste Schritt ist eine Aufspaltung des Gesamtkonzepts in Untermengen und eine detaillierte Auflistung der einzelnen Anforderungen sowie möglicher Fragen an die Systemanbieter. An diesen Anforderungen und Fragen sollten sich alle Anbieterkontakte und Systemvorführungen orientieren.

Sämtliche Ergebnisse aus diesen Gesprächen und Dokumentationen müssen im nachhinein dokumentiert werden. Unklarheiten lassen sich durch Arrangements von gezielten Vorführungen zu denjenigen Punkten erzielen, bei denen die gesammelten Informationen nicht ausreichen. Zur Auswertung empfiehlt sich eine Wichtung der einzelnen Anforderungen und eine Bewertung nach einer einheitlichen Punkteskala.

Die in die engere Wahl einbezogenen CAD-Systeme sollten mit firmentypischen Anwendungsfällen getestet werden. Die kompliziertesten als Maßstab zu wählen, führt oft zu falschen Entscheidungen. Ein System, welches 90 Prozent aller Anwendungen gerecht wird, kann bei dem Eigentest durchfallen, während ein anderes, das den komplizierten Fall löst, aber nur 50 Prozent der typischen Anwendungen schafft, den Test bestehen kann. Für solche Prüfungen bieten viele CAD-Anbieter heute befristete Testinstallationen zu günstigen Konditionen. Verfügt der Systemanbieter über eine Lizenz von Referenzfirmen, sollte auch diese Form der Informationsbeschaffung genutzt werden.

Ein extrem wichtiges Kriterium bei der Auswahl ist auch der Support den der Anbieter bei der Einführung und in der Folgezeit leistet. Hierzu gehören regelmäßige Wartungsintervalle und Softwareupdates. Wichtig sind zudem ständig erreichbare Servicestellen für die gesamte Software und Hardware sowie für die peripheren Elemente. Zur gezielten Weiterleitung und Beantwortung von Benutzerproblemen bietet sich ein Hotline-Service an.

Updates und Reparaturen müssen gewährleistet sein

Auch die Systempflege, Updates und Reparaturen müssen im Rahmen von Wartungsverträgen langfristig sichergestellt sein. Die Preise von maschinenbezogenen Lizenzen hängen sehr stark davon ab, ob es sich um ein Einzel- oder Mehrplatzsystem handelt. Die Unterschiede zwischen einer Workstation- und einer Großrechnerinstallation können weit über 50 Prozent ausmachen. Hier ist eine genaue Kostenanalyse von entscheidender Wichtigkeit.

Die Auswahl eines CAD-Systems wird durch eine Reihe von Randbedingungen bestimmt, die möglichst alle in die Betrachtung einbezogen werden sollten. Wesentlich ist dabei die Definition der Zielvorstellung:

- Was will ich erreichen?

- Wie will ich es erreichen?

- Mit wem will ich es erreichen?

Für das "Was" lassen sich folgende Fragestellungen finden:

- Was ist?

Hier wird der Istzustand analysiert und die Gründe für eine Veränderung (Einsatz eines CAD-Systems) festgestellt.

- Was soll ?

Hier wird eine Zielvorstellung entwickelt, wie der Istzustand nach der Einführung eines Rechners (Sollzustand) auszusehen hat und in welche Richtung sich dieser Zustand entwickeln soll/wird. Auf diese Weise lassen sich Inseln und Sackgassen vermeiden.

Im Komplex der Zielvorstellungen des "Wie" müssen zum einen die Fragen der Einbettung in die Infrastruktur gelöst werden:

- Besteht schon eine Software- und Hardwareumgebung und ist darauf Rücksicht zu nehmen?

- Wird diese Umgebung auch in Zukunft genutzt?

- Ist das Fertigungsumfeld (Maschinen, Einrichtungen) eine Konstante oder können hier Veränderungen vorgenommen werden?

Zum anderen sind organisatorische und betriebswirtschaftliche Fragen zu klären. Dazu gehören:

- Lassen sich uneingeschränkt Softwarelösungen von der Stange einsetzen oder muß der Anbieter sehr flexibel auf die Benutzerwünsche eingehen?

- Wie soll sich die Einführung gestalten, beziehungsweise ist das System bei Bedarf erweiterbar?

- Wie sind die Arbeitsplätze einzurichten (Einzelplätze, Terminal-/ Workstationpool etc.)?

o Welcher Zeitraum (Start- und Endtermin und Dauer) ist sinnvoll?

- Wie kann man die Finanzierung von Systemanschaffung, -betreuung und -schulung gestalten?

Die Frage "mit Wem" bezieht sich hauptsächlich auf die menschliche Komponente, hat aber auch mit dem Lieferanten (Lieferfähigkeit, Vertrauenspotential und Zukunftssicherheit) zu tun.

