Softwareportierung von Niros auf DOS-PCs

Laptops als Verkaufshilfe fuer Versicherungsvertreter

02.04.1993

Steigende Personalkosten, haerterer Wettbewerb, immer vielfaeltigere Tarife in den Versicherungssparten und zunehmender Beratungsbedarf seitens der Kunden fuehrten dazu, dass der Einsatz von DV-Unterstuetzung fuer Versicherungsvermittler unumgaenglich ist.

Die LVM-Versicherungsgruppe in Muenster hat sich schon vor mehr als zehn Jahren der Herausforderung gestellt, das mittlerweile etwa 3000 Agenturen umfassende flaechendeckende Vertriebsnetz mit Agentursystemen auszustatten. Das Unternehmen bietet Versicherungsschutz in allen Sparten der Personen- und Sachversicherung und ist einer der groessten deutschen Kraftfahrtversicherer.

1983 wurde damit begonnen, DV-Systeme in den Agenturen, die ueberwiegend von selbstaendigen Handelsvertretern gefuehrt werden, zu installieren. Aufgrund der LVM-spezifischen Anforderungen fiel die Hardware-Entscheidung zugunsten von Nixdorf aus. Die Software wurde in der Anfangsphase gemeinsam mit der Firma BOG in Muenster als LVM-individuelle Loesung erstellt und seither staendig, am Bedarf der Agenturen orientiert, in eigener Regie weiterentwickelt.

Anfangs lag der Schwerpunkt der Software-Entwicklung auf der Erstellung von Komponenten zur Agenturverwaltung (Kunden- und Vertragsverwaltung, Finanzbuchhaltung). Damit liess sich der Umfang der administrativen Aktivitaeten in den Agenturen reduzieren, woraufhin die Verwaltungskosten sanken. Zusaetzlich konnte aus dieser Unterstuetzung Freiraum fuer Akquisitionsaktivitaeten gewonnen werden.

In weiteren Ausbaustufen wurde das Softwarepaket in Zusammenarbeit mit dem LVM-Aussendienst um eine komplette Angebots- und Beratungssoftware fuer alle Versicherungssparten erweitert. Nach und nach kamen auch Programme zur integrierten Antragsverarbeitung und Baufinanzierung sowie Steuersoftware hinzu. Ein umfangreiches Informations- und Auswertungssystem sowie Anschluss an das Electronic-Mail-System der Konzernzentrale vervollstaendigten das System.

Der Datentransfer zwischen der Agentur und der Direktion erfolgt nachts ueber das oeffentliche Telefonnetz. Auf diese Weise verfuegen die Mitarbeiter sowohl im Aussendienst als auch in der Zentrale jederzeit ueber aktuelle Daten. Damit wurden die Agenturen und der Innendienst in die Lage versetzt, ihre Kundenbetreuung und - beratung zu intensivieren.

Mit der Agentursoftware arbeiten mittlerweile ueber 900 Agenturen mit mehr als 1900 angeschlossenen Bildschirm-Arbeitsplaetzen. Das System laeuft auf der Basis der SNI-Systemfamilie 8870/Quattro unter dem Betriebssystem Niros.

Die Anforderungen wuchsen staendig. So wurde Anfang 1991 die Entwicklung einer Systemvariante zur mobilen Akquisitionsunterstuetzung sowie die Schaffung eines Einstiegssystems fuer kleinere Agenturen initiiert. Damit soll der Kundenservice durch umfassende Beratungsmoeglichkeiten vor Ort verbessert und die Installationsdichte der Agentursysteme durch Einbeziehung kleinerer Bestaende deutlich erhoeht werden.

Als Hardwarebasis fuer diese Erweiterung empfahlen sich Laptops. Der staendige Preisverfall in diesem Bereich hat dazu gefuehrt, dass ihr Einsatz in Agenturen wirtschaftlich sinnvoll wurde. Wesentliche Bedingungen fuer den Einsatz von Laptops war die Verfuegbarkeit der gesamten Agentursoftware, aller Datenbestaende sowie die Integration in das stationaere Agentursystem. Hier tauchte das Problem auf, dass die in Frage kommenden Portables nicht mit Niros, sondern mit den Betriebssystemen DOS oder OS/2 arbeiten. Zur Frage der Uebernahme der umfangreichen Programmpakete auf die PC-Ebene wurden daher verschiedene Varianten erwogen.

Umstellung in mehreren Phasen

Ein erneutes Codieren der Software auf der Basis eines PC- Betriebssystems haette einen Programmieraufwand von mehreren Mannjahren erfordert. Auch in der Folgezeit waeren bei Neuprogrammierungen oder bei Erweiterungen durch doppelte Programmierung sehr hohe Entwicklungskosten angefallen. Auf diesem Weg hatte sich die Umstellung daher nur in mehreren Phasen realisieren lassen. Fuer Neu- und Weiterentwicklungen benoetigte Mitarbeiter waeren durch diese Doppelarbeiten gebunden gewesen.

Eine Alternative bestand in der Portierung der Software vom Betriebssystem Niros auf ein PC-Betriebssystem. Portierungssoftware von Niros nach Unix wird seit laengerer Zeit von

mehreren Anbietern vertrieben. Jedoch waren die Hardware- Anforderungen an einen Laptop beim Einsatz von Unix problematisch. Der hohe Speicherbedarf von mindestens 8 MB Hauptspeicher und Festplatten-Kapazitaeten von mehr als 100 MB sowie ein 80386- Prozessor gefaehrdeten die Wirtschaftlichkeit und den praktischen Nutzen des Laptops.

Als dritte Moeglichkeit wurde deshalb die Loesung des Paderborner Softwarehauses IMN in Erwaegung gezogen. Dort hatte man im Jahr 1990 mit der Nachbildung der Niros-Umgebung auf dem Betriebssystem DOS begonnen. Im Herbst 1991 stand ein Portierungsrohling zur Verfuegung, den IMN mit Unterstuetzung der LVM-Systementwickler zur Marktreife brachte. Mit "X/Netbridge" stand uns nun eine Softwareloesung zur Verfuegung, die es ermoeglichte, die gesamte vorhandene Agentursoftware auf DOS zu portieren.

Das Problem der doppelten Programmpflege tauchte bei dieser Variante nicht auf, da unter Niros und DOS derselbe Quellcode eingesetzt werden kann. Von der Entscheidung zugunsten von X/Netbridge im Herbst 1991 bis zu den ersten Installationen im Aussendienst im April 1992 lag ein Zeitraum von lediglich sechs Monaten.

Inzwischen wurden mehrere Hundert Laptops im Aussendienst installiert. Die breite Akzeptanz ist vor allem darauf zurueckzufuehren, dass die gesamte Agentursystem-Software verfuegbar gemacht werden konnte und alle Anwendungen in ihrer Bedienung voellig identisch sind.

Durch die Integration der DOS-Version in das stationaere Agentursystem mittels Bildschirmemulation ist die Kommunikation und der Datenaustausch mit den anderen Bausteinen der Konfiguration sichergestellt. Zudem kann jede Neu- und Weiterentwicklung sofort auf einem Laptop ablaufen. Mittelfristig gehen wir davon aus, dass kaum eine Agentur auf die Dienste des Agentursystems, sei es nun auf SNI-Basis oder auch in der Laptop- Version, verzichten moechte.

*Ulrich Denter und Thomas Sendker sind Mitarbeiter der DV- Organisation bei der LVM-Versicherungsgruppe in Muenster.