Hannover Messe Industrie

Leistungsschau der Industrie 4.0

15.04.2014
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

TU Berlin: Robotersteuerung per Microsoft Kinect

Die Technische Universität (TU) Berlin zeigte auf dem Gemeinschaftsstand von Berlin Brandenburg einen Roboter, der mittels Gesten zu steuern ist. Mit einfachen Handbewegungen lässt sich der Ablauf des Greifarms nach Vorstellungen des Bedieners programmieren. Dazu zeichnet der Bediener die gewünschten Abläufe mit der Hand in die Luft, eine Kamera speichert die Bewegungen und die vom Bediener ebenfalls per Geste gesetzten Aktionspunkte und übersetzt sie in vom Roboter verstandene Maschinensprache. Anschließend kann der so programmierte Automat die Abläufe selbsttätig wiederholen.

In der Praxis soll sich das Exponat überall dort einsetzen lassen, wo eine schnelle Umrüstung der Automaten erforderlich ist, ohne das ein Techniker in die Programmierung der Maschine eingreifen muss.

Die Robotersteuerung der TU Berlin erfolgt über Gesten. Per Fingerzeig werden die gewünschten Abläufe des Roboters zunächst vorgezeichnet und via Kamera aufgenommen.
Die Robotersteuerung der TU Berlin erfolgt über Gesten. Per Fingerzeig werden die gewünschten Abläufe des Roboters zunächst vorgezeichnet und via Kamera aufgenommen.

Das auf der Messe gezeigte Modell ist ein in seiner Funktion reduziertes Ausstellungsstück. Das Original, das im Fachgebiet Industrielle Automatisierungstechnik am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb der TU Berlin betrieben wird, arbeitet mit zwei installierten Kinect-Boxen von Microsoft, die die Gesten punktgenau erfassen und den Roboter dadurch exakter steuern.

Die Steuerung der Demo-Roboter erfolgt über eine vom Verbundforschungsprojekt gestaltete Cloud. Das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Vorhaben möchte die Inkompatibilität zwischen den Robotern verschiedener Hersteller sowie die Trennung der unterschiedlichen Steuerungsebenen in den Produktionsanlagen aufheben. Dazu arbeitet das Projektteam an eine Art "Universalschnittstelle" für Roboter, die sie in der Cloud ablegt. Über eine solche Installation sollen sich dann Automaten unabhängig vom Hersteller und Endgerät (PC, Tablet, Smartphone) steuern lassen.

Das Ziel des Forschungsvorhabens Projekt Picasso (Industrielle Cloudbasierte Steuerungsplattform) sind Effizienzgewinne, indem es Anwendern Steuerungstechnik für cyber-physische Systeme in der industriellen Produktion flexibel bereitstellt. Die vorhandene, monolithische Steuerungstechnik sollen aufgebrochen und modularisiert werden sowie um eine zentrale Datenverarbeitung in der Cloud und durch service-orientierte Softwarearchitekturen erweitert werden. Die Cloud-Installation, die bis dato noch nicht einsatzbereit ist, kann zudem als Basis für Mehrwertdienste dienen.

Am Vorhaben sind Hersteller wie die Robert Bosch GmbH, Sotec, die Robomotion GmbH und Reis Robotics beteiligt. Neben der TU Berlin stellen die Universität Stuttgart und das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) Forscher für das Projekt Picasso ab.

Wibu Systems: Verschlüsselte Embedded Systems

Auch abseits der Forschungsinstitute gibt es Aktivitäten zur Ausgestaltung der Industrie 4.0. Ein besonderes Augenmerk gilt der Sicherheit, denn mit der Vernetzung der Industrieanlagen auf IP-Basis und der nahtlosen Integration von Maschinen- und Fertigungs- und Prozesssteuerung entstehen neue Bedrohungen und Möglichkeiten, in die Produktionsabläufe einzugreifen.

Wibu Systems zeigte auf der Hannover Messe 2014, wie sich eine Stickmaschine von ZSK mit Hilfe eines USB-Dongels sichern lässt.
Wibu Systems zeigte auf der Hannover Messe 2014, wie sich eine Stickmaschine von ZSK mit Hilfe eines USB-Dongels sichern lässt.

Die Verschlüsselung der Fertigungsdaten ist ein Anliegen des in Karlsruhe ansässigen Security-Unternehmens Wibu Systems. Das Unternehmen ist bereits seit 25 Jahren in der IT-Security-Branche aktiv und konzentriert mehr und mehr darauf, auch Industrieanlagen abzusichern. Dazu engagiert sich Wibu Systems beispielsweise in der vom BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) und Bitkom gestarteten "Allianz für Cyber-Sicherheit". Zudem besteht seit einigen Wochen auch eine Kooperation mit dem DFKI.

"CodeMeter" ist die zentrale Produktlinie für vernetzte Industrieumgebungen aus dem Hause Wibu Systems. Sie besteht im Wesentlichen aus Hardware-Dongle in verschiedenen Größen und Bauformen sowie mit diversen Schnittstellen (etwa USB, Compact-Flash, PC Card). Eine Software ergänzt die Lösung um Funktionen wie das Lizenz-Management.

Auf der Messe zeigte Wibu Systems, wie sich Maschinen mit Embedded-Systems auf Windows-CE-Basis schützen lassen. Dazu hatte der Security-Anbieter eine kleine Anlage des Stickmaschinenherstellers ZSK mit nach Hannover gebracht, die mit einer lokalen Steuerungskomponente unter Windows CE ausgeliefert wird.

In dem Anwendungsfall wurde ein Fußballschuh mit einem Muster bestickt. Die Stickvorlagen ließen sich an einem PC erstellen und verschlüsselt in die Auftragsabwicklung einspeisen. Anschließend wurde die Datei via Internet an die Stickmaschine übertragen. Maschinenseitig wird die Anlage mit einem USB-Dongle auf der Rückseite der Windows-Konsole gesichert.

Das Szenario erlaubt es beispielsweise, Stickmuster so zu schützen, dass sich die Vorlagen nicht entwenden lassen. Zudem sorgt die Anlage dafür, dass nur die tatsächlich angeforderte Auftragsmenge bestickt wird. Damit lässt sich etwa verhindert, dass die Textilmaschinen, die oft in entfernten Niedriglohnländern betrieben werden, unkontrolliert über die Auftragsmenge hinaus Produkte für den Schwarzmarkt produzieren.