Kritik an sogenannter Scheinselbständigkeit

Kritik an sogenannter Scheinselbständigkeit BVB fordert Bundesregierung zu Ausbildungsoffensive auf

26.03.1999
HANNOVER (CW) - Die IuK-Branche kann ihrer Rolle als Wachstumslokomotive der deutschen Wirtschaft nur bedingt gerecht werden - weil tausende ausgebildeter Fachkräfte fehlen. In den Chor der Standortkritiker reihte sich auf der CeBIT auch der Bundesverband Informations- und Kommunikationssysteme e.V. (BVB) ein.

Nach Angaben des BVB könnten allein in diesem Jahr rund 100000 neue Arbeitsplätze in der hiesigen IuK-Industrie geschaffen werden, wenn der Arbeitsmarkt, beziehungsweise Hoch- und Fachhochschulen, ein entsprechendes Potential an ausgebildeten Fachkräften bereitstellen würden. Allein bei den deutschen IT-Herstellern und -Dienstleistern seien derzeit 25000 offene Stellen unbesetzt, hieß es auf der CeBIT.

BVB-Vorstandsvorsitzender Willi Berchtold richtete deshalb erneut einen Forderungskatalog an die Bundesregierung. Die Politik müsse, so der Verbandschef, "in die Ausbildung von Nachwuchskräften investieren anstatt die Software-Industrie mit Fördermitteln zu unterstützen". Daher appelliere seine Organisation beispielsweise an das Bundesforschungsministerium, die Mittel von rund 30 Millionen Mark, die zur Anschubfinanzierung kleinerer und mittlerer Unternehmen der IuK-Branche vorgesehen sind, in Aus- und Weiterbildungsinitiativen umzuleiten. "Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen ist so groß, daß bereits zu Beginn dieses Jahres 6000 entsprechende Angebote in den neuen IuK-Berufen fehlen", unterstrich Berchtold den dringenden Handlungsbedarf.

Kritisch setzte sich der BVB-Chef auch mit den zum 1. Januar geänderten Vorschriften in der Sozialversicherung auseinander, die das Thema Scheinselbständigkeit betreffen. Als Scheinselbständige gelten demnach Erwerbstätige, die vertraglich als Selbständige behandelt werden, de facto aber wie abhängig Beschäftigte arbeiten. Laut Gesetzgeber beschäftigen sogenannte Scheinselbständige keine Angestellten, verfügen über kein nenneswertes Eigenkapital und arbeiten überwiegend oder ausschließlich für einen Arbeitgeber. "Das betrifft insbesondere die Freelancer, die im Projektgeschäft der IuK-Branche tätig sind", kommentierte Berchtold die Gesetzesnovellierung. Allein die vom BVB vertretenen Unternehmen beschäftigten derzeit rund 28 000 solcher freier Mitarbeiter. Berchtold forderte die Bundesregierung auf, diesen Passus im Sozialversicherungsrecht wieder zu streichen oder Sonderregelungen zuzulassen.