Technischer Aufwand für Rückverfolgung des Warenflusses wird überschätzt

Lebensmittelverordnung - ein IT-Problem?

04.06.2004
MÜNCHEN (kf) - Die ab Anfang 2005 geltende EU-Verordnung zur Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln hat in der Nahrungsmittelbranche viel Wirbel verursacht. So soll die geforderte Dokumentation des Warenflusses nur mit enormem IT-Aufwand zu stemmen sein. Nach Meinung von Lebensmittelverbänden und Experten wird allerdings nicht so heiß gegessen wie gekocht.

Am 1. Januar 2005 ist es so weit - ab diesem Stichtag gilt für Nahrungsmittelunternehmen Artikel 18 der EU-Verordnung 178/2002 zur durchgängigen Warenrückverfolgung von der Rohstoffauslieferung bis zur Abnahme.

Seit geraumer Zeit verweisen insbesondere Softwareanbieter und spezialisierte Dienstleister auf hohe technische Herausforderungen, die es für die mittelständisch geprägte Lebensmittelbranche zu meistern gelte, um die EU-Anforderungen zu erfüllen. "Natürlich wird der Artikel 18 gerne zitiert, um den Unternehmen zu sagen, was dazu technisch alles notwendig ist", bestätigt Bernadette Dietze, Referentin beim Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Um der Verunsicherung ein Ende zu setzen und Fehlinvestitionenvorzubeugen, hat der BLL in einer Stellungnahme zur EU-Verordnung klargestellt, was als Rechtspflicht tatsächlich gefordert ist.

Für Lebensmittelunternehmen gilt es, Systeme und Verfahren einzurichten, um den Behörden Auskunft darüber geben zu können, von wem sie Ware erhalten und an wen sie Ware geliefert haben. Hiervon betroffen sind alle Produkte - inklusive Zusatzstoffe. "Die Art der Umsetzung ist zunächst jedoch nicht vorgeschrieben - ob dazu ein papiergebundenes Verfahren, ein Buchhaltungssystem oder ein Warenwirtschaftssystem mit integrierter Funktionalität ,Rückverfolgbarkeit'' genutzt wird, steht völlig frei", erklärt Dietze. Die interne Rückverfolgbarkeit beziehungsweise die damit zusammenhängenden Abläufe im Unternehmen werden laut BLL nur vage angesprochen. Die viel zitierte Chargenrückverfolgbarkeit wiederum findet keine Erwähnung und ist damit auch nicht Pflicht. Im Ernstfall müsse lediglich gewährleistet sein, dass sich potenziell schadhafte Produkte identifizieren und zurückrufen lassen, so Dietze.

Auch Phillip Botzenhardt, Projekt-Manager ECR-Prozess-Management bei der Centrale für Coorganisation (CCG), weist darauf hin, dass die Umsetzung der EU-Anforderungen auf unterschiedlichem technischem Niveau erfolgen kann. "Die geforderten Informationen liegen meist auch in den buchhalterischen Unterlagen vor. Sind jedoch in komplexen Prozessen logistische Informationen schnell zur Verfügung zu stellen, kommt man an technischer Unterstützung nicht vorbei." Dabei gilt es laut BLL jedoch, zwischen den Pflichten, die in Sachen Rückverfolgbarkeit durch die EU-Verordnung entstehen, und weitergehenden freiwilligen Maßnahmen für einen effizienten Warenrückruf zu unterscheiden. Druck in Richtung IT-Optimierung entsteht für viele Unternehmen allerdings durch ihre Geschäftspartner. Laut CCG-Experte Botzenhardt steigen die Erwartungen der großen Konzerne, die das Thema Rückverfolgbarkeit bereits vor Jahren in Form von Warenwirtschaftssystemen eingeführt und automatisiert haben, an die anderen Mitglieder der Wertschöpfungskette, die erforderlichen Informationen in entsprechender Form und Geschwindigkeit zur Verfügung zu stellen.