Leistenbruch

12.12.1980

"Schuster", empfiehlt Volkesmund, "bleib bei deinen Leisten."

Doch einige Computer-Produzenten scheinen sich taub zu stellen. Zwei konkrete Beispiele aus der bundesdeutschen DV-Szene - wenn auch mit jeweils anderen Vorzeichen: Siemens und Nixdorf.

Versuchen sich die Münchner, traditionell im Mittelklasse- und Großrechner-Metier tätig, seit zwei Jahren im Bereich der "Mittleren Datentechnik" (MDT), so starteten die Paderborner just von dieser ihrer Domäne aus die Reise in ein für sie unbekanntes (IBM-)Land.

Kann man über den Nixdorf-Test nach so kurzer Zeit noch nicht allzuviel sagen, so muß das Siemens-Abenteuer wohl als Flop bezeichnet werden.

Eine Bestätigung dieser Aussage wird man zwar von den Basis-Datenverarbeitern aus "Datasibirsk", dem Siemens-DV-Zentrum in München-Neuperlach, nicht kriegen - aber die

Installationszahlen sprechen für sich: Da weist die Diebold-Rechnerstatistik für die Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 1.1.1980 in den Gruppen drei und vier (durchschnittlicher Kaufpreis von 50 000 bis 250 000 Mark) 110 Systeme 6.620 und 120 Systeme 6.640 aus. Vorbehalt: "Von Siemens nicht bestätigt" - was aber auch bedeuten kann, daß es noch weniger sind.

Vor diesem Hintergrund lösen sich die Absatzträume der Siemens-Basis-DV in Unwohlgefallen auf. Neben den dicken Kleincomputer-Parks beispielsweise von Nixdorf, Kienzle oder IBM nimmt sich der Siemens-6.000er-Bestand geradezu mickrig aus. Im MDT-Vorzimmer wird nun mal in anderen Größenordnungen gerechnet als im Mainframe-Salon. Eine Marketing-Lösung der Siemens-Probleme zeichnet sich bis heute nicht ab. Dabei gab es beim "Small Business Systems" -Debüt im Jahre 1978 aus hardwaretechnischer Sicht durchaus überzeugende Siemens-Antworten - die Tandberg-Maschinen aus Norwegen.

Als bislang unlösbar erwies sich vor allem die Frage, wie das Hausgeräte- und Großcomputer-lmage des Elektrokonzerns auf die MDT-Produkte übertragen werden kann.

Siemens fehlen offenbar auch Verkäufer, die die Sprache der Erstanwender sprechen. Schließlich ist die Standardsoftware-Ausrüstung für DV-Novicen nicht im Handumdrehen zusammengestellt - erfahrene MDT-Gänger tun sich da leichter.

Einfach, dies hat Siemens zu spüren bekommen, ist es nicht, als Neuling in einem fremden Markt Fuß zu fassen - zumal, wenn diesen starke Platzhirsche verteidigen.

Ob Nixdorf diese Erfahrung im "Big (IBM-) Business" erspart bleibt? Oder droht dem Paderborner 370-Nachbau 8890 aus Haifa ein stilles Begräbnis?

IBM-Anwender mit kleinen 370-Systemen und auf die haben es die Mannen der Nixdorf-Tochter C.l.S. ("Compatible Informations-Systeme") abgesehen - sind bekanntlich besonders pflegebedürftige DV-Patienten. Sie scheuen die Kälte der Migrations-Zugluft und meiden das Umtaufwasser. Hart wird der Wettbewerb jetzt überdies durch neue Überlegungen des Marktführers IBM, die Spurbreiten seiner diversen Betriebssystem-Schienen zu vereinheitlichen.

Einer derartigen Entfilzungsaktion fiele aller Wahrscheinlichkeit nach auch DOS zum Opfer auf das sich die C.l.S.-Mainframe-Crew mit ihrer Software-Alternative EDOS eingestellt hat.

Nein, die Zeichen stehen nicht günstig - weder für Siemens noch für Nixdorf. Warum versuchen es beide nicht gemeinsam? Vom jeweiligen Produktspektrum her wäre die Ergänzung ideal.