Behördlicher Datenschutz ist ohne ständige Kontrolle nicht gewährleistet

Künstliche Realitäten im Computer des Staatsanwalts

28.06.1991

KIEL (gs) - Zum Teil harsche Kritik übte der schlegwig-holsteinische Datenschutzbeauftragte am Umgang der Landesbehörden mit personenbezogenen Daten. Weil häufig Verbesserungen, trotz gutem Willen der Verantwortlichen, an den hohen Kosten scheiterten, sollten Datenschutzaspekte künfitig schon bei der Planung der Systeme berücksichtigt werden.

Gegen Versuche, den Datenschutz für fehlende Erfolge bei der Terrorismusfahndung verantwortlich zu machen, hat sich der schleswig-holsteinische Landesbeauftragete für den Datenschutz, Ernst Eugen Becker, bei der Vorlage seines 13. Tätigkeitsberichts gewandt. Wer so argumentiere, verkenne die Sach- und Rechtslage oder betreibe bewußt Ablenkungsmanöver. Gerade im Bereich der Terrorbekämpfung seien im letzten Jahrzehnt die Möglichkeiten der Verfolgungsbehörden rigoros ausgebaut worden. Für weitere Einschränkungen des Datenschutzes gelte, daß der Gesetzgeber auch bei der Terrorbekämpfung die von der Verfassung gesetzten Grenzen respektieren müsse.

In diesem Zusammenhang äußerte Becker erneut Bedenken gegen den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Nach wie vor seien hier die Befugnisse der Polizei zu undeutlich formuliert und die Gefahren für die Rechte Unverdächtiger unvertretbar groß.

Bei seinen Kontrollen war Becker auf "zum Teil erhebliche Mängel" gestoßen. Sein hartes Gesamturteil: Es habe sich erneut gezeigt, "daß der Datenschutz in Schleswig-Holstein ohne Prüfungen ,vor Ort' nicht gewährleistet" sei.

Als eines der gravierendsten Beispiele nannte er die computergestützte "Geschäftsstellenautomation der Staatsanwaltschaften" (GAST). Für dieses "Aktennachweissystem", das 1983 die manuell geführten Namenskarteien ersetzte, gebe es bis heute keine Rechtsgrundlage. Schlimmer aber sei, daß die gespeicherten Informationen oft nicht den Tatsachen entsprächen. So seien mehrere Ärzte gegen die eine psychisch kranke Patientin Mordanklagen erhoben habe, bis heute und ohne selbst davon zu wissen in GAST unter "Mörder" gespeichert. Die Staatsanwaltschaft hatte damals die entsprechenden Verfahren umgehend und ohne Ermittlungen eingestellt. Doch ein Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung wegen fehlenden. Tatverdachts hätten keine Auswirkungen auf die Speicherfristen: Auch zu Unrecht Beschuldigte werden jahrelang in den Datensilos der Staatsanwaltschaft festgehalten.

In der Regel, so Becker, seien die Behörden durchaus bereit die beanstandeten Praktiken aufzugeben. Zum Teil jedoch sei es, unter anderem aus Kostengründen, ausgesprochen schwierig, an etablierten DV-Verfahren nachträglich substantielle Änderungen durchzusetzen. Um unnötige Kosten zu vermeiden, müsse der Datenschutz künftig stärker in die Planungsphase einbezogen werden. Anzustreben sei eine umfassende Technikfolgenabschätzung, damit nicht immer mehr DV-Verfahren eingeführt werden "ohne daß die Folgen für Staat und Gesellschaft, aber auch für jeden einzelnen überschaubar wären".