LAN trifft Produktion

20.03.2009
Von Paul Smith
Der Ausbau betrieblicher Netzstrukturen wirft vielschichtige Probleme auf – besonders beim Verbinden unterschiedlich strukturierter Netzumgebungen.

Mittlerweile ist es ein gängiges Problem: Unterschiedliche Bereiche eines Unternehmens besitzen komplett verschiedene, aber in sich geschlossene Netzstrukturelemente. Das wohl häufigste Beispiel ist die Anbindung einer ungeschirmten Twisted-Pair-Umgebung (UTP), wie sie in den meisten Betrieben zu finden ist, an ein Glasfaserkabel. Abhängig davon, welchem Standard die Verbindung entspricht, können Entfernungen zwischen 500 Metern und 125 Kilometern überbrückt werden. Hier gelangen so genannte Mediakonverter zum Einsatz, die eine Verbindung zwischen den verschiedenen Glasfaser-Netzarten und der UTP-Umgebung ermöglichen. Diese Art der Anbindung unterschiedlicher Netzarten kommt gerade im industriellen Umfeld häufig vor. Denn viele Unternehmen setzen die Glasfaser mit ihrer großen Reichweite ein, wenn größere Entfernungen zwischen verschiedenen UTP-Clustern zu überbrücken sind. Zusätzlich werden sie jedoch auch benötigt, um verschiedene Glasfaserstandards miteinander zu verbinden.

So kann zum Beispiel eine Multimode-Kabel-Verbindung, die vergleichsweise kostengünstig ist, aber nur mittlere Reichweiten überbrückt, an ein Monomode-Kabel angepasst werden, um auf diese Weise Anschluss an eine Breitbandvernetzung zu finden. Für kupferbasierende Verbindungen gilt Vergleichbares: Hier trifft UTP auf Koaxial- und Twinaxialkabel, die in ein gemeinsames Netzwerk integriert werden müssen. Neben den häufig vorkommenden Netzwerk-Konvertierungen werden Mediakonverter aber auch für Anwendungen im TK-Sektor verwendet. Hier helfen sie dabei, Telefon- und Video-signale in ein Netz einzuspeisen.

Kostenkontrolle

Auch der ökonomische Aspekt spielt eine Rolle. Wenn zwei oder mehr verschiedene Netzwerk-Umgebungen miteinander kommunizieren sollen, ist es meist wirtschaftlicher, dafür Konverter zu nutzen. So müssen keine Netz-Infrastrukturen ersetzt werden, und systembedingte Ausfallzeiten in der Produktion werden auf ein Minimum begrenzt. Auch die höhere Flexibilität ist ein Pluspunkt. Denn Entfernungen von mehreren Kilometern zwischen Büros und Produktionsstätten können problemlos überbrückt werden, indem eine Glasfaserleitung eingesetzt wird. Bei dieser Art der Vernetzung tritt zudem noch ein weiteres Problem auf, da nahezu jedes Segment mit einem unterschiedlichen Protokoll arbeitet. So muss sogar die Anbindung eines koaxialen Netzes an ein UTP-Netz in Bezug auf die Performance und die Datenintegrität optimiert werden.

Herausforderung Produktion

  • Schwierige Umweltbedingungen (Staub, Temperatur, Feuchtigkeit);

  • elektromagnetische Verträglichkeit;

  • besonders zeitkritische Prozesse (Maschinensteuerung);

  • oft alte, serielle Protokolle;

  • teilweise proprietäre Industrieverfahren wie Modbus.

Aggressives Betriebsklima

Noch mehr Vielseitigkeit ist in industriellen Umgebungen gefragt. Hier herrschen komplett andere klimatische Bedingungen als im Office-Bereich, und das Thema elektromagnetische Abschirmung ist ebenfalls zu berücksichtigen. Ferner kommen Staub, eventuell Tauwasser, Vibrationen und die Belastung mit Gasen hinzu. Elektrische Felder in unterschiedlichen Frequenzen können massive Stör-einstrahlungen bewirken. Darüber hinaus gibt es häufig größere Schwankungen in der Spannungsversorgung.

Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt industrieller Standorte ist die vorhandene Hardware. Teilweise wird noch der 1979 entwickelte Modbus verwendet, häufig sind verschiedene serielle Protokolle noch im Einsatz. Neben proprietären Befehlssätzen stellen die stark differierenden Geschwindigkeiten dieser älteren Lösungen aktuelle Netze vor besondere Herausforderungen. Denn in einer Fertigung unterscheiden sich die Anforderungen an ein Netzwerk in der Regel deutlich von denen in herkömmlichen Büroumgebungen. Während im Büro Workstations, Server, Backup-Systeme und Ausgabeperipherie miteinander kommunizieren, spielt der Zeitfaktor eine untergeordnete Rolle.

Autonome Cluster

In der Fertigung sind die Anforderungen jedoch viel kritischer. Neben Servern und Steuer-PCs sind dort auch Maschinen miteinander vernetzt. Besonders, wenn die Produktion nicht wie in Großbetrieben an selbst getakteten Fertigungsstraßen stattfindet, sondern, wie es im Mittelstand vielfach zu finden ist, in autonomen Clustern. Hier ist es wichtig, dass eine Steuerung der einzelnen Prozess-Schritte in Echtzeit erfolgt. Falls diese Vorgabe nicht erfüllt ist, muss die Verzögerung im Netzwerk genau definiert und reproduzierbar sein. Nur so lassen sich die Delays gezielt kompensieren. Die Herausforderung liegt nun in der Schnitt-stelle zum Ethernet. In der Betrachtungsweise des OSI-Modells spezifiziert Ethernet sowohl die physikalische Schicht (OSI Layer 1) als auch die Data-Link-Schicht (OSI Layer 2). Dabei bestimmt das Layer-2-Protokoll, welches Gerät angeschlossen werden kann und mit dem Layer kommuniziert. Die Vorhersage, wann eine Information verfügbar ist, ist aber die größte Schwachstelle des Standard-Ethernet, das in industrieller Umgebung Verwendung finden soll. Denn eine zeitgenaue Zuweisung der Bandbreite zum Datentransfer ist für die Fertigung unbedingt nötig. Ursprünglich war das Ethernet als Halbduplex angelegt und in einer Bus-Topologie verhaftet. Im klassischen Ethernet teilen alle Nutzer eine einzige Kollisionsdomäne. In Halbduplex-Umgebungen wird die Domäne durch einen CSMA/CD (Carrier Sense Multiple Access mit Collision Detection) kontrolliert. Dabei stellt jedes Gerät im Netzwerk für sich selbst fest, ob Leitungskapazitäten verfügbar sind. Dann beginnt der Datentransfer ungeachtet der Tatsache, dass auch andere Geräte im Netzwerk einen Transfer initiieren können. Dadurch treten Kollisionen auf, und die Übertragung eines Geräts wird unterbrochen. Für Industrieumgebungen würde diese klassische Form des Ethernet das Chaos bedeuten, denn sukzessiv gesteuerte Abläufe sind so nicht zu realisieren.

Einige Verbesserungen haben das Ethernet-Protokoll dennoch weitgehend tauglich für die industrielle Anwendung gemacht. Das Wichtigste ist die Einteilung eines Netzwerks in verschiedene Kollisionsdomains. Wird beispielsweise eine Büroumgebung über Glasfaser an eine Fertigung angebunden, dann wird sie zusätzlich über den Einsatz mehrerer Router in kleine Kollisionsdomänen unterteilt. Kommen in jeder dieser Domänen noch Switches zum Einsatz, verbessert sich der Signalfluss deutlich.

Fazit

Die Aufgaben für Netzwerkequipment in industriellen Umgebungen werden zunehmend anspruchsvoller. Zum einen ist noch sehr viel alte Netzwerkstruktur vorhanden, zum anderen stellen Fertigungsprozesse und -maschinen immer höhere Anforderungen an die eingesetzten Umgebungen. Deshalb ist die Zuverlässigkeit der eingesetzten Hardware ein kritischer Faktor. IT-Verantwortliche sollten daher bei der Auswahl der jeweiligen Komponenten auf eine zweifelsfreie Tauglichkeit für die schwierigen Umgebungsparameter achten und auf besonders robuste Produkte setzen.