IT im Bauwesen/Koordinieren für die Neue Messe München

Künftig Datenpools zum Handling von Großprojekten

22.11.1996

"So wird man künftig Großprojekte abwickeln", meint DV-Mann Rudolf Juli. Die Daten würden ähnlich wie bei Client-Server-Architekturen organisiert. Das heißt, auf einem zentralen Groß-Server, dem Datenpool, werden sämtliche Zeichnungen, Pläne und Daten der beteiligten Planer gespeichert und archiviert. Die Fachplaner haben via ISDN Verbindung zu diesem Pool und können sich die benötigten Daten herunterladen. Anschließend bearbeiten sie diese in ihren Büros mit der eigenen Fachapplikation und stellen die Ergebnisse dann via ISDN-Leitung wieder in den Datenpool.

Das Planungsbüro Obermeyer Planen und Beraten hat dieses Konzept erstmals zur Planung der Neuen Messe München 1993 eingesetzt. Mit Erfolg, wie Juli feststellt: "So läßt sich der Datenaustausch gut organisieren und das sonst unvermeidliche Chaos umgehen."

Entstanden ist die Idee des Datenpools Ende 1992. Mitte 1993 richtete man ihn erstmals ein und nahm damit die komplette Objektplanung für die Neue Messe München in Angriff. Auch zur Planung des neuen Hypo-Bank-Gebäudes in München haben die Objektplaner einen derartigen Datenpool angelegt.

"Ausgangspunkt der Überlegungen war, daß alle 15 Fachplaner, die an der Neuen Messe beteiligt waren, über eigene DV-Lösungen für ihre Aufgaben verfügen", erklärt Juli. "Damit lag es nahe, alle Daten in digitalisierter Form weiterzugeben, um Doppelarbeit und Eingabefehler zu vermeiden."

Die Objektplaner der verschiedenen Messehallen und jeweiligen Verbindungsbauten des neuen Messeareals richteten schließlich den Pool ein, der zur zentralen Anlaufstelle und zum Koordinationszentrum wurde. Der Aufbau, die Pflege und Überwachung des Zentralrechners wurden ebenso übernommen wie der Support für die unterschiedlichen Fachplaner.

Kernstück der Hardware war ein Großrechner, auf dem inzwischen über 30 GB Datenspeicher für das Messeprojekt belegt sind. "Der Vorteil dieses Rechners war, daß er entschieden mehr Datensicherheit garantierte als PCs", so Juli. Die Verwaltung der Daten lief über eine SQL-Datenbank. Damit waren auch Suchläufe nach Dateinamen oder einzelnen Einträgen möglich.

Die Fachplaner mußten nur, soweit nicht schon vorhanden, leistungsfähige PCs und ISDN-Anschlüsse realisieren. Auch der Auftraggeber sollte über ISDN Zugriff auf den Datenpool haben. Mit entsprechenden Programmen und einem Plotter konnte sich jeder Partner jederzeit den aktuellsten Planungsstand ausgeben lassen.

Die Wahl eines einheitlichen Formats für den Datenaustausch war problemlos. Rudolf Juli: "Zwölf der 15 Planer verfügten über Autocad. Daher war die Wahl von DWG-Release 12 kein großes Problem." Die übrigen drei mußten ihre Daten jeweils in dieses Format konvertieren. "DWG und DXF sind momentan vor allem international die gebräuchlichsten Austauschformate", so der DV-Leiter weiter. Darüber hinaus mußten sich die Partner noch auf eine Reihe weiterer Standards einigen, etwa auf Layer, Textfonts oder ein einheitliches Koordinatensystem. All diese Vereinbarungen wurden in einem Projekthandbuch festgelegt. Jeder Planer war verpflichtet, die Standards einzuhalten. Als zentraler Poolpfleger achtete Obermeyer auf die Einhaltung dieser Konventionen.

Neben der Wahl des Schnittstellen-Formats war der Aufbau des Pool-Layer-Konzepts ein weiterer wesentlicher Schritt, um die Daten für die Partner sinnvoll zu gliedern. Schließlich arbeitet nahezu jedes Büro mit einem eigenen Layer-Konzept, das auf die eigenen, sehr speziellen Bedürfnisse abgestimmt ist. Ein Planungspartner, der mit den übergebenen Daten weiterarbeiten soll, braucht davon aber nur einen geringen Teil der darin enthaltenen Informationen.

Das Layerkonzept des Datenpools ist deshalb nicht die Summe der Layer aller Planungspartner, sondern es beschränkt sich auf eine wesentlich geringere Zahl, die zum vernünftigen Handhaben der Daten und ihrer Unterscheidung ausreichend ist. Der Pool ist zwar die Summe aller Informationen, aber nicht die Summe aller Layer. So interessieren den Fachplaner für Heizung nicht die Detailunterscheidungen des Elektroplaners. "Da reicht es zu wissen, daß der entsprechende Teil des Plans vom Elektropartner stammt."

Für die Fachplaner sah die Arbeit folgendermaßen aus: Der Planungspartner, zum Beispiel der Architekt, baute zunächst die Verbindung auf und lud die nötigen Daten auf seinen Rechner. Bei Bedarf konvertierte er sie in sein Format und konnte anschließend in seiner gewohnten Umgebung damit planen.

Hatte seine Arbeit einen gewissen Stand erreicht, speicherte er den fertigen Plan zunächst auf seinem Rechner. Bevor er ihn nun in den Pool stellen konnte, mußte er zunächst sämtliche Xrefs (External References) binden und die Layer auf das Poolformat konvertieren. Unter Umständen folgte noch eine Konvertierung in DWG, ehe der Architekt dann den Plan via ISDN in den Pool einstellen durfte.

Dort wurden die Informationen in einen bestimmten Bereich eingelesen und waren ab diesem Zeitpunkt schreibgeschützt. "Das heißt, jeder Planer konnte sich die Daten ansehen und kopieren, aber keiner, nicht einmal der Architekt selbst, konnte sie noch mal verändern", erklärt Rudolf Juli.

Änderungen konnten nur als neue Version eingestellt werden, wobei die alten Dateien automatisch in das Archiv wanderten, wo sie blieben. Das bietet mehrere Vorteile: Zum einen bleiben wirklich alle Daten restlos erhalten, zum anderen ist so eine lückenlose Dokumentation möglich. Dadurch können alle Phasen der Planung jederzeit rekonstruiert werden.

Die Ablage und das Einsortieren der Daten eines Planungsstands, der dem Inhalt eines Plans entspricht, geschah nach dem Inhalt des dazugehörigen Planstempels. Bei der Vorbereitung der Informationen für den Datenpool wurden die Begriffe des Planstempels, etwa Erstellerbüro, Plannummer, Planindex und Bauteil, ausgelesen und als Begleit-File zu den Planungsdaten gespeichert.

Nach diesen Begriffen wurden die Daten eingeordnet und konnten wieder aufgerufen werden. Man kann sich zum Beispiel eine Liste aller Pläne eines bestimmten Planungsstands anzeigen lassen, etwa von der Werkplanung des dritten Obergeschosses im Bauabschnitt C, um dann einen bestimmten Plan auszuwählen.

Die Probleme in der Umsetzung hielten sich Juli zufolge in Grenzen. "Gezwickt und gezwackt hat es schon ab und zu, aber grundlegende Schwierigkeiten gab es nicht." So blieb insgesamt ein positiver Effekt an Qualitätssteigerung, übersichtlicher Organisation, Zeitersparnis und Vereinfachung, der auch den finanziellen Aufwand rechtfertigte.

Dennoch bleiben noch viele Wünsche für künftige Datenpools offen. Der erste Hemmschuh sind die Schnittstellen. Zu viele Informationen zwischen Fremdsystemen gehen verloren und erzwingen einen erhöhten Aufwand. "Die Programme sind besser geworden, nur die Schnittstellen sind die alten geblieben", klagt Juli. Eine gemeinsame, wachsende Datennutzung mittels objektorientierter Datenmodelle, wie sie derzeit von der Internationalen Allianz für Interoperabilität (IAI) mit den Industry Foundation Classes (IFC) erarbeitet werden, sei daher dringender denn je.

Daneben müßten auch die Möglichkeiten für das Facility Management (FM) und die Anwendungen für Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) genutzt werden. Gerade für das FM könnte schon jetzt einiges getan werden, da ein Großteil der benötigten Daten bereits im Pool vorhanden ist. "Man müßte am Schluß fehlende Daten für die Haustechnik wie Geräte, Fabrikate, Wartungszeiten und Garantiezeiten ergänzen und einarbeiten. Dann wäre auch FM möglich", so der Manager. Hier sei aber weniger die Software das Problem als vielmehr der Auftraggeber. "Diese Möglichkeiten müßten bereits während der Planung berücksichtigt werden", fordet Juli, "aber so weit denken die Auftraggeber selten.

Neue Messe München

Der Bau der Neuen Messe München auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens München Riem, der insgesamt rund 2,3 Milliarden Mark kostet, ist für die Isar-Metropole das größte Projekt nach den Bauten für die Olympischen Spiele 1972.

Nach den Planungsarbeiten im Jahr 1993 erfolgte Anfang September 1994 der erste Spatenstich. 1998 wird der erste Bauabschnitt abgeschlossen. Dann werden 140000 Quadratmeter Hallen-Bruttoausstellungsfläche mit zwölf Messehallen (jeweils 11000 Quadratmeter), die Kleinhalle West (4000 Quadratmeter) als abtrennbarer Bestandteil für den Kongreßbereich sowie weitere 4000 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Bereich des Haupteingangs Nord vollendet sein. Im zweiten Bauabschnitt soll die Hallenkapazität auf insgesamt 200000 Quadratmeter ausgeweitet werden.

Die Objektplanung liegt bei der Planungsgemeinschaft Neue Messe München, die aus dem Architekturbüro Professor Kaup, Scholz und Partner sowie Obermeyer Planen und Beraten besteht. Die künstlerische Betreuung übernimmt die Architektengemeinschaft Bystrupp, Bergenhoj und Partner, Kopenhagen, die den Realisierungswettbewerb zur Messeplanung gewonnen hat.

Planungsbüro

Neben der Zentrale in München hat Obermeyer neun Niederlassungen sowie nationale und internationale Beteiligungen in Prag, Ankara und Peking. Das Büro bietet seine Dienstlei- stungen in den Bereichen Hochbau, Verkehrsinfrastruktur, Ingenieurbau, Umweltschutz und technische Ausrüstung an sowie in Sondergebieten wie Wasserwirtschaft und Streckenausrüstung für die Bahn.

Angeklickt

15 Fachplaner eines Großprojekts einer Großstadt sollten koordiniert werden. Die Idee eines Datenpools konnte umgesetzt werden, ohne daß es größerer Veränderungen der jeweiligen DV-Landschaften der unterschiedlichen Fachplaner bedurft hätte. Das Münchner Projekt, es handelt sich um die Planung der Neuen Messe München, könnte sich als zukunftsweisend herausstellen.

*Christan Kvech ist Journalist in München.