Erstes Urteil zur Jahr-2000-Fähigkeit von Software

Landgericht Leipzig verurteilt Softwarehaus zur Y2K-Nachbesserung

29.10.1999
LEIPZIG (CW) - Das Landgericht (LG) Leipzig hat entschieden, daß eine nicht Jahr-2000-fähige Software zur Gebäudesteuerung auf Kosten des Anbieters Y2K-tauglich gemacht werden muß.

Im vorliegenden Fall stritten die Parteien um eine individuell erstellte Software, die auf Basis eines Werkvertrags 1993 erstellt worden war, ohne daß dabei die Jahr-2000-Fähigkeit ausdrücklich vereinbart wurde. Das 870000 Mark teure Programm arbeitete zwar seit der Abnahme 1994 störungsfrei, besitzt jedoch keine Jahr-2000-Fähigkeit. Der Softwarehersteller lehnte die Forderung nach einem kostenlosen Upgrade mit Hinweis auf die seiner Meinung nach eingetretene Verjährung ab. Das LG Leipzig schloß sich dieser Auffassung nicht an und verpflichtete den Softwarehersteller, das Programm entsprechend zu ändern beziehungsweise anzupassen, um die Jahr-2000-Fähigkeit zu gewährleisten.

In diesem Zusammenhang führte das Gericht unter anderem aus: "Ob bei Verträgen die Jahr-2000-Fähigkeit vereinbart wurde oder nicht, ist jeweils im Einzelfall zu bestimmen. Relevant hierfür sind die übliche Nutzungsdauer der Software, der Vertragszweck und auch das Projektvolumen." Zur Frage des Fehlers (im rechtlichen Sinne) heißt es: "Für das Vorliegen des Fehlers ist unerheblich, ob das Programm völlig zum Erliegen kommt oder ob es nur zu einigen Fehlfunktionen kommen wird. Unstreitig wird es jedenfalls zu nicht nur ganz unerheblichen Gebrauchsbeeinträchtigungen kommen."

Erstes Urteil eines deutschen Gerichts

Auch kann sich der Softwarehersteller nach Meinung des LG Leipzig nicht darauf berufen, daß das Programm zum Zeitpunkt der Erstellung im Jahr 1993 den anerkannten Regeln der Technik entsprach, denn, so das Gericht, "es ist möglich, daß etwas einen Fehler darstellt, obwohl die Ausführung den anerkannten Regeln der Technik entspricht".

Im Zusammenhang mit der Jahr-2000-Fähigkeit von Software sei davon auszugehen, daß die damit verbundene Problematik erstmals durch den Aufsatz von Peter de Jaeger vom 6. September 1993 in der US-amerikanischen CW-Schwesterzeitschrift "Computerworld" wahrgenommen wurde. Man könne demnach annehmen, daß in Deutschland im Jahre 1993 "allgemein nicht Jahr-2000-feste Programme verkauft wurden". Ohne Zweifel sei das in Rede stehende Programm zur Steuerung der Haustechnik für eine längere, jedenfalls weit über den Zeitraum von fünf Jahren hinausgehende Nutzungsdauer vorgesehen gewesen. Dafür spreche auch der hohe Preis des Programms.

Insofern bedeute die vereinbarte Gewährleistungsfrist von fünf Jahren nicht, daß das Programm danach nicht mehr zu funktionieren brauche. Da die Mängelanzeige innerhalb dieser Gewährleistungsfrist erfolgt sei, trete keine Verjährung ein, so daß der Softwarehersteller verpflichtet ist, die Jahr-2000-Fähigkeit des Programms kostenlos herzustellen.

Mit diesem ersten rechtskräftigen Urteil eines deutschen Gerichts zur Y2K-Fähigkeit von Software werden einige der bislang offenen Fragen beantwortet. Besonders hervorzuheben ist die Aussage des Gerichts, daß das Jahr-2000-Problem frühestens seit 1993 als bekannt gelten könne. In der einschlägigen Literatur betrachtete man bisher 1988 als Schlüsseljahr. Diese Auffassung gründet sich nicht zuletzt auf die ISO-Norm 8601, die die Datumsdarstellung in Programmen als JJJJ-MM-DD, also mit einer vierstelligen Jahresangabe, vorsah.