Hier lassen sich Fragen der Art stellen:

- Welche Zielgruppen sind für den CAD-Einsatz vorgesehen (Entwickler, Konstrukteure, Zeichner, neue Projektmannschaften, bestehende "alte" Abteilungen)?

- Wer soll geschult werden, nur Mitarbeiter oder auch Vorgesetzte?

- Kann die CAD-Einführung beim Anwender als Full-Time-Job durchgeführt werden oder nur so nebenbei?

- Können für die Einführung Pilotprojekte definiert werden, um die Anwender in die Verantwortung einbinden zu können?

- Muß eine eigene Systembetreuungsmannschaft aufgebaut werden?

- Wie kann eine eigene Betreuungsmannschaft aufgebaut werden?

Wichtig für die Auswahl sind ebenso die Fragen nach:

- Herstellerunterstützung bei Inbetriebnahme und Anwendung,

- Softwareleistung (trivial),

- eventuell verfügbaren Datenbanken, ihrem Umfang und Wachstum,

- verfügbaren Postprozessoren für die Fertigung

- Kopplungsmöglichkeiten zu anderen CAD-Anlagen,

- Einsatz des CAD-Systems bei Zulieferfirmen,

- Existenz von genormten Schnittstellen für den firmeninternen und externen Datenaustausch,

- Erweiterungsmöglichkeiten und

- Hardwarestabilität.

Die Konzeption von CAD-Systemen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Diese Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine Dezentralisierung der verfügbaren Rechenleistung. Während in den 60er Jahren die klassische Datenverarbeitung mit Stapelbetrieb vorherrschte entwickelte sich in den 70er Jahren der Teilnehmerbetrieb über Terminals an einem zentralen Rechner. Über diesen Weg war erstmals eine Interaktion mit den ablaufenden Programmen möglich.

In den 80er Jahren begann dann die Dezentralisierung der Rechnerleistung in Form von Personal Computern und Workstations. Diesem Trend folgte die Entwicklung der Software zu hoher Interaktion und moderner Benutzeroberflächen. Im Bereich der CAD-Anwendungen dominiert heute eindeutig der Einsatz von Workstations. Die Entwicklung der PCs für den CAD-Bereich stagniert und der Einsatz von Host-gestützten Anwendungen geht zurück.

Eine Hardwarekonzeption sollte immer der Aufgabe und den daraus resultierenden Anforderungen angepaßt sein. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Ausbaufähigkeit unter der Berücksichtigung eines homogenen Systemkonzeptes. Außerdem sollte die Funktion von lokalen Netzen im Sinne einer verteilten Intelligenz berücksichtigt werden, damit eine optimale Nutzung der vorhandenen Resourcen gewährleistet ist.

PC-Systeme sind eine preiswerte Lösung für einfache Anwendungen. Der Umstieg auf eine leistungsfähigere Plattform ist im nachhinein aber nicht ohne größeren Aufwand möglich. Im Sinne eines homogenen Systemkonzeptes sollte vor der Systemwahl sorgfältig geprüft werden, ob der Einsatz von PCs für CAD-Anwendungen mittelfristig wirtschaftlich ist. Hier fragt sich, ob nicht die notwendigen Umstiegskosten den Aufwand für eine konsequent eingeführte Workstationkonzeption übersteigen.

Der Einsatz von Workstations für CAD-Anwendungen wird zunehmend zur Regel. Das angebotene Spektrum deckt einen großen Leistungsbereich ab. Low-cost-Workstations liegen im Preis heute bereits unter dem von leistungsfähigen PC -Systemen. Im oberen Leistungsbereich decken Workstations heute nahezu alle Anwendungen ab.

Eine Workstation mittlerer Leistungsfähigkeit sollte folgende Bedingungen erfüllen:

- Zentralprozessor-Leistung: größer zwei Millionen Instruktionen pro Sekunde (MIPS),

- Arbeitsspeicher größer sechs Megabyte,

- Plattenspeicher größer 70 Megabyte,

- Bildschirmauflösung 1000 x 800 Pixel und ein

- Standard-Betriebssystem.

Das Betriebssystem Unix bildet heute den Standard bei einem Großteil der CAD-Anlagen. Lokale Netze wie Ethernet und das Token-Verfahren dienen der Kommunikation der einzelnen Systeme untereinander. Innerhalb eines Netzes lassen sich die Rechenleistung, Plattenspeicherkapazität und teure Peripheriegeräte verteilen und somit eine optimale Ausnutzung der Resourcen sicherstellen.

Spezifische Anwendungen erfordern jedoch oft Rechner mit Leistungen, wo die der Workstations nicht mehr ausreichen. Hier ist es sinnvoll, die auf den interaktiven Betrieb ausgelegten Rechner von Routinetätigkeiten zu entlasten. Dazu gehören zum Beispiel die Plotterverwaltung und die Datenarchivierung. Für diese Anwendungen empfiehlt sich ein Server. Ebenso stehen dafür Routine und Simulationsbeschleuniger oder Hardwaremodeller zur Verfügung.

Auf Host-Systemen basierende CAD-Verfahren sollten heute nur noch für spezifische Anwendungen eingesetzt werden, die sehr hohe Rechenleistung oder die Verarbeitung und Speicherung sehr großer Datenmengen erfordern. Als Beispiel sei hier die Anwendung im Bereich der 3D-CAD-Mechanik erwähnt. Die Host-Systeme werden meistens im Rahmen einer Mischkonzeption zusammen mit Workstations eingesetzt. Die hohe Rechenleistung erfordernden Aufgaben werden an den Host-Rechner ausgelagert, während die interaktiven Aufgaben mit den Workstations ausgeführt werden.

Die Leistungsfähigkeit eines CAD-Systems wird aber nicht allein durch die Hardware bestimmt sondern in steigendem Maße von der Software. Die Hardware und Software stehen in einem engen Zusammenhang. Nur ein gut abgestimmtes Zusammenspiel beider Komponenten gewährleistet ein befriedigendes Verhalten des Gesamtsystems.

Bei Betriebssystemen ist zu unterscheiden zwischen:

- batch (stapel-orientiert),

- dialogorientiert (Timesharing) und

- echtzeitorientiert (Prozeßrechner).

Von der Nutzerseite her kann man unterscheiden zwischen:

- Single-User,

- Multiprozeß- und

- Multiuser-Betriebssystem.

Bei der Prozessorunterstützung ist zu unterscheiden zwischen Betriebssystemen für:

- Einprozessorsysteme,

- eng gekoppelte Mehrprozessorsysteme und

- lose gekoppelte (verteilte) Mehrprozessoranlagen.

Die wesentlichen Merkmale von Betriebssystemen für CAD-Rechner sind:

- dialogorientierte Benutzeroberfläche,

- Unterstützung von Leistungsverstärkern wie Fließkommaprozessoren,

- Multiprozeß-Fähigkeit,- Netzfähigkeit und

- benutzertransparente Datensicherung.

Ein weiteres wichtiges Merkmal bei der Auswahl eines CAD-Systems ist die Unterstützung von Grafikfunktionen, um den Anwender beziehungsweise Anwendungsprogrammierer von hardwarespezifischen Grafikproblemen zu entlasten. Erste Ansätze hierzu sind in der Definition von X-Windows zu finden.

Die Funktion und die Leistungsfähigkeit der verfügbaren CAD-Pakete wird zum großen Teil von der Anwendungssoftware bestimmt. Der Trend zu Standards auf der Hardware und Betriebssystemseite bedeutet für die Hersteller, daß eine Differenzierung hauptsächlich über die Anwendersoftware stattfindet..

Im Rahmen des nachfolgend beschriebenen Leitfadens können natürlich keine (wertenden) Vergleiche verschiedener Softwarepakete gemacht werden. Es ist aber in jedem Fall anzuraten, sich durch eigens definierte Beispiele von der Funktionstüchtigkeit der Software zu überzeugen (Benchmark-Tests).

Einige wichtige und grundsätzliche Auswahlkriterien für CAD-Anwendungssoftware sind:

- Benutzerfreundlichkeit:

Die Benutzerfreundlichkeit ist bestimmt durch eine für den Anwender adäquate Oberfläche. Sie sollte möglichst selbsterklärend sein - eine Desktop-Oberfläche bietet sich an.

- Bedienersicherheit:

Die Anwendungssoftware soll, durch eine umfangreiche Benutzerführung so gestaltet sein, daß Bedienungsfehler weitgehend vermieden werden. Ist dies nicht möglich, so müssen zumindest verständliche und vollständige Fehlermeldungen gewährleistet sein.

- Modularität:

Bei einer guten Modularisierung und Strukturierung ist eine bessere Wartbarkeit und Erweiterbarkeit durch der Hersteller gegeben.

- Performance:

Das Anwenderpaket soll so ausgelegt sein, daß Wartezeiten nicht erkennbar und Antwortzeiten berechenbar sind. Lassen sich Wartezeiten nicht vermeiden, so müssen wenigstens detaillierte Meldungen am Bildschirm erscheinen.

- Handbücher:

Für jede Anwendersoftware müssen präzise Benutzerhandbücher zur Verfügung stehen.

- Installationshilfen:

Zur Erleichterung der Installation von Software sollten komfortable Prozeduren mit Selbstprüfung vorhanden sein.

Systemsicherheit:

Hier empfehlen sich:

- System-Recovery,

- Trace-Files und

- Journal-Files.