Learntec 2002: Euphorie des vergangenen Jahres weicht Nüchternheit und Realismus

Learntec 2002: Euphorie des vergangenen Jahres weicht Nüchternheit und Realismus

14.02.2002
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.

Die beiden Wissenschaftler Beck und Sommer sehen eine weitere Entwicklung, worauf sie nächstes Jahr auf der Learntec einen Schwerpunkt setzen wollen: „Lernen und Informieren wachsen zusammen.“ Der Begriff der reinen Wissensvermittlung werde aufgeweicht. Beck nennt dazu folgendes Beispiel: Künftig könnten sich Besucher eines Mobilfunkladens an den Rechnern über neue Produkte und deren Bedienung informieren. Für die junge Generation werde es immer selbstverständlicher, elektronisch Auskunft zu holen und zu lernen.

„E-Learning wird ein gesamtgesellschaftliches Phänomen“, prophezeien die Professoren, es werde viel stärker als bisher Einzug in Schule, Hochschule und Privatleben halten. Uwe Thomas, Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, beschrieb seine Vision: Jedem Schüler seinen Notebook mit dem Gerät des Lehrers vernetzt. Der Politiker sieht IT-Kompetenz zum Allgemeingut werden.

Der Umgang mit dem PC entwickle sich zur Selbstverständlichkeit. Überall, in der Schule, zu Hause, im Betrieb sowieso, werde die IT-Infrastruktur zur Verfügung stehen, also PC und Internet-Anschluss. IT-gestützte Bildung werde ein weltweiter Markt. Darauf müssten sich die Europäer einstellen. Denn amerikanische Hochschulen fingen an, ihre Inhalte über das Web anzubieten und auch virtuelle Abschlüsse zu ermöglichen.

Audi bildet via PC aus

Wie Visionen Realität werden, zeigt das Beispiel Audi. Personalvorstand Andreas Schleef verkündete eine IT-Bildungsoffensive. Innerhalb eines Jahres sollten alle 44 000 Beschäftigte in den deutschen Werken grundlegende IT- und Web-Kenntnisse erwerben. Heute, nach knapp über einem Jahr, nähert sich das Projekt dem Ende, und fast alle Beschäftigten haben die „IT-Card“ erworben, nämlich das Zertifikat, dass sie über Computer- und Internet-Basiskenntnisse verfügen.

Der Autobauer hat, wie Josef Szymanski vom Bildungswesen zugab, einen sehr großen Aufwand betrieben, allein um zum Beispiel in der Produktion Lerninseln zu installieren. Die ganze Ausbildung lief via PC. Zuerst wurden in Workshops die Gruppenleiter geschult, die dann ihr Wissen weitergaben. Gelernt wurde in der Arbeitszeit, die Gruppen mussten ihre Lernprozesse selbst organisieren. Zusätzlich forderten die Mitarbeiter CD-ROMs an, denn das Interesse war groß, zu Hause weiterzulernen. 13 000 Silberscheiben gingen an die Beschäftigten.

Durch zusätzliche Aktionen wurden die Mitarbeiter bei Laune gehalten und immer wieder motiviert, weiterzulernen. So beteiligten sich an einem Online-Gewinnspiel 13 400 Beschäftigte, ein Ergebnis, mit dem die Organisatoren nie gerechnet hatten, erzählt Szymanski stolz. Was geschieht nun aber mit dieser aufwändig aufgebauten Infrastruktur? Der Audi-Personaler ist sich der Konsequenzen bewusst. Er weiß, dass die Mitarbeiter IT-Blut geleckt haben und dass es irgendwie weitergehen muss. Dazu gebe es schon viele Überlegungen, sagt Szymanski.