IT im Marketing/E-Marketing über Personalisierung und Anreizsysteme

Kundenbindung im Internet: Spektrum der Methoden wird flexibel genutzt

05.05.2000
Interaktive Medien wie das Internet mit seinem viel beschworenen E-Commerce stellen methodisch und technisch neue Anforderungen an das Marketing. Aisha Nadine Seitz* führt anhand von Beispielen verschiedene Kundenbindungsverfahren vor.

E-Commerce gewinnt zweifelsohne an Bedeutung, die Online-Umsätze der Unternehmen steigen. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger schätzt die E-Commerce-Umsätze 1999 auf 2,9 Milliarden Mark, 2001 sollen es bereits 27,8 Milliarden Mark sein.

Die Potenziale wie höhere Transparenz, schneller Informations- und Datenaustausch sowie Verfügbarkeit rund um die Uhr veranlassen immer mehr Unternehmen dazu, das Internet als globalen Marktplatz zu nutzen. Doch die bloße Präsenz reicht nicht - erforderlich sind seine Anpassung und Integration in das Gesamtkonzept des Unternehmens.

Grundsätzlich bieten sich einem Unternehmen zwei Möglichkeiten, um erfolgreich am Markt zu agieren: neue Kunden gewinnen oder bestehende halten. Der Schlüssel für erfolgreiches E-Commerce-Engagement heißt vorrangig Kundenbindung. Treue Kunden bedürfen keiner zusätzlichen Investitionen in den Bereichen Marketing oder Erstwerbung, generieren grundsätzlich einen höheren Umsatz pro Besuch, sind weniger preisintensiv und empfehlen das Unternehmen weiter. Dies ist besonders im Internet wichtig, da die Konkurrenz nur einen Mausklick weit entfernt ist. Die Wechselkosten zwischen einzelnen Anbietern sind für den User gering, die Marketing-Kosten für den Erstkunden jedoch relativ hoch.

Die hohe Interaktivität des Mediums erfordert eine ausgefeilte Strategie, deren Realisation durch so genannte Netzeffekte erschwert wird. Sie entstehen, wenn ein Dienst für ein Individuum umso attraktiver wird, je mehr andere Nutzer davon Gebrauch machen.

Stickiness (Klebrigkeit) steht für die Loyalität der Nutzer, eine Site möglichst oft und lange zu besuchen. So wird mit immer neuen Funktionen versucht, Kunden zu binden. Die Aktionen reichen von Auktionen, dem Versand von Newslettern über die Veranstaltung von Online-Gewinnspielen bis hin zu Chat-Räumen in virtuellen Communities. Hier stellt sich das berüchtigte Problem von Henne und Ei. Es gilt, sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite eine bestimmte Masse zu erreichen, um attraktiv zu sein. Niemand tritt einer Community bei, wenn dem System nur ein oder zwei Unternehmen angehören. Umgekehrt ist der Anreiz für eine Firma, sich als Handelspartner anzuschließen, nur gering, wenn sich nur selten ein User auf eine Site verirrt. Ein weiteres interessantes Instrument zur Kundenbindung sind Online-Spiele.

Nur wenn die Ebenen des Marketing-Mixes optimal verknüpft werden, kann das Unternehmen erfolgreich agieren. Auf der Produktebene geht es um individuelle Angebote, die exakt auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind. Die Kommunikationsebene beinhaltet individualisierte und weit reichende Informationen. Auf der Preisebene werden günstige Angebote und Preisdifferenzierungen verlangt. Im Rahmen der Distribution spielen Schnelligkeit und Zuverlässigkeit eine große Rolle. Die Herausforderung besteht darin, E-Commerce ergänzend beziehungsweise, wo sinnvoll substituierend zu bestehenden Marketing-Instrumenten, einzusetzen. Es ist erforderlich, Online-Angebote neben dem Eintrag in Suchmaschinen, Datenbanken und Hyperlinks durch klassische Werbung in Printtiteln, TV und Hörfunk bekannt zu machen. E-Commerce muss konsequent und effektiv genutzt werden und sich in der Firmenphilosophie widerspiegeln, so dass sich dem User ein wahrnehmbarer Zusatznutzen bietet.

Fünf Faktoren erhöhen die Kundenbindung:

- Mehrwertinformation und Service: Der Kunde honoriert die Zeitersparnis, die ihm gut aufbereitete und relevante Informationen auf der Website bieten. Es gilt also, weit über das Produkt beziehungsweise die Dienstleistung hinaus Informationen anzubieten. Das stellt nicht nur sicher, dass Kunden wiederkommen, sondern rechtfertigt auch den Verkauf von Produkten, die mit dem Kernprodukt in Verbindung stehen.

Ein Beispiel dafür ist yagma.com. Das Unternehmen gestaltet den Kauf von Unterhaltungselektronik im Internet einfach und bequem, indem der Kunde möglichst viele und wichtige Informationen für seine Kaufentscheidung erhält. So finden sich neben dem eigentlichen Produktangebot und günstigen Preisen aussagekräftige Produktinformationen, zusätzliche Inhalte wie Testberichte, Tipps und Tricks, Such- und Vergleichsfunktionen sowie verschiedene Services, beispielsweise die Lieferung der Geräte frei Haus.

- Personalisierung: Das Angebot muss auf die Bedürfnisse eines Kunden ausgerichtet werden. Voraussetzung dafür ist, die Daten des Kunden zu erfassen und entsprechend zu verwerten.

Ein Beispiel dafür ist American Online (AOL). Das Unternehmen setzt auf sehr leichte Bedienbarkeit, kundenfreundliche Mitgliederbetreuung und ein Preismodell, das sich am spezifischen Nutzerverhalten orientiert. Eine kontinuierliche Erweiterung der Inhalte und technische Verbesserungen tragen zum Erfolg bei. Seinen Mitgliedern bietet AOL ein professionell aufbereitetes Spartenprogramm von Information, Sport und Bildung über Entertainment und Chat bis hin zu Shopping-Möglichkeiten.

- Intelligente Kommunikation: Der Unterschied zwischen Werbung und intelligenter Kommunikation liegt dabei in der Relevanz für den Kunden. Dies kann nur auf der Basis von Daten über seine Bedürfnisse, Interessen und Vorlieben erfolgen.

Ein Beispiel dafür ist quelle.de. Dort kann der User kostenlos einen Newsletter abonnieren, der ausschließlich Bereiche seiner Wahl beinhaltet. Dabei definiert er per Mausklick seine Interessen, gibt eine E-Mail-Adresse an und wird über die von ihm gewünschten Themen informiert.

- Vom Nutzer generierter Inhalt: Die Möglichkeit zu direktem Feedback oder Online-Kommunikation zwischen mehreren Usern helfen, eine Community aufzubauen. Dieser Wettbewerbsvorteil lässt sich nicht einfach kopieren. User, die sich austauschen können oder die Kommentare anderer lesen, bekommen Vertrauen in die Website und das Unternehmen. Der User fühlt sich als Teil einer Gemeinschaft, die seine Bedürfnisse teilt. Solche virtuellen Communities entwickeln eine starke Dynamik, jedes zusätzliche Mitglied steigert den Wert der Site erheblich, was wiederum neue Kunden anzieht.

Ein Beispiel hierfür ist die Community www.dooyoo.de, eine Plattform für Informationen über Produkte und Dienstleistungen. Dort kann sich der User Rat bei anderen Konsumenten holen - unabhängig und kostenlos. Natürlich kann er auch aktiv an der Gestaltung der Plattform mitwirken und seine Erfahrungen weitergeben.

- Treue-Anreiz-Systeme: Dieses Element zur effektiven Kundenbindung beeinflusst das Kaufverhalten. Dabei belohnt der Anbieter den Kunden: etwa für Einkäufe beziehungsweise erzielten Umsatz, aber auch für die Teilnahme an Aktionen oder die Empfehlung von Neukunden.

Ein Beispiel dafür ist der Otto-Versand (www.otto.de). Das Unternehmen bietet seinen Kunden die Mitgliedschaft im Kundenclub an. Dem Besteller werden für seinen Umsatz automatisch Punkte gutgeschrieben, die er gegen Prämien oder Einkaufsvorteile bei Partnerunternehmen eintauschen kann.

Online-basierte Treue-Anreiz-Systeme haben den Vorteil, dass der administrative Aufwand geringer ist als im Offline-Bereich. Zusätzlich fallen keine Kosten für den Druck und Versand von Kundenkarten oder Prämienkatalogen an. Ein Prämienshop, der sich schnell und trendgerecht aktualisieren lässt, schafft Begehrlichkeiten.

Bereits zu Beginn eines E-Commerce Engagements muss über Kundenbindung nachgedacht werden. Potenzielle Kunden schauen sich nur das an, was sie interessiert. Die Anpassung an die Zielgruppe ist entscheidend. Die technische Basis ist eine Datenbank, die eine individuelle Ansprache erlaubt. Sie muss auch die Möglichkeit bieten, den Erfolg von Marketing-Maßnahmen zu messen.

Das Problem bei der Abfrage kundenbezogener Daten ist die Angst der User, als "gläserne Kunden" von einer Flut von Werbebotschaften überschwemmt zu werden. Der Trend geht daher zum so genannten Permission Marketing. Dabei erteilt der User dem Unternehmen ausdrücklich die Erlaubnis, ihm ausgewählte Werbung zukommen zu lassen. Aber je mehr Daten abgefragt werden, desto misstrauischer wird der User. Im schlechtesten Fall wird die Anmeldung beziehungsweise der Kaufvorgang sogar abgebrochen.

Natürlich zählt im Internet vor allem Schnelligkeit: Wer seinen First Mover Advantage so ausbaut, dass die Kunden bereits an das Unternehmen gebunden werden, bevor sich Konkurrenz etabliert, ist in der Regel nur noch schwer einzuholen. Eine effektive Strategie und schnelle Implementierung sind nötig, um den Vorteil des Ersten am Markt zu nutzen und sich starke Allianzpartner zu sichern.

Rückkehr zum Anbieter bisher ohne ReizAuch im Internet ermöglichen Prämiensysteme die Abgrenzung gegenüber dem Wettbewerb. Ein Beispiel ist die Webmiles AG aus München. Ihren Gründern fiel im Januar 1999 beim Surfen im Netz auf, dass den Usern in den E-Commerce-Shops kein Anreiz geboten wurde, zu einem Anbieter zurückzukehren. Darüber hinaus fehlte den meisten Angeboten die Emotionalität und der Spaßfaktor.

Die drei Jungunternehmer entwickelten daraufhin ein virtuelles Kundenbindungsprogramm, ein branchenübergreifendes Prämiensystem als Instrument für Incentive-bezogene Kundenbindung und -gewinnung.

Das E-Marketing-Instrument kombiniert Zusatznutzen für Anbieter und Internet-Nutzer. Die Partnerunternehmen haben direkten Kontakt zur kaufwilligen Internet-Community, die sich auf der Plattform des Unternehmens versammelt.

Sie belohnen ihre Kunden für Online-Aktivitäten aller Art mit der Vergabe von Prämienpunkten, den so genannten Webmiles. Die Idee arbeitet mit dem natürlichen Jäger- und Sammlerinstinkt und funktioniert erstaunlich zuverlässig.

Jede Aktivität lässt sich "incentivieren"Die Meilen werden auf einem attraktiven Konto gesammelt, die User können sie dann unter www.webmiles.de gegen Prämien eintauschen. Die ersten Prämien sind leicht erreichbar, das verschafft ein schnelles Erfolgserlebnis. Die Weitergabe der Kundendaten an andere Partnerunternehmen oder gar an Dritte ist bisher allerdings tabu.

"Incentivieren" lässt sich praktisch jede Art von Aktivität und Loyalität. Schon jetzt wird nicht nur das Shopping im Netz belohnt, sondern die unterschiedlichsten Aktionen in virtuellen Commmunities. Nach und nach werden alle erdenklichen Einkaufs- und Aktivitätsbedürfnisse des Users im Netz durch Partner abgedeckt. Der Community-Gedanke wird durch Chat-Foren, einen Newsletter und Gewinnspiele vertieft.

Die Anwendung derartiger Instrumente zur Kundenbindung und eine strategische Implementierung des Online-basierten Marketings in seinen unterschiedlichen Ausprägungen in ein E-Commerce-Gesamtkonzept ermöglicht langfristig die Ausschöpfung zahlreicher Potenziale.

*Aisha Nadine Seitz ist Marketing-Mitarbeiterin bei der Webmiles AG in München.

Abb: Erfolgreiches Marketing im Internet - fünf Erfolgsfaktoren für Kundenbindung. Quelle: Seitz