IBM stellt neue Magnetplattenspeicher vor

Langerwartete 3390-Modelle wurden in aller Stille präsentiert

24.11.1989

MÜNCHEN (CW) - Die IBM stellte weltweit die Nachfolger der 3380-Magnetplatteneinheiten vor. Laut Big Blue zeichnet sich die neue Produktfamilie durch höhere Aufzeichnungsdichte, schnellere Zugriffsmechanismen sowie reduzierten Platzbedarf aus.

In zwei Modellgruppen mit je fünf Typen will das Armonker Unternehmen seine 3390-Familie auf den Markt bringen. Die Datenkapazität reicht bei den 3390-Modellen von 3,7 bis maximal 22,7 Gigabyte pro Einheit (Wert für das Modell 3390-2). Die Modellgruppe 3390-1 bietet von der Kapazität jeweils die Hälfte der 3390 2-Systeme. Der Anwender kann die Subsysteme nach seinem Bedarf konfigurieren und ausbauen. Die 3390-Modelle können über die Steuereinheit 3990 an die Großsysteme ES/3090 angeschlossen werden.

IBM gibt an, daß die Antwortzeiten für Online- und Batch-Anwendungen bis zu 20 Prozent kürzer seien, während die Datenübertragungsrate um bis zu 40 Prozent gesteigert werden konnte. Das Unternehmen gibt ferner an, daß - bezogen auf die Stellfläche - die Speicherkapazitäten gegenüber dem Vorgängermodell 3380-K um das Dreifache, gegenüber den 3380-E-Einheiten um das Fünffache und im Vergleich zu den 3380-Standardsystemen um das Zehnfache gestiegen seien.

Die Suchzeiten seien auf durchschnittlich 12,5 Millisekunden gegenüber 16 Millisekunden der 3380-K-Systeme reduziert worden. Die Umdrehungswartezeit habe durch höhere Umdrehungszahlen von 8,3 Millisekunden bei der 3380 Familie auf 7,1 Millisekunden bei den 3390-Modellen gesenkt werden können. Die Datenübertragungsrate gibt Big Blue mit 4,2 Megabyte pro Sekunde für beide 3390-Gruppen an im Vergleich zu 3 Megabyte bei den Vorgängermodellen.

Für die einzelnen Systemteile wie Kontrollerkarten und Laufwerke sind getrennte Strom- und Wartungsbereiche vorgesehen. Daher sei es möglich, Wartung und Austausch oder Ergänzung der Plattenspeicher ohne Beeinträchtigung des laufenden Betriebs vorzunehmen.

Die neuen Magnetplattenspeichermodelle sind die ersten IBM-Plattenspeicher, die die SIM-Möglichkeiten (Service Information Message) in der 3990- Steuereinheit nutzen. SIM gibt bei auftretenden Problemen Hinweise an das Wartungspersonal und identifiziert die Teile, welche möglicherweise funktionsuntüchtig geworden sind.

Wann die Magnetplattenspeicher zur Verfügung stehen werden, war noch nicht klar. Laut Mitteilung der IBM Deutschland ist die Auslieferung der Modellgruppe 2 - der Platteneinheiten mit höheren Kapazitäten - für Januar 1990 geplant. Modellgruppe 1 soll ab dem zweiten Quartal lieferbar sein.

Die IBM gab bekannt, daß sich die Preise der diversen Modelltypen zwischen 300 000 und 770 000 Mark bewegen werden.

US-amerikanischen Quellen zufolge werde die Massenproduktion der 3390-Einheiten im Dezember beginnen. Zumindest in den Vereinigten Staaten seien Systeme ab Anfang Dezember erhältlich.

Bill Grabe, Vice President und Assistant General Manager des US-Marketing der IBM, sagte der Zeitung Wall Street Journal zufolge, man nehme ab sofort Aufträge an. Bis zum Ende des zweiten Quartals 1990 werde aber die Nachfrage wohl höher sein, als man Produkte in der Lage sei zu liefern. Auch über die Menge der verfügbaren Einheiten wollte sich der IBM-Manager nicht äußern. Marktanalysten vermuten allerdings, daß die IBM Probleme mit einem Zulieferanten habe. Deswegen werde die Gesamtzahl an 3390-Systemen, welche IBM nächstes Jahr ausliefern könne, nicht die erhofften 35 000 bis 40 000 Einheiten erreichen, sondern möglicherweise lediglich bei 25 000 liegen .

Für die IBM ist die Vorstellung und Auslieferung der 3380-Nachfolge-Einheiten von einiger Bedeutung, da ungefähr zehn Prozent des Gesamtumsatzes aus dem Verkauf der neuen Magnetspeichereinheiten erwartet werden. Big Blue mußte im letzten Quartal einen etwa 30prozentigen Gewinnrückgang hinnehmen, der vor allem der verzögerten Markteinführung der 3390-Systeme zugeschrieben wurde.

Auch der Kurs von IBM geriet in Abwärtsbewegung: Vor der kurzfristigen Eröffnung im Juli, daß man - möglicherweise wegen technischer Probleme - die Speichereinheiten für IBMs 3090-Modelle nicht werde vorstellen können und daß sich die Markteinfühnung auf unbestimmte Zeit verschieben werde standen die Aktien bei einem Wert von 114 US-Dollar. Bis zum Freitag vor der nun endgültig erfolgten Vorstellung war der Kurs auf 98,125 US-Dollar gesunken.

Unter Ausschluß der Öffentlichkeit

Das Rauschen im Blätterwald war durchaus adäquates Abbild der allgemeinen Aufregung: IBM stellte am 25. Juli seine 3390-Plattenspeicher nicht vor. Eine Reihe von Rechenzentren stand prompt im Regen. Binnen Stundenfrist, nachdem IBMs Rückzieher bekannt wurde, stiegen die Gebrauchtpreise für den vermeintlichen 3380-Oldie um bis zu 4000 Dollar. Wer Kunden Geräte zum alten Kurs versprochen hatte, stand vor zwei Problemen: einmal im Debito, zum anderen vor der Frage, woher nehmen? Der Markt war leergefegt.

Ganz anders am 14. November: Lag's an der Terminüberschneidung mit der Comdex? IBM schien sich schwer zu tun, Analysten zum 3390-Briefing zusammenzutrommeln. Oder war es ganz im Sinne von Big Blue, daß man in aller Stille das Problemkind gebar? Analysten argwöhnten, die Magnetplatteneinheiten seien nur deshalb jetzt schon präsentiert worden, weil die Dokumentationen der Hiperbatch-Versionen von MVS für die neuen 3090-J-Modelle gespickt seien mit Bezügen auf die 3390-Einheiten. Läßt sich deshalb über die Auslieferungstermine für die neuen Speichermodelle spekulieren? Vorgestellt hat man jedenfalls schon mal. Vielleicht tut's wenigstens dem Kurs gut. jm