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Kunden aller Länder wehrt Euch!

18.12.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Was da aus den USA in Sachen Marketing- und Werbetechniken auf die Welt zukommt, dürfte viele Menschen eher mit großem Argwohn und einem gerüttet Maß an Skepsis erfüllen, denn begeistern. Noch in den Entwicklungslabors aber schon in einem vorzeigbaren Stadium sind Techniken, mit denen Käufern in Geschäften via Werbebotschaften sehr direkt und persönlich auf den Leib gerückt werden soll.

Werbebotschaften haben ja bislang den Nachteil, dass sie eine große und deshalb in ihrer Wirkung kaum berechenbare Streuung aufweisen. Wie wäre es also, haben sich einige Marketingexperten jenseits des großen Teichs gefragt, wenn ein Kaufhaus Produktwerbung ganz gezielt auf einen Käufer zuschneiden würde und ihn dann beim Shopping direkt ansprechen würde?

Zukunftsmusik? Nicht bei Shane Booth. Der ist Forscher an den Mitsubishi Electric Research Laboratories (Merl). Und er hat in seinem Team ein System entwickelt, das genau das kann. In Konsumtempeln, die mit Booths Technik ausgestattet wären, würde das System schon beim Eintreten eines Kunden via optischer Erkennungssoftware erfassen, wer der Kunde ist. Eine Datenbank im Hintergrund kennt aufgrund vieler früherer Eingaben des Kunden dessen Kaufgewohnheiten.

Aufgrund dieser Informationen kommt dann, was heute schon vielen Menschen und Datenschützern die Haare zu Berge stehen lassen dürfte: Das System offeriert dem Kunden beispielsweise via Beamer auf ihn zugeschnittene Angebote. Interessiert er oder sie sich etwa für Fachbücher zur Astronomie, könnten dem Kunden auf eine Projektionsfläche die Buchtitel gebeamt werden, die seinen Interessen entsprechen könnten. Das System von Booth soll so ausgelegt sein, dass es an den Augenbewegungen erkennt, ob ein Kunde die Werbebotschaften liest und wie lange er sich mit ihnen beschäftigt. Ganz problematisch wird es, wenn, wie Booth sagt, auch demografische Daten zu einem Kunden indirekt mit in die Werbebotschaften einfließen, also etwa zu seinem Geschlecht, zu der ethnischen Zugehörigkeit, zu seinem Alter etc.

Das System scheint auch in der Lage zu sein, das Informationsangebot dann zu intensivieren, wenn es erkennt, dass der Kunde sich der Werbefläche nähert, womit er möglicherweise ein Interesse an den Botschaften signalisiert. Noch ist dies Futuristik. Aber Booths Technik scheint schon relativ weit fortgeschritten zu sein. Paco Underhill, Autor des Bestsellers "Why we Buy", warnt deshalb auch potenzielle Nutzer dieses Systems: Was Marketiers begeistert, könnte Konsumenten abstoßen. Extrem auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtete Marketingaktionen scheinen Käufer eher zu irritieren. Außerdem, so Underhill, gibt es noch einen weiteren, sehr störenden Effekt dieser PR-Technik: Der Kunde hat keine Chance, dieser auf ihn abgestimmten Werbung zu entkommen - es sei denn, er verlässt das Kaufhaus schleunigst wieder. (jm)