Stadtbibliothek Bielefeld geht die Ausleihverbuchung mit DV-Unterstützung an:

Kunde kann Infos am Terminal selbst erfragen

12.09.1986

BIELEFELD (pi) - Auf die DV-gestützte Abwicklung des Bereichs "Ausleihverbuchung" setzt seit einiger Zeit die Stadtbibliothek Bielefeld. Insbesondere das Mahnwesen und das Verfahren der Buchvormerkungen bedurften einer Rationalisierung. Oberstes Ziel waren eine wirtschaftlichere Abwicklung der Geschäftsaktivitäten sowie die Entlastung des Fachpersonals.

Vor dem Umstieg auf die Datenverarbeitung wurde die Ausleihe über das technisch veraltete Fotoverbuchungssystem abgewickelt, das zur Überprüfung der Rückgabe der Medien die arbeitsaufwendige Randlochkartentechnik mit dem Nadelungsverfahren vorsah.

Konkreter Umstellungsanlaß war jedoch in erster Linie die bevorstehende Eröffnung einer weiteren Stadtteilbibliothek. Diese Erweiterung hätte für das alte Ausleihverfahren einen Investitionsaufwand von etwa 40 000 Mark bedeutet. "Jetzt mußten wir eine ADV-Lösung (Automatisierte Datenverarbeitung) suchen, weil wir in die veraltete Technik kein Geld mehr investieren wollten. Außerdem hätten die Investitionskosten für Ersatzbeschaffungen von Fotoverbuchungsgeräten in den Folgejahren sehr hoch gelegen", erinnert sich Wolfgang Twistel, Leiter der DV-Abteilung bei der Stadt Bielefeld.

Automatisierte Dienste stehen zur Verfügung

Mit der Übernahme der Ausleihverbuchung wird eine Verbesserung des Mahnverfahrens erreicht. Außerdem können nun die bestehenden automatisierten Dienste im öffentlichen Bibliothekswesen, wie sie zum Beispiel von der Deutschen Bibliothek angeboten werden, in Anspruch genommen werden. Dadurch läßt sich eine Kostenreduzierung bei der Erschließung der Buchzugänge erzielen.

Darüber hinaus soll ein Querverbund zwischen den verschiedenen städtischen Bibliotheken in Bielefeld entstehen. Querverbund bedeutet primär, daß man von jedem Bibliotheksterminal aus nicht nur im Buchbestand der Stadtbibliothek und ihren Stadtteilbibliotheken, sondern auch in den Medien- und Buchbeständen der übrigen angeschlossenen städtischen Bibliotheken recherchieren kann.

Mahnwesen und Vormerkung sind zu rationalisieren

Bevor sich die Bielefelder auch im Bereich des Bibliothekswesens für den Weg in die automatisierte Datenverarbeitung entschieden, wurde eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des bisherigen Fotoverbuchungsverfahrens und der künftigen automatisierten Ausleihverbuchung vorgenommen. Dabei stellte sich heraus, daß sich insbesondere das Mahnwesen und das Verfahren der Buchvormerkungen bei Einsatz der ADV bedeutend weniger umständlich und personalaufwendig abwickeln läßt.

Wie Wolfgang Twistel erläutert, wurden in Bielefeld mehrere ADV-Bibliothekssysteme anhand einer "Meßlatte", bestehend aus einigen wichtigen Entscheidungskriterien, "abgeklopft". Entscheidungskriterien für Bielefeld waren vor allem:

nie:

- Ein durchgängiges Online-Konzept für sämtliche automatisierbaren Bereiche des Bibliothekswesens, also auch und gerade für die Ausleihverbuchung.

- Ein fortschrittliches Datenbanksystem, das sich speziell für größere Informationssysteme eignet.

- Einsatz eines Rechners im städtischen Rechenzentrum, zunächst speziell für das Bibliothekswesen und damit Befreiung des Bibliothekspersonals von jeglichen ADV-spezifischen Tätigkeiten. Der im städtischen Rechenzentrum bereits vorhandene Host, über den zirka 70 verschiedene ADV-Verfahren für annähernd sämtliche übrigen Bereiche der Stadtverwaltung Bielefeld abgewickelt werden, kam nach intensiver Prüfung in erster Linie wegen einem Mangel an geeigneter Software nicht in Frage.

- Nicht speziell auf einen Hersteller zugeschnittenen Lesecode für die Identifikationsnummern der Benutzer und der Medien.

- Integrationsmöglichkeit der in der Zentralbibliothek installierten Buchsicherungsanlage .

- Wirtschaftlichkeit.

Der Stadtbibliothek Bielefeld steht seit Mai 1984 die Urica-Datenbank auf einem Rechner vom Typ M9320 des Anbieters McDonnell Douglas zur Verfügung. Der Computer ist auch heute noch mit einem Hauptspeicher von einem Megabyte (MB) und einem Festplattenlaufwerk Mit einem Speichervolumen von 256 MB ausgestattet. Daneben enthält er ein Magnetbandlaufwerk. Inzwischen wurden 24 Bildschirm-Terminals und drei Drucker angeschlossen, darunter ein Schnelldrucker im Rechenzentrum, der zur Zeit hauptsächlich für das Mahnwesen eingesetzt wird.

Die mittelfristige Entwicklung wird die Zahl der Bildschirmgeräte auf etwa 45 bis 50 und die Zahl der Drucker auf 10 anwachsen lassen. Ebenso ist die Aufrüstung des Hauptspeichers um 1 MB und der Einsatz eines zweiten gleich großen Festplattenlaufwerks vorgesehen.

Die Stadtbibliothek Bielefeld war 1984 die erste Bibliothek in Europa, die "Urica" einsetzte. Bisher war das Bibliothekssystem nur auf angloamerikanische Bibliotheken ausgerichtet. Deshalb war die gesamte Software zunächst einmal den deutschen Verhältnissen anzupassen.

Bibliografische Daten werden fortlaufend erfaßt

Parallel zu dieser Arbeit begann ein Team von außerplanmäßig eingesetzten Mitarbeitern mit der Erfassung der bibliografischen Daten des Medienbestandes. Diese Datenerfassungsarbeit wird vor 1987 nicht beendet sein. Bei Buchtiteln mit ISBN kann der Erfassungsaufwand dank der von der Deutschen Bibliothek per Magnetband übermittelten bibliografischen Daten wesentlich reduziert werden.

Die bibliografische Datenbank (BDB) bildet das Herz des Systems. Sie enthält sämtliche bibliografischen Informationen über jeden Titel, der in der Bibliothek vorhanden ist. Jedes Modul speichert oder sucht seine Informationen in der BDB.

Die bibliografische Datenbank arbeitet auf der Grundlage einer relationalen Datenbank und umfaßt eine Vielzahl individueller miteinander verbundener Dateien, wie titelspezifische Dateien (Sachtitel, Fußnoten, Bestand, Expemplare), Register der Ansetzungsformen (Titel, Verfassernamen, körperschaftliche Urheber, Serientitel, Schlagwörter, Verleger) Stichwortdateien (Titel, Verfassernamen, körperschaftliche Urheber, Serientitel, Schlagwörter), zusätzliche Zugriffsdateien (ISBN, CIP-Nr. der Deutschen Bibliothek, Signatur, Klassifikationsnummer, Lieferantennummer) und spezielle Index-Dateien (Index der ersten vier Buchstaben eines Verfassernamens, Index der Verleger, basierend auf der Verlegernummer in der ISBN).

Mobile Bibliothek bereitet noch Probleme

Alle Daten werden im System so gespeichert, daß ein direkter Zugriff möglich ist. Die Größe der Datenbank ist dabei ohne Bedeutung. Für diese Methode der Speicherung wird eine spezielle Verschlüsselungstechnik (Algorithmus) benutzt, durch die jede zu speichernde Information eine zu 98 Prozent eindeutige Identifizierung erhält.

Sobald die Umstellungsaktion beendet ist, peilen die Bielefelder als nächsten Schritt den automatisierten Katalog an. Die Zeitschriftenverwaltung und die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel für die Medienbeschaffung sollen mittelfristig gesehen ebenfalls soweit wie möglich automatisiert werden.

Probleme bereitet zur Zeit noch der Anschluß der Fahrbibliothek. Wie DV-Leiter Twistel erläutert, wird gegenwärtig untersucht, ob mit einer Datenfunk-Verbindung diese mobile Bibliothek mit Informationen so versorgt werden kann wie jede andere stationäre Bibliothek über das aufgebaute Datenfernverarbeitungsnetz. Als besonderer Benutzerservice werden nach Aussage von Twistel die künftig in den Besucherzonen aufgestellten Terminals angesehen. Der Benutzer soll seine Fragen selbst an das Terminal richten können, wenn er dies wünscht. Er entlaste damit auch das Bibliothekspersonal. Außerhalb Deutschlands bestünden hier bereits positive Erfahrungen.