Anbieter backen kleinere Brötchen

Kunden-Management: nicht um jeden Preis

16.06.2000
WIESBADEN (bs) - Im Markt für Customer-Relationship-Management-(CRM-)Software herrscht Katerstimmung. Die euphorischen Schätzungen für das Jahr 2000 müssen nach unten korrigiert werden.

So schnell kann es gehen. Nicht, dass die CRM-Branche stagniert, aber die Umsatzprognosen für das laufende und wohl auch für die kommenden Jahre müssen revidiert werden. Hatten Marktforscher wie Gartner oder Aberdeen Group und Forrester Research in den vergangenen Jahren noch Wachstumsschübe von über 50 Prozent jährlich vorausgesagt, tritt nun Ernüchterung ein: Mit Mehreinnahmen von maximal 35 Prozent wird sich das junge CRM-Segment künftig zufrieden geben müssen. Dies teilte Gartner-Analystin Colleen Amuso Ende Mai auf der Salestech 2000 in Wiesbaden mit.

Vor allem die Hoffnung, Anwenderunternehmen würden, nachdem sie das Jahr-2000-Problem bewältigt haben, ihre eingefrorenen IT-Budgets enteisen, ließ im vergangenen Jahr die Stimmung bei CRM-Anbietern steigen. Doch zum einen leiden viele Y2K-Projekte unter Nachwehen und verschlingen weiterhin Budgets, zum anderen sind Betriebe nicht bereit, um jeden Preis in CRM-Techniken zu investieren, wie Wolfgang Schwetz, Geschäftsführer der Karlsruher Unternehmensberatung Schwetz, in Wiesbaden berichtete: "So lange Geschäftsführer nicht vom Nutzen des Systems überzeugt sind, genehmigen sie keine Investitionen." Dabei seien Aufwendungen von 500 000 Mark für mittlere CRM-Projekte durchaus üblich.

Wie die Unternehmensberatung Frost & Sullivan in einer Untersuchung herausgefunden hat, bemängeln Anwender insbesondere die schlechte Beratung vor dem Kauf sowie die Betreuung nach Vertragsabschluss durch die Anbieter. Hauptkritikpunkt ist das oft fehlende Branchen-Know-how. Darüber hinaus hätten die hohen Kosten für die Lösungen die Erwartungen der Kunden zu weit nach oben geschraubt. Mittelfristig rechnen die Analysten mit einem zunehmenden Wettbewerb im CRM-Segment und daher mit sinkenden Kosten.

Laut CRM-Spezialist Schwetz haben Anbieter den hiesigen Markt falsch eingeschätzt. Bei der Kundenansprache müsse man zwei Typen von Unternehmen mit voneinander spezifischem Bedarf unterscheiden: Erstens gibt es Firmen, die im Massengeschäft tätig sind, etwa im Bereich der Konsumgüterindustrie oder Versicherungen und Banken: "Diese können Aufgaben im Vertrieb, Marketing und Service ohne IT-Unterstützung schlicht und einfach nicht mehr bewältigen", erklärt Schwetz. Hier seien Investitionen in CRM-Systeme Pflicht.

Die Kür bestehe aus Sicht der Softwareanbieter darin, kleinere und mittlere Unternehmen vom Nutzen der elektronischen Verkaufshilfen zu überzeugen. Diese Klientel verwaltet eine überschaubare Zahl von Kunden, Produkten und Aufträgen. Hier sei der Leidensdruck nicht so groß und man könne auch weiterhin erfolgreich ohne aufwendige CRM-Systeme agieren. Ein Umstand, mit dem die Hersteller in ihren kühnen Wachstumsträumen wohl nicht gerechnet hatten: "Wenn von ursprünglich 1000 potenziellen Kunden nur noch 100 übrig bleiben, um die dann auch noch zehn CRM-Anbieter buhlen, ist so mancher Marketing-Plan das Papier nicht wert, auf dem er steht", führte Schwetz aus. Viele Anbieter hätten den Trend in Richtung E-Commerce und Internet-fähigen CRM-Suiten verschlafen, was sich im vergangenen Jahr als Wachstumsbremse entpuppt habe. Mittlerweile seien die Softwarehäuser aber auf dem richtigen Weg: Trends wie E-CRM - eine Kombination aus E-Business und CRM - und die Unterstützung von mobilen Endgeräten, wie sie auf der Salestech gezeigt wurden, seien Indizien dafür (siehe Seite 16).

Allerdings werde sich, so die Einschätzungen der CRM-Spezialisten, sehr bald die Spreu vom Weizen trennen. Konkret: Kooperationen, Übernahmen und Pleiten sind ein Trend unter den CRM-Anbietern. So hat jüngst das ERP-Softwarehaus Miracle die CRM-Schmiede Braun geschluckt, TPS Labs ist bei dem Standardsoftware-Hersteller Bäurer untergekommen. Weitere prominente Merger waren der Kauf von Clarify durch Nortel sowie die Übernahme von Vantive durch Peoplesoft. Konkurs meldete bereits im Herbst letzten Jahres das Softwarehaus Sidata an, das seine Java-basierte CRM-Suite nie zur Marktreife bringen konnte. Insgesamt verschwinden laut Schwetz in den nächsten zwei Jahren 30 bis 40 der rund 110 Hersteller vom deutschen Markt.

Die Größe des Anbieter allein ist nicht ausschlaggebend, wie sich am Beispiel SAP und Oracle zeige, die hierzulande wenig erfolgreich im CRM-Umfeld agierten. Allerding dürfte es in Zukunft vor allem für Softwarehäuser mit weniger als 100 Mitarbeitern schwierig werden. Sie könnten mit dem raschen Technologiewandel kaum Schritt halten. Gute Chancen zu überleben haben sie nur, wenn sie sich auf branchenspezifische Nischen oder regional konzentrieren. Im Bereich Pharma attestiert Schwetz Anbietern wie Regware oder Orbis denn auch deutlich mehr Kompetenz als dem Generalisten Siebel.

Erfolgsfaktorenfür CRM-Projekte-CRM ist Chefsache

-Strategie ist wichtiger als die Software und Hardware

-Ziel ist der gläserne Kunde und nicht der gläserne Vertriebsmitarbeiter

-Akzeptanz der User

-gesetzliche Hürden beachten (BetrVG, BDSG)

-richtig starten, Werbung für das Projekt machen

-Projektbegleitung und -organisation

-Think big - start small

-kein Perfektionismus, 80 Prozent sind genug

-Keep it simple

-nicht bei der Hardware sparen

-ausreichend schulen

Abb: Kleinere CRM-Anbieter brillieren durch Branchen-Know-how. Quelle: Schwetz