Wann ein blauer Brief als zugestellt gilt

Kündigung nur bei Fristeinhaltung wirksam

18.06.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Machtbereich des Arbeitnehmers

Die Richter des BAG wiesen in ihrer Urteilsbegründung darauf hin, dass eine Kündigung unter Abwesenden erst dann zugeht, wenn sie verkehrsüblicherweise in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt ist, sodass dieser unter den gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit hat, hiervon Kenntnis zu nehmen. Dabei sei es ebenso möglich, Kündigungsschreiben auch an solche Personen zu übergeben, die mit dem Arbeitnehmer in einer Wohnung zusammenleben und aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten als geeignet erscheinen, das Schreiben an den Arbeitnehmer weiterzuleiten.

Vor allem Ehegatten seien als solche zulässigen Empfangsboten anzusehen. Die BAG-Richter sahen es des Weiteren auch nicht als hinderlich an, dass das Kündigungsschreiben dem Ehemann an dessen Arbeitsplatz und damit außerhalb der ehelichen Wohnung übergeben worden ist. Denn nach ihrer Ansicht sei allein entscheidend, dass unter den normalen Umständen nach der Rückkehr des Ehemanns in die gemeinsame Wohnung mit einer Weiterleitung des Kündigungsschreibens an die Klägerin noch am gleichen Tag gerechnet werden konnte.

Insoweit wiesen die BAG-Richter auch noch das Argument der Klägerin zurück, wonach die Eigenschaft ihres Ehemanns als "externer Briefkasten" nicht mit dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG zu vereinbaren sei, weil sich ihr Verheiratetsein als ein erheblicher Nachteil gegenüber Nichtverheirateten oder Lebenspartnern herausstelle (denn dort gäbe es nach der Ansicht der Klägerin keine entsprechende Verkehrssitte). Hierbei betonten die Richter nämlich, dass sämtliche in der Wohnung des Kündigungsempfängers lebenden erwachsenen Haushaltsmitglieder als solche Empfangsboten fungieren könnten, d. h. also auch unverheiratete Lebenspartner. Nach alledem bestätigten die Richter die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 29.02.2008 und nicht erst zum 31.03.2008 (BAG, Urteil vom 09.06.2011, Az.: 6 AZR 687/09).

Im vorliegenden Fall ist die Zustellung der Kündigung im sprichwörtlichen Sinne also noch einmal gut gegangen. Aber was wäre passiert, wenn der Ehemann die Annahme des Briefes verweigert hätte? Die BAG-Richter ließen in ihrer Urteilsbegründung durchblicken, dass dann nicht mehr von einem rechtswirksamen Zugang noch am 31.01.2008 hätte gesprochen werden können. Arbeitgeber sollten daher bei der Zustellung der Kündigung eines Arbeitsvertrages erhebliche Sorgfalt walten lassen: