Kunden diktieren die Servicepreise

01.02.2005
Der harte Wettbewerb im IT-Dienstleistungsmarkt drückt die Honorare. Nie war die Verhandlungs-position der Kunden besser als heute.

Die IT-Servicebranche ist einem dramatischen Wandel ausgesetzt. Konnten sich Berater oder Projekt-Manager noch vor wenigen Jahren aussuchen, wem sie ihre hoch dotierten Dienste offerierten, sprechen Experten heute von einem Käufermarkt. "Die zunehmende Marktmacht der Kunden spiegelt sich in rapide sinkenden Preisen wider", berichtet Andreas Burau von der Meta Group. In den letzten drei Jahren seien die offiziell ausgewiesenen Tagessätze der Consultants um rund 30 Prozent gefallen.

30 Prozent unter Listenpreis

Doch damit nicht genug: Die tatsächlich gezahlten Vergütungen für Senior-Berater und Projekt-Manager liegen laut Burau im Durchschnitt noch einmal um zehn bis 30 Prozent unter den Listenpreisen (siehe Grafik "Preisverfall"). In einigen Bereichen wie etwa dem Management von ERP-Projekten gelinge es Kunden, bis zu 40 Prozent Rabatt auszuhandeln. Die Meta Group stützt sich bei ihrer Einschätzung sowohl auf Anbieterinformationen als auch auf Kundenangaben.

Ein Insider bringt die veränderte Situation auf drastische Weise auf den Punkt: "Früher war es so manchem IT-Berater egal, ob der Kunde nach dem Projekt kotzte. Es gab ja genug davon." Inzwischen hat sich die Situation umgekehrt. Das Angebot übersteigt die Nachfrage bei weitem.

Käufermarkt

"Der Käufermarkt ist Realität", bestätigt Peter Kreutter vom Institute for Industrial Organization der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar. SAP-Berater beispielsweise seien jahrelang als schwer zu bekommen gehandelt worden. "Das hat sich in den vergangenen zwei bis drei Jahren nachhaltig geändert." Überkapazitäten hätten einen Preiskampf ausgelöst.

Erkennbar ist der Wandel auch an einem veränderten Angebotsverhalten der Dienstleister, ergänzt Burau. Sie gewährten häufig kostenlose Presales-Beratungen etwa in Form von Workshops. Nicht selten sei es Servicekunden möglich, Preise zu bestimmen und Leistungsangebote zu definieren.

Die Ursachen dieser Entwicklung finden sich nicht nur in der allgemeinen Konjunkturschwäche, sondern auch in der wachsenden Konkurrenz aus Niedriglohnländern. Nach Einschätzung der Meta Group liegen selbst die angepassten Tages- oder Stundensätze noch immer um das Zwei- bis Dreifache über den Preisen von Offshore- oder Nearshore-Dienstleistern. Burau: "Von dieser Seite kommt ein gewaltiger Druck."

Allerdings sind vom Preisverfall längst nicht alle Segmente des IT-Service-marktes betroffen. Geht es um Dienste, die Spezialkenntnisse etwa über SAPs Integrationstechnik "Netweaver" voraussetzen, "sitzt der Anbieter wieder am längeren Hebel", schränkt der Analyst ein.

Auch Thorsten Wichmann, Managing Director beim Marktforscher Berlecon Research, relativiert die These vom Käufermarkt. Zwar hätten sich die Gewichte seit dem Jahr 2000 verschoben. Doch Preisnachlässe könnten Kunden in der Regel nur für stark standardisierte Leistungen erzielen, beispielsweise für einfache Programmier- oder Implementierungsarbeiten. Die Vergütungen für klassische Management-Beratung oder spezialisierte Services seien hingegen nicht gesunken.

Zu einer differenzierten Betrachtung rät auch Peter Dück, Vice President Consulting bei Gartner. Eine Entwicklung zum Verdrängungswettbewerb im IT-Servicemarkt sei in der Tat erkennbar, abzulesen etwa an geringeren Wachstumsraten, dem Wettbewerbsverhalten der Dienstleister und der anhaltenden Konsolidierung. "Die generelle These, dass der Kunde nun am längeren Hebel sitzt, lässt sich daraus aber nicht ableiten." In einigen Fällen sei eher das Gegenteil eingetreten. Angesichts sinkender Gewinnmargen und steigender Risiken nähmen es die Serviceanbieter mit der Prüfung von Projekten (Due Dili-gence) sehr genau. Die Folge: Kunden könnten oft ihre Wunschpartner nicht für die benötigten Dienste gewinnen.

Folgen für die Anbieter

Der Gartner-Experte warnt zudem davor, den größeren Verhandlungsspielraum immer voll auszuschöpfen: "Dieser Schuss kann nach hinten losgehen." Schon jetzt böten einige Unternehmen ihre Dienste zu sehr aggressiven Preisen an. "Das kann auf Dauer nicht gut gehen." Nachweislich schade es einer langfristigen Geschäftsbeziehung, wenn der Kunde seine stärkere Position um jeden Preis ausnutze.

Für die Anbieter hat der Wandel in jedem Fall weitreichende Konsequenzen. Viele sehen sich gezwungen, eigene Offshore- oder Nearshore-Kapazitäten aufzubauen, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Vor allem müssten die Dienstleister ihr Portfolio-Management verbessern, empfiehlt Burau.

Dazu gehöre es, in aussichtsreiche Geschäftsfelder zu investieren, andere dagegen konsequent zurückzufahren. Doch solche strukturellen Veränderungen brauchen Zeit. Burau: "Man kann nicht von heute auf morgen 1000 ERP-Experten um-schulen." (wh)