Lawson Software nimmt neuen Anlauf

02.10.2006
Nach der Intentia-Übernahme will Lawson-CEO Harry Debes die Geschäfte endlich wieder ins Rollen bringen.

Die Ziele des US-amerikanischen Anbieters von Enterprise-Resource-Planning-Lösungen (ERP) sind ehrgeizig. Für das erste gemeinsame Geschäftsjahr mit Intentia, das im Mai kommenden Jahres endet, erwartet Debes einen Umsatz von etwa 750 Millionen Dollar. Im darauf folgenden Fiskaljahr sind Einnahmen von 860 Millionen Dollar anvisiert, 2009 soll der Umsatz auf 950 Millionen Dollar klettern.

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Fusion - Lawson und Intentia

Juni 2005: Lawson Software kündigt an, Intentia für rund 480 Millionen Dollar übernehmen zu wollen.

Dezember 2005: Der Zusammenschluss, der für Ende Januar 2006 geplant war, verzögert sich wegen weiterer Prüfungen durch die Finanzbehörden.

April 2006: Lawson und Intentia schließen sich Ende des Monats zusammen. Harry Debes wird CEO, als COO fungiert Ex-Intentia-Chef Bertrand Sciard.

August 2006: Der Posten des COO wird ersatzlos gestrichen. Sciard verlässt das Unternehmen. Auch Finanzchef Robert Barbieri wirft das Handtuch.

Nicht eingerechnet in diese Kalkulation sind Akquisitionen, betont der Lawson-Chef. So sind etwa drei bis vier Zukäufe pro Jahr anvisiert. Damit will Debes das Branchen-Know-how stärken, die Funktionspalette erweitern und die Tür zu zusätzlichen Regionen aufstoßen. Deals vom Kaliber der Intentia-Übernahme seien nicht geplant, für später aber nicht ausgeschlossen.

Debes will Service und Vertrieb auf die Finger schauen

"Die Umstrukturierungen sind beendet", versichert Debes nun. Von Querelen rund um das Ausscheiden von Chief Operating Officer (COO) Betrand Sciard will er nichts wissen. Lawson brauche keinen Chef für das Tagesgeschäft, so seine Begründung. Zudem sei ihm die Nähe zu den Service- und Vertriebsabteilungen wichtig. Ein Manager für das Tagesgeschäft stand ihm da wohl im Weg. Service und Vertrieb will Debes weiter stärken. Noch im laufenden Geschäftsjahr sollen 45 weitere Vertriebsmitarbeiter und 160 Berater eingestellt werden.

Mit dieser Strategie will das Lawson-Management in erster Linie das Neukundengeschäft forcieren. Rund die Hälfte der künftigen Lizenzeinnahmen sollen aus diesem Bereich kommen, lautet die Vorgabe. Seinen weltweit rund 4000 Bestandskunden verspricht der Hersteller eine konsistente Produktstrategie, um sie bei der Stange zu halten. Demnach sollen die Produktlinien S3 (Lawson) und Intentias M3 (vormals "Movex") weiter entwickelt und gepflegt werden. Es sei nicht geplant, beide Linien zu verschmelzen, versichert Debes. Zudem würde kein Anwender gezwungen, Produkt oder Plattform zu wechseln. Damit sollen die Investitionen der Anwender geschützt werden.

Seinen angestammten Branchen will Lawson treu bleiben. Dazu gehören das produzierende Gewerbe, vor allem Mode und Lebensmittel, der Handel und Dienstleister, in erster Linie aus den Bereichen Finanzen, Gesundheitswesen und Behörden.

Cross-Selling soll Lizenzgeschäft antreiben

Zusätzlichen Anschub erhoffen sich die Verantwortlichen von Cross-Selling-Effekten. So sollen die M3-Lösungen von Intentia, die bislang fast ausschließlich in Europa verkauft wurden, auch in Amerika und Asien vermarktet werden. Umgekehrt möchte Lawson die eigenen Produkte, die in Europa fast unbekannt sind, künftig auch in der alten Welt verkaufen. Darüber hinaus will der Hersteller den Bestandskunden von M3 und S3 zusätzliche Funktionen der jeweiligen anderen Lösung anbieten. Die einzige Klammer rund um M3 und S3 soll eine einheitliche Benutzeroberfläche bilden.

Lawson hofft auf zusätzliche Wartungseinnahmen

Eine wichtige Umsatzquelle für den Hersteller soll die Wartung werden. Statt einer Einheitswartung können die Kunden künftig zwischen vier unterschiedlichen Maintenance-Leveln wählen - von Bronze über Silber und Gold bis Platin. Die höheren Stufen bieten den Anwendern zusätzliche Services wie Rund-um-die-Uhr-Betreuung und Wartung von Kundenanpassungen. Für die Standardwartung (Bronze) fordert Lawson jährlich 20 Prozent vom Lizenzpreis ein. Wie teuer die höheren Wartungslevel sind, vermochte Debes nicht zu sagen. Dies hänge auch von den jeweiligen Installationen ab, wich der Lawson-Chef aus.

Ebenfalls noch vage sind die Überlegungen zum Projekt "Landmark". Von dem auf Eclipse basierenden Entwicklungs-Framework verspricht sich der Anbieter eine deutlich vereinfachte und effizientere Softwareproduktion. Debes zufolge lassen sich mit dem Toolset 200000 Zeilen herkömmlicher Code auf 13100 Zeilen eindampfen. Ursprünglich wurde das Entwicklungswerkzeug für den eigenen Bedarf gebaut, doch nun gebe es Überlegungen, das Tool auch Kunden sowie Partnern zugänglich zu machen. In welcher Form - ob als Teil der Applikationspakete oder als separates Produkt -, das stehe noch nicht fest, räumte der Lawson-Chef ein. Auch über den Preis sei man sich noch nicht im Klaren. Umsonst gebe es Landmark allerdings nicht, stellte der CEO klar.

Der nächste Wechselzyklus in Sachen ERP steht an

Trotz vieler Unklarheiten rechnet sich Lawson Chancen im gegenwärtigen Marktumfeld aus. Nachdem viele Unternehmen Mitte der 90er Jahre ihre Enterprise-Applikationen auch im Zuge der Jahr-2000-Umstellung auf den neuesten Stand gebracht haben, stehe nun ein neuer Wechselzyklus an, behauptet Dean Hager, Senior Vice President für das Produkt-Marketing bei Lawson. Da es jedoch viele Anbieter gar nicht mehr gebe, sei die Chance groß, veraltete Installationen abzulösen. Gerade im Mittelstand seien zahlreiche Softwarehersteller von der Bildfläche verschwunden. Da zudem oft das Vertrauen in die großen Softwarekonzerne fehle eröffneten sich Möglichkeiten für Lawson.

Für Irritation sorgten dem Unternehmen zufolge die Produktstrategien der Big Player. Debes kritisiert in diesem Zusammenhang das Vorgehen des Konkurrenten SAP, der beim Umstieg auf Mysap ERP den Kauf einer neuen Lizenz verlange. Dies gebe es bei Lawson nicht. Im Rahmen der Wartung hätten Kunden immer das Recht, auf das jeweils aktuelle Release umzusteigen.

Hype um SOA spielt nur den Beratern in die Tasche

Auch von dem aktuell grassierenden Hype rund um Service-orientierte Architekturen (SOA) hält der Lawson-CEO wenig. Zwar versprächen die Techniken und Standards im Umfeld von Web Services durchaus einen effizienteren Softwareeinsatz. Die Vision, dass sich mit Hilfe von SOA beliebige Applikationskomponenten auch verschiedener Hersteller problemlos miteinander verknüpfen lassen könnten, werde jedoch nie eintreten. Die großen Anbieter hätten daran überhaupt kein Interesse, ist sich Debes sicher. Der Grund: Dieses Szenario würde das Ende von SAP und Oracle bedeuten. Letzten Endes müssten sich die Anwender doch für die Suite eines bestimmten Herstellers entscheiden. Derzeit füllten die Diskussionen um SOA nur die Börsen der großen Beratungshäuser. (ba)