IT-Manager in Hongkong, Shenzhen und Shanghai

Leadership Excellence Program: Von der Pflicht zur Kür

07.07.2016
Von 
Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.
Das China-Modul des Leadership Excellence Program machte den Teilnehmern klar: Im Reich der Mitte kommt meist alles anders als geplant. Aber mit China planen muss jeder, der global agieren will.

China ist unberechenbar. Was heute gilt, kann morgen anders sein. Türen öffnen und schließen sich. Manchmal ist das abhängig von der Tagesform der Menschen. Häufig weiß man nicht, warum Dinge passieren. So stimmt Astrid Oldekop die über 20 IT-Manager aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die am Leadership Excellence Program von CIO-Magazin und WHU Otto Beisheim School of Management teilnehmen, in Hongkong auf das Reich der Mitte ein. Sie gehören zum 5. Jahrgang des Executive-Fortbildungsprogramms und haben im Herbst 2015 bereits das General-Management-Modul in Düsseldorf absolviert.

Vielleicht hat die China-Expertin vom Medienbüro Düsseldorf Beijing das auch als Warnung gemeint, denn die fünf kommenden Tage des LEP-Auslandsmoduls "Doing Business in China: Challenges and Success Factors for Western Companies" haben es in sich, sind eine logistische Herausforderung: Drei Mega-Cities (Hongkong, Shenzhen, Shanghai), fünf Unternehmensbesuche, eine Case Study und eine Panel-Diskussion mit hochkarätigen Unternehmensvertretern stehen auf dem Programm. Daneben jede Menge kulturelle Highlights wie das Künstlerviertel in Hongkong, atemberaubende Aussichten von Wolkenkratzern, ein Tai Chi Kurs sowie kulinarische Besonderheiten (Dim Sum).

Seit über drei Jahrzehnten China-Kennerin: Astrid Oldekop vom Medienbüro Düsseldorf Beijing führte die LEP-Teilnehmer in die chinesische Kultur ein.
Seit über drei Jahrzehnten China-Kennerin: Astrid Oldekop vom Medienbüro Düsseldorf Beijing führte die LEP-Teilnehmer in die chinesische Kultur ein.
Foto: Astrid Oldekop

Oldekop führt ein in Chinas Geschichte, Sprache, Mentalität und die immensen Herausforderungen, vor denen das Reich der Mitte steht: Demographie (1,4 Milliarden Chinesen, 172 Millionenstädte wie Shanghai mit 24 oder Peking mit 21 Millionen Einwohnern), Sozialversicherung und die einsamen Alten (Wanderarbeiter plus fehlgesteuerte Einkindpolitik), War for Talents, Wachstum und immenser Konsumhunger, Korruption, Umweltprobleme, Energie und Ressourcen. Nicht zu vergessen die soziale Ungerechtigkeit: Neben 2,4 Millionen Euro-Millionären gibt es auch rund 70 Millionen Chinesen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Ebenso unfassbar: 2500 Streiks finden jedes Jahr im Lande statt.

Dass die Teilnehmer es mit einem Reich der Superlative zu tun haben, macht schon die Skyline von Honkong deutlich. Hunderte Wolkenkratzer säumen die Ränder der felsigen Küste von Hongkong Island und dem Festland, Bürotürme und Wohngebäude mit 60 Stockwerken. Balkons sind übrigens Fehlanzeige, stattdessen sitzen überall Klimaanlagen auf dem Simsen.

Platz ist Mangelware in Hongkong: Wohntürme mit 60 Stockwerken prägen das Stadtbild.
Platz ist Mangelware in Hongkong: Wohntürme mit 60 Stockwerken prägen das Stadtbild.
Foto: Oliver Hufer

Das Wort "nein" gibt es nicht

Und wie ticken die Chinesen? Wie kann die Zusammenarbeit zwischen deutschen und chinesischen Firmen funktionieren? Wie geht man mit dem Diebstahl geistigen Eigentums um? Warum wechseln Chinesen so oft den Arbeitgeber? Nicht zuletzt: Was bedeutet das ständige Lächeln der Chinesen? Die LEP-Teilnehmer haben viele Fragen, auch die, die schon geschäftlich in China unterwegs waren, aber bislang noch nie tief eingetaucht sind in Kultur und Menschen. Zeit für ein paar interkulturelle Lektionen:

Learning 1: Die Gruppenzugehörigkeit ist für Chinesen wichtiger als das Individuum. Es zählt, zu welchem Netzwerk (Guanxi) man gehört. Das Beziehungsmanagement ein inkrementeller Baustein der chinesischen Kultur: Erst wenn ich ein wenig mit dem Hausmeister geplaudert habe, wird er sich um meinen stinkenden Abfluss kümmern. Andernfalls warte ich Monate lang, und nichts passiert.

Learning 2: Hierarchie ist alles, Position und Status gelten viel. "Bereiten Sie sich gut vor, wenn Sie ein Meeting mit chinesischen Geschäftspartnern haben", rät Oldekop. Sie meint das nicht nur fachlich. Wichtiger sei es, sich vor Augen zu führen, wem man gegenüber sitzt: Welche Positionen bekleiden meine Verhandlungspartner? Wer ist der Chef, also der wichtigste Mensch? Diesen gilt es besonders zu behandeln, denn er ist kein primus inter pares. Europäisches Understatement, was die eigene Position anbelangt, sollte man sich verkneifen.

Ein Tipp in diesem Zusammenhang für europäische Startups in China: Sie sollten nicht zu bescheiden auftreten, sondern ordentlich auf die Pauke hauen, sich als CEO von Firma XYZ vorstellen und die Ziele betonen, wo man in zwei Jahren sein will (Marktführer, große Marktanteile). Das beeindruckt Chinesen, und man kommt überhaupt erst ins Gespräch.

Learning 3: Die Rangordnung gilt auch für Geschäftsessen. Der wichtigste Gast sitzt immer rechts vom Gastgeber, der zweitwichtigste links.

Learning 4: Es gibt kein Wort für "nein" auf Chinesisch. Chinesen haben Angst vor Chaos, das große Ziel ist Harmonie. Man will höflich sein, den anderen nicht vor den Kopf stoßen und eine positive Grundstimmung erzeugen. Stichwort ständiges Lächeln. Übrigens: Erst wenn etwas dreimal abgelehnt wurde, heißt das "nein". Auf die Frage nach der Qualität eines Produkts antworten Chinesen gerne mit "chabudou" und meinen damit "das passt schon". Wörtlich übersetzt heißt es "da fehlt nicht viel". Vieles verbirgt sich in China zwischen den Zeilen. Das heißt jedoch nicht, dass Chinesen unklar sind. Sie denken, wie schaffe ich es, dass mein Gesprächspartner sich mein Anliegen zu eigen macht. Chinesen kommen indirekt ans Ziel.

Learning 5: China hat eine Händlerkultur, Deutschland eine Handwerkerkultur. Das heißt, Deutsche gehen erst dann mit einem Produkt auf den Markt, wenn es ausgereift ist. Chinesen schon viel früher.

Learning 6: Chinesen sind Neuem gegenüber offen und weniger ängstlich als die Deutschen. Das zeigt sich auch in technischen Dingen: Alle haben ein Smartphone und jeder benutzt "WeChat", das chinesische Pendant zu Facebook und Co. Sie bestellen damit im Internet, bezahlen im Restaurant und erledigen gleich noch die nächste Überweisung, denn der Dienst bietet Mobile Payment.