Identifikation via Smartcard im Pilotversuch

Kundenbindung via Web: Die "gläserne Police" der Allianz

17.12.1999
STUTTGART (qua) - Weniger an Neukunden als an die bestehende Klientel wendet sich die Allianz Lebensversicherungs AG, Stuttgart, mit ihrem "Allianz Online Service" (AOS). Um den Versicherten das lästige Eintippen von Transaktionsnummern (Tans) zu ersparen, testet der Versicherer derzeit die Smartcard-Technik.

Den Slogan von der "Internet-Revolution" quittiert Gerhard Rupprecht mit einem Schmunzeln. Nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Allianz Leben vertragen sich Revolutionen nicht mit dem Selbstverständnis eines Assekuranzunternehmens: "Ein Versicherer hat die Aufgabe, möglichst langweilig zu sein, damit sich seine Kunden aufregende Dinge leisten können", erläutert er.

Trotzdem haben Rupprecht und sein für Informationssysteme zuständiger Vorstandskollege Friedrich Wöbking beschlossen, die Nachfrage ihrer Kunden nach direkten Online-Kontakten zu befriedigen. Das Ergebnis bezeichnen sie als "gläserne Police"; der offizielle Name lautet "Allianz Online Service", kurz AOS. Dieses Web-basierte Dienstleistungs-Angebot ermöglicht es dem - durch Personal Identification Number (PIN) und Transaction Number (TAN) ausgewiesenen - Allianz-Versicherten, online seine Vertragsdaten einzusehen, den Deckungsschutz tagesaktuell zu ermitteln und Adresse, Zahlungsweg oder Bezugsrecht zu ändern. Mit dem AOS können die vier Millionen Allianz-Kunden, so sie einen Internet-Zugang haben, sowohl ihre Lebensversicherung als auch ihre Investitionen in Allianz-eigene Investment-Fonds oder ihr Allianz-Servicekonto verwalten.

Für eine systematische Neukundenwerbung über das Internet kann sich der Versicherungskonzern hingegen nicht erwärmen. "Das ist schwierig und teuer", weiß Rupprecht. Die Kosten, um einen einzigen Kunden online zu gewinnen, beziffert er auf 400 bis 500 Dollar. "Mit dem Internet wollen wir nicht den Direktvertrieb anstoßen, sondern unseren Außendienst einbinden", beteuert auch Wöbking. Damit dies kein Lippenbekenntnis bleibt, bietet der Lebensversicherer seinen 12000 Vertretern Starthilfe fürs Internet: Die Agenturen sollen mit einer eigenen, aber nach Konzernvorgaben gestalteten Homepage ins Netz gehen. Persönlich besuchen können die Vertreter ihre Kunden höchstens einmal im Jahr; per Webpage sind sie zumindest jederzeit erreichbar, so Rupprechts Begründung. An einem derzeit laufenden Pilotversuch nehmen 100 Agenturen teil.

In einer kleinen Nische probt die Allianz allerdings doch bereits den Ernstfall Online-Vertrieb. In Zusammenarbeit mit dem Tochterunternehmen Deutsche Lebensversicherung AG (DLV) offeriert sie im Web eine stark standardisierte Risiko-Lebensversicherung. "Bei diesem Tarif wäre ein Vertreterbesuch unökonomisch", beschwichtigt Wöbking etwaige Einwände der Agenturen.

Der Zuspruch für das Angebot hält sich zudem in Grenzen. Im ersten Monat des Angebots machten nur zehn Kunden davon Gebrauch. Die Direkt-Police läßt sich ohnehin nur online beantragen, aber nicht abschließen. Solange die elektronische Unterschrift nicht durch Bundesgesetz legitimiert ist, bedarf es eines umständlichen Postidentifikations-Verfahrens, um dem Vertrag Rechtskraft zu verleihen.

Für Wöbking steht aber fest, daß sich die Smartcard über kurz oder lang als Identifikationsmedium durchsetzen wird. Und dann steht die Allianz Gewehr bei Fuß. Zur Zeit testet sie mit einem ihrer Kunden, der Württembergischen Hypothekenbank, den Einsatz der Chipkarte für eine unternehmensweite Mitarbeiterversicherung. Der flächendeckende Einsatz wird unter anderem davon abhängen, ob die Kunden das notwendige Equipment, sprich: Kartenleser und Treiber, anschaffen.

Bei der Realisierung ihres Web-Auftritts läßt sich die Allianz von dem Berliner Internet-Spezialisten Pixelpark AG unterstützen. Dessen Vorstandsvorsitzender Paulus Neef mahnt die Unternehmen, im Hinblick auf das Internet die richtige Frage zu stellen: Anstatt zu überlegen, wie sich das Internet für ihre Geschäfte nutzen lasse, sollten sie sich Gedanken machen, wie sie ihr Geschäft an das Internet anpassen könnte.

So räumt denn auch Allianz-Vorstand Rupprecht ein, daß sich das Versicherungs-Business unter den neuen Vorzeichen verändern wird. Dank der unmittelbaren Dateneingabe und der automatischen Konsistenzprüfung durch ein Expertensystem sei der Versicherungsverkäufer künftig weniger mit Routinetätigkeiten befaßt. So wandle er sich vom Vertragsverwalter zum Kundenberater.

Zudem eröffne das Web ganz neue Geschäftsmöglichkeiten. Beispielsweise helfe es den zentral organisierten Versicherungen, den Vorsprung einzuholen, den die lokal ansässigen Sparkassen bei der Baufinanzierung haben. Die Möglichkeit, Informationen und Fotografien in Sekundenschnelle zu übermitteln, gleiche den Nachteil der räumlichen Entfernung aus.

Last, but not least, soll das Internet auch das Image verbessern. "Wir leiden unter dem Vorwurf, eine Blackbox zu verkaufen", klagt Rupprecht, "das wollen wir ändern."