Kriterien für die Auswahl von Standard-Software

05.03.1976

Die Frage "Software - Make or buy?" wird von Firmen mit geringer Programmierkapazität öfter mit einem "Ja" für Kauf beantwortet, wogegen Unternehmen, deren Organisation sich angeblich nicht standardisieren läßt, ihre Software selbst erstellen. Welcher Lösung der Vorzug gegeben wird, hängt nicht zuletzt von den Etat-Vergaben sowie von der Personalkapazität ab.

Über ihre Entscheidungsfindung und Erfahrungen auf diesem Gebiet berichten vier Anwender von Standard-Software-Paketen. - sf

Hermann Engstler, Leiter des Rechenzentrums, W. Schulze, Großhandel, Kiel

Beim Einkauf von Anwendersoftware gehen wir wie folgt vor:

Aus den Auswahlmöglichkeiten werden