Kritiker befürchten das Entstehen neuer Insellösungen, aber:CIM ist langfristig nur durch Kl zu erreichen

04.12.1987

Computer Integrated Manufacturing (CIM) und Künstliche Intelligenz (Kl) sind zwei Reizworte, die in der DV-lndustrie heftig diskutiert werden. Einer der Hauptkritikpunkte lautet, Kl-lnstallationen im Fertigungsbereich könnten wiederum zu neuen Insellösungen führen, die man mit CIM zu überwinden glaubte. Dem steht die Meinung entgegen, das Ziel CIM bedinge sogar den Einsatz von Systemen der Künstlichen Intelligenz.

Abhängig vom individuellen Standpunkt hat die Definition des Begriffs "CIM" ein sehr breites Spektrum. Die wohl engste Sicht ist die, daß es sich beim Computer Integrated Manufacturing nur um eine modische Spracherweiterung und die datenmäßige Integration der Anwendungen CAD und DNC (CAM) handle. Praxisbeispiele belegen, daß dies nicht zutrifft. Eine wesentlich breitere Sicht ist also vonnöten.

Ein anderer Ansatz ist es, von sogenannten "Automatisierungsinseln " zu sprechen, die in vier Gruppen eingeteilt werden: CAD/CAM, Fertigungsplanung und -kontrolle, Fabrikautomation sowie Office Automation. Aus dieser Perspektive ergibt sich die Forderung nach der Integration der Gruppen von Fertigungsinseln. Außerdem gibt es erfahrungsgemäß weitere Funktionen innerhalb eines Unternehmens, wo Daten produziert oder gespeicherte Informationen genutzt werden.

Daten-Management ist das Rückgrat von CIM

Der technologische Unterbau von CIM beruht auf drei Säulen:

- Der physikalischen Kommunikations-Struktur des Unternehmens und dem jeweiligen Transaktions-Management (SNA, DECNet, MAP, ISDN).

- Der Datenstruktur und ihres Managements (Datenbanken, Abfrage- und Manipulations-Schnittstellen). Die Wichtigkeit der Datenbank-Funktionalität, die Möglichkeit mehrere konkurrierende Sichten von Information aus einem Datenteil zu gewinnen, kann in diesem Zusammenhang nicht genug betont werden. Das Daten-Management ist das Rückgrat jeder CIM-Lösung.

- Der unterschiedlichen Computer-Anwendungen, die entweder vollautomatisch steuern, transformieren, analysieren und entscheiden oder aber zur Entscheidungsfindung unterstützend wirken. Genau hier können wissensbasierte Systeme eine wesentliche Rolle in der Zukunft spielen, denn KI kann qualitativ bessere Lösungen bieten als konventionelle Datenverarbeitung, die bisher nur ausschließlich das Mengenproblem bei der Entscheidungsfindung gelöst hat. KI-Programme bringen qualitativ bessere Lösungen hervor, und sie können ihre Entscheidungsfindung erklären.

Man unterscheidet gemeinhin zwei unterschiedliche Formen von Wissen, nämlich deklaratives und prozedurales Wissen. Prozedurales Wissen und seine Repräsentation in wissensbasierten Systemen führt zu einer völlig anderen Art der Darstellung von Dingen und ihrem Verhalten, als dies in konventionellen Datenverarbeitungsprogrammen und Sprachen möglich ist.

KI-Sprachen wie Lisp unterscheiden nicht zwischen Daten und Programmen, das "Programm" ist eingebettet in ein "Object" und wird durch ein "Send Message" an das "Object" aktiviert und ausgeführt. Ein Programm kann somit als individuell definierte Komponente angesehen werden, deren Aktionen in einem "Object Oriented Environment" durch Senden von "Messages" zwischen "Objects" initiiert werden.

Diese Art der Wissensverarbeitung bedarf einer Repräsentations-Sprache, die auch von Nicht-Programmierern verstanden und angewandt werden kann (Frame Based Repräsentation). Ein "Frage" ist ein strukturiertes Format für die Repräsentation eines "Objects" und ist in einem Klassenkonzept organisiert. Viele der neueren wissensbasierten Systeme sind rein objektorientiert programmiert. In anderen Systemen wird die Wissensrepräsentation durch "Regeln" ergänzt.

Objektorientiertes Programmieren hat zur Entwicklung des Modellbasierten Schlußfolgerns geführt, das davon ausgeht, ein "Modell" der Wirklichkeit im Computer nachzubilden und dieses dann für weitere unterschiedliche Operationen zu verwenden. So ist es mit "Model Based Reasoning" möglich, zum Beispiel Diagnose-, Konfigurations- und Simulationsanwendungen mit dem gleichen "Modell" zu erstellen. Es werden also multiple Anwendungen möglich, somit ergibt sich ein wesentlicher Fortschritt bezüglich Konsistenz und Entwicklungsgeschwindigkeit.

Ein Expertensystem ist ein Programm, das Probleme in einer dem menschlichen Vorgehen ähnlichen Weise löst, weil es in der Lage ist, auf gespeichertes Expertenwissen zuzugreifen und dem Menschen (Experten) ähnliche Schlußfolgerungen zu ziehen. Es gibt sicherlich Expertensysteme, die in konventionellen Programmiersprachen geschrieben sind, jedoch ist die Mehrzahl der Systeme mit Hilfe von KI-Technologien entstanden. Eine wichtige Komponente dieser Expertensysteme ist die Fähigkeit, den Entscheidungsprozeß zu erklären.

Die meisten der bisher entwickelten Expertensysteme sind Entscheidungs-Unterstützungs-Systeme, die einen geringen Beitrag zur Automatisierung im Unternehmen leisten. Ihr Sinn liegt eher in der qualitativen Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen.

Gerade in der Fertigungstechnik ist die Technologie der Simulationssysteme sehr weit fortgeschritten. Simulation wird heute eingesetzt in Bereichen wie Produktions-Layout, Durchlaufzeit-Simulation oder Engpaß-Untersuchungen. Welche Verbesserung kann nun durch den Einsatz von KI-Technologien erzielt beziehungsweise erwartet werden?

Eine negative Antwort gleich vorneweg: Bei der Untersuchung sehr komplexer Modelle mit einer großen Anzahl von zu untersuchenden Parametern hilft der Einsatz von Kl-Simulationswerkzeugen derzeit noch nicht. Quantitative Aufgaben sind heute noch nicht die Stärke dieser Technologie. Wenn es jedoch darum geht, kleine bis mittlere Modelle transparenter zu machen, wenn Flexibilität ein Kriterium ist, wenn "Animation" zur Verdeutlichung beitragen kann, dann sind Kl-Simulationssysteme konventionellen Programmiersprachen bei weitem überlegen.

Grundbaustein solcher Kl-Simulationswerkzeuge ist ein Computermodell der Wirklichkeit. Dieses kann identisch mit dem in anderen Kl-Anwendungen benutzten Modell sein. Somit kann ein einmal erstelltes Modell mehrfach genutzt werden, unter anderem eben für Simulationsaufgaben. Da beide Techniken das gleiche Modell und die gleiche Programmiertechnik, benutzen, können sie ziemlich einfach miteinander kombiniert werden.

Daß es bisher sehr wenige dieser kombinierten Anwendungen gibt, widerspricht dieser These nicht; belegt wird jedoch, daß der Einsatz dieser Techniken erst am Anfang steht und eine große Chance bedeutet.

(wird fortgesetzt)