Facebook und Google als Vorreiter

Künstliche Intelligenz ersetzt den Menschen - oder?

11.08.2016
Von 


Thomas Klauß hat mehr als 20 Jahren Expertise in der strategischen Planung, Konzeption, Lösungsentwicklung, dem Projekt- und Wissensmanagement bei unterschiedlichsten Profit- und Non-Profit-Organisationen inklusive Stadt & Bund. Zur digitalen Transformation hat er neben zahlreichen Projekten auch mehrere Dutzend Buchbeiträge, Artikel, Vorträge, Studien sowie die Monographie „Verbände digital“ verfasst. Er ist Mitglied in verschiedenen Gremien u.a. auch der Bundesregierung und als Gastdozent tätig.
Thomas Klauss erörtert in diesem Artikel die Optionen, die der Menschheit durch die Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Robotik bevorstehen. Er vertritt die Meinung, dass KI bei weitem nicht mit menschlicher gleichzusetzen ist - und vielleicht auf lange Sicht auch nicht sein wird.

Künstliche Intelligenz (KI), insbesondere das Teilgebiet maschinelles Lernen, ist eine der wichtigsten Grundlagen der modernen Robotik. Google beziehungsweise Alphabet und Facebook investieren zusammen Hunderte Millionen von Dollar in die Erforschung und Entwicklung lernender Maschinen. Die Jahre 2012/13 markieren einen entscheidenden Wendepunkt in der vorher etwas aus dem Blickfeld geratenen KI: Mit den ersten mehrschichtigen Neuronalen Netzen gelang ein großer Sprung in der Leistungsfähigkeit von Lernalgorithmen.

Maschinelles Lernen, lernende Maschinen

Der zurzeit wohl leistungsfähigste Lernalgorithmus ist der von Google akquirierte: "deep Q". 2016 gewann mit ihm die erste Maschine gegen den weltbesten Spieler im komplexen asiatischen Spiel Go - und zwar sehr deutlich. Der Großmeister meinte nach der Partie, Deep-Q könnte Go auch gegen sich selber spielen lassen und dabei noch besser werden, als wenn er mit Großmeistern trainiert werden würde. Go gilt als mathematisch-analytisch komplexestes Spiel der Welt (komplexer als Schach), bei dem aber auch Intuition und Kreativität eine Rolle spielen.

Eine einfache Demo zeigt, wie ein vereinfachtes, auf dem Basisalgorithmus von Deep Q basierendes, lernendes neuronales Netz arbeitet: Ein Agent, beispielsweise die Roboter-Hand, führt eine Aktion in seiner Umwelt aus, wie etwa das Greifen eines Gegenstandes, und bekommt daraufhin eine Rückmeldung in Form des Greifergebnisses (erfolgreich oder daneben?).

Wie funktioniert KI
Wie funktioniert KI
Foto: Thomas Klauss

Zusammen mit genaueren Zustandsbeschreibungen wie etwa, wo war die Position des Arms beim Greifen, was registrieren die Kameras des Roboters (drüber, links oder rechts daneben?), wird ein neuer Versuch gestartet. Für jede Aktion und Rückmeldung gibt es bestimmte Muster aktivierter Neuronen; Muster verstärken sich durch positive und schwächen sich durch negative Rückkopplungen.

Allgemeine Intelligenz ist nicht simulierbar

Aus Sicht der KI kann der Algorithmus auf beliebige Aufgaben angewandt werden, weil die Analyse der Daten unabhängig von der Art der Daten reagiert. Sie basiert ausschließlich auf deren mathematischer Anordnung. Nichtsdestotrotz müssen auch Maschinen mit State-of-the-art-Verfahren für bestimmte Aufgaben eingerichtet und trainiert werden. Sie können keine dem Menschen vergleichbare, allgemeine, flexible Intelligenz simulieren.

Können Algorithmen Bewusstsein generieren?

Ob solche Algorithmen in Zukunft autonom intelligent agieren könnten und am Ende gar so etwas wie Bewusstsein dabei herauskommt? Einige Ingenieure und ihnen nahestehende Hardliner unter den Naturwissenschaftlern wie Ray Kurzweil glauben das: Sie betrachten Geist und Bewusstsein als etwas, das "irgendwie" aus informationsverarbeitenden Systemen entsteht, wenn sie nur komplex genug sind. Dabei spiele es keine Rolle, ob diese Systeme künstlich von Menschen oder anderen Maschinen entstanden sind. Oder in Jahrmillionen aus der Evolution.

Sicher, Kurzweil hatte mit einigen Prognosen Recht. Die stützten sich aber alle auf eine exponentielle Steigerung von Rechenleistung. Bewusstsein ist jedoch kein Ergebnis von Rechenleistung, Big Data oder intelligenten Algorithmen. "‘Deus ex machina‘" ist ein antiker Mythos." (1)

Auch muss man Prognosen aus Richtung der Transhumanisten, zu denen auch Kurzweil zählt, mit Vorsicht interpretieren. Diese Gruppe betrachtet Geist und Bewusstsein nur als naturwissenschaftlich beschreibbare und somit potenziell simulierbare Phänomene. Mit diesem konstruktiven Ansatz operierende Projekte lassen sich leichter finanzieren. In diesem Sinne sind auch die in den USA zum Kulturgut gehörenden Weltveränderungsphilosophien zu verstehen.

Logisch denkbar? Wohl kaum.

Es spricht weit mehr dagegen, dass Maschinen Bewusstsein entwickeln können, als dafür. Man stelle sich vor, dass ein menschliches Hirn in der Lage sein sollte, eine komplette Kopie von sich selbst zu erstellen - logisch ist das nicht denkbar. Die Frage, ob und wie Maschinen denken lernen können, lässt sich ohne philosophische Grundannahmen nicht beantworten.

Von der künstlichen Intelligenz zum künstlichen Bewußtsein?

Die philosophische Richtung mit der größten Schnittmenge zur KI-Forschung - insbesondere der neuronalen Netze - ist der auch in der Hirnforschung verbreitete Radikale Konstruktivismus. Einer der Vertreter ist der Physiologie-Professor Humberto R. Maturana am Biological Computer Laboratory der Universität Illinois Ende 1970 mit seiner Arbeit "Biology of Cognition".

Demnach ist die sich uns darstellende Wirklichkeit ein rein kognitives Objekt, dem keine erfahrbare äußere Wirklichkeit entspricht. Mit anderen Worten: Wir leben mit und in einem Modell der Welt, das nur in uns und nicht außerhalb von uns zu finden ist. Wahrnehmung ist demnach nicht das Tor, durch das die Welt in uns eintritt, sondern genau anders herum: Unser Denken produziert Wahrnehmungen, die uns als Welt erscheinen. In "Matrix" wurde diese Philosophie verfilmt.

Warum dieser Ansatz generell für die digitale Entwicklung prädestiniert ist, zeigt sich plastisch in den Entwicklungen zur Virtual und Augmented Reality: Erdachte Objekte werden unserer Wahrnehmung als reale vorgegaukelt. Diese Technologie simuliert somit einen Teil unserer Vorstellungs- und Wahrnehmungsfähigkeiten.

In der künstlichen Intelligenz versucht man, Virtualisierung auf bisher dem Menschen und zum Teil auch anderen Lebewesen vorbehaltene Fähigkeiten auszudehnen. Dazu gehören Denken (Kognition) und Lernen.