Inhouse-Netzwerk mit Basebandtypologie und Ringtopologie von Racal Milgo:

LAN in Styropor als "Starter-Package"

24.09.1982

Die erste Installation des auf der Hannover-Messe vorgestellten Inhouse-Netzwerks "LAN Planet" von Racal Milgo soll im November startklar sein (Planet = Private Local Area Network). Zwei weitere feste Bestellungen liegen nach Angaben des Neu-Isenburger Modemspezialisten vor. Eine der Planet-Installationen ist für 68 die beiden anderen sind für 56 Anschlüsse ausgelegt. Im folgenden Artikel beschreibt Helmut Franz* das LAN-Konzept von Racal Milgo: Ausfallsicherheit, Flexibilität und niedrige Kabelkosten schildert er als dessen wesentliche Pluspunkte.

Zwei parallel geführte Ringe bilden den Grundstock für das LAN Planet von Racal Milgo. Dies Prinzip soll - so das Ziel der Entwickler - Sicherheit und Flexibilität bei niedrigen Kabelkosten garantieren.

Das vom DÜ-Spezialisten Rasal Milgo entwickelte Planet ist ein Inhouse-Kommunikationsnetzwerk, das von folgendem Konzept ausgeht: Grundprinzip ist ein Doppelring mit Koaxialkabeln, auf dem die Daten vom sogenannten "Director", einem Mikroprozessorsystem, gesteuert werden. Wo Geräte angeschlossen werden sollen, wird ein CAP (Cable Access Point) gesetzt, und an diesen wird der mit der nötigen Steuerungsintelligenz ausgestattete TAP (Terminal Access Point) angeschlossen.

Nicht jedem CAP muß ein TAP zugeordnet sein.

Der CAP hat die Funktion einer DÜ-Steckdose. CAPs soll man bei der Installation des Koaxdoppelringes überall da vorsehen, wo später einmal ein Terminal installiert werden soll. Ist das dann der Fall, so steckt man den TAP in die Steckdose wie ein neues Radio. Sofort und ohne weitere Installationskosten ist Datenübertragung möglich, asynchron,

synchron, halbduplex, duplex, mit jedem möglichen Protokoll und mit Endgeräten von jedem beliebigen Hersteller, vorausgesetzt die Endeinrichtung verfügt über eine V.24/V.28-Schnittstelle. Diese zur Zeit am weitesten verbreitete Schnittstelle wurde als erstes realisiert. Weitere Anschlußmöglichkeiten wie IBM 3271 Koax oder Rechner-Bus-Schnittstellen wie zum Beispiel Unibus sind noch in der Entwicklung. Die Verwendung der V.24/V.28-Schnittstelle, die sich wie ein herkömmlicher Modem verhält, läßt die Verbindung zu öffentlichen Netzen wie Direktrufnetz oder Datexnetz zu.

Um Datentransparenz zu gewährleisten packt Planet die Daten in Pakete von 42 Bit, wobei 16 Bit Nutzdaten sind und die restlichen 26 zur Steuerung, Adressierung und Störungsanalyse verwendet werden.

Die maximale Übertragungsgeschwindigkeit eines angeschlossenen Gerätes beträgt 19,2 KBit pro Sekunde. Die Übertragungsgeschwindigkeit im Ring beträgt 10 MBit pro

Sekunde. Durch die Verwaltungsbits verringert sich dann der Nutzdatenstrom auf 3,8 MBit pro Sekunde.

Das entspricht einer Nutzkapazität von 396 Leitungen mit 9600 Bit pro Sekunde Übertragungsgeschwindigkeit.

Bei maximal 250 zu betreibenden Anschlußpunkten zum Beispiel ß 9600 Bit pro Sekunde ist eine Überlastung des Netzes nicht möglich. Erst wenn man beide Ports eines TAP mit 19,2 KBit pro Sekunde belegt, kommt man ins Rechnen.

Jeder mit Jedem

Jedes angeschlossene Gerät kann mit jedem anderen Gerät im Ring Daten austauschen. Die Verbindungen werden durch ein einfaches asynchrones Terminal mit ASCII-Code während der Online-Verarbeitung hergestellt. Dabei können Konferenzschaltungen genauso wie Rundsendungen, Mehrpunktnetze wie Punkt-zu-Punkt-Verbindungen aufgebaut werden. Ein asynchrones Terminal kann sich sogar selbst eine Verbindung wählen. Dabei kommt es nicht darauf an, an welcher Stelle des Netzes es steht.

Die jeweilige Konfiguration wird in einer Tabelle im Director festgehalten und kann jederzeit abgerufen oder geändert werden. Durch weitere vorbereitete Tabellen können komplette Konfigurationen innerhalb kürzester Zeit ersetzt werden und so bestimmte Reserve- oder Tag-Nacht-Schaltungen eingesetzt werden.

Störungsanalyse

Planet diagnostiziert sich im Störungsfall selbst. Daten werden in Pakete gepackt, diese dann mit "Voll" gekennzeichnet und auf den Weg zum Bestimmungsort geschickt. An der angegebenen Adresse leert man die Pakete, die Nutzdaten werden an das Endgerät weitergegeben und die Pakete zur Weiterverwendung für andere TAPs als "Leer" gekennzeichnet.

Wird ein Paket am Zielort nicht geleert, so kreist es unter der Kontrolle des Directors weiter im Ring. Nach einer "Time-out"-Zeit setzt der Director eine Störung voraus und überprüft durch Schleifenbildung der TAPs in beiden Richtungen wieweit das Netz noch betriebsbereit ist. Die letzte funktionierende Schleife bleibt bestehen, und die Online-Verarbeitung kann weiterlaufen. Das Ganze geschieht in weniger als einer Sekunde. Der Director gibt sodann eine Störungsmeldung aus mit der genauen Lokalisierung des Fehlers. Die nicht abgeholten Daten bleiben in der Quelle gespeichert, bis die Störung beseitigt ist.

Das Prinzip der "Selbstheilung" erlaubt es dann auch, den Ring an jeder beliebigen Stelle zu öffnen und zu erweitern. Kein Gerät muß abgeschaltet werden. Schneidet man das Zwillingskabel an einer Stelle durch, so rekonfiguriert der Director das System, gibt eine Fehlermeldung ab und fährt mit dem Online-Betrieb fort. Nach Beendigung der Erweiterung teilt man diese dem Director mit und er nimmt die neuen TAPs in seine Konfiguration auf.

Die damit erreichte hohe Betriebssicherheit von Planet wird komplettiert durch einen zweiten Director, der an irgendeinem Punkt des Netzes angeschlossen werden kann.

Das angewandte Basisbandverfahren erlaubt mit der Übertragungsgeschwindigkeit von 10 MBit pro Sekunde den Anschluß von "nur" 250 Terminal Access Points mit je zwei Anschlußmöglichkeiten, also 500 Terminals. Wo das nicht reicht, kann ein zweiter oder mehrere Ringe mit dem ersten verbunden werden. Inhouse geschieht das durch einen Hochgeschwindigkeits-Doppelring; sollen zwei Ringe über ein öffentliches Netz (Direktruf- oder Datexnetz) miteinander verbunden werden, so kommt ein "Gateway" zum Einsatz, das nur die für den jeweiligen Ring bestimmten Daten überträgt. Der Vorteil des Basisbandverfahrens gegenüber Breitband liegt in der Preisklasse des Kabels und dessen problemloser Verlegung.

Als Einstieg in LAN hat sich Racal Milgo einen Verkaufsgag, das "Starter-Package" ausgedacht. Es beinhaltet einen Director, sechs CAPs, drei TAPs, Anschluß- und Verbindungskabel, und sogar an das nötige Werkzeug zum Anschluß der BNC-Stecker an das Koaxkabel hat man gedacht. Das alles fein säuberlich in Styropor im Karton wie die Videoanlage zu Weihnachten: also auspacken, die ausführliche Bedienungsanleitung lesen und - installieren.

* Dipl.-Ing. Helmut Franz ist Unternehmensberater für alle Fragen der Datenübertragung in 6085 Nauheim.

Dreierlei

Die geplanten Anwendungen des Planet-Systems differieren stark: Ein überregionales Service Rechenzentrum will speziell die Schaltfunktionen des Systems ausnutzen, das quasi als "Datenaustausch-Nebenstellenanlage" eingesetzt werden soll; das zweite System wurde für die Forschungsabteilung eines "großen Automobilkonzerns" geordert; die dritte Inhouse-Anwendung soll im Fertigungsbereich eines Unternehmens das bisher dort eingesetzte EDV-Netz ersetzen. Über Planet werde in diesem Falle eine "Betriebsdatenerfassung" laufen.

Mit 26 000 einsteigen

Eine Preiskalkulation speziell für ein Netzwerk läßt sich nur individuell erstellen. Die Preisangaben der Racal Milgo gehen deshalb von einer fiktiven Installation aus: Bei 100 verlangten Anschlüssen, die mit 50 CAPs und 50 CAPs zu realisieren wären, kostet ein Anschluß 2090 Mark. Zu dieser Konstellation ist ein Director - Kostenpunkt 13000 Mark - ausreichend und hätte noch Kapazität frei, so daß die weiteren Anschlüsse (bis zu 500) pro Anschluß billiger würden.

Nicht unerheblich sind - in der Regel - die Kosten für das vom Kunden zu installierende Kabel. Das für Planet benötigte Standard-Doppel-Koaxkabel (RG 59 bis 75 Ohm) kostet allerdings nur zwischen einer und zwei Mark pro Meter.

Für das Starter-Package, bestehend aus einem "Director", drei TAPs und sechs CAPs sowie Kabel mit Stecker, Werkzeug und Manual, sind 25000 Mark zu berappen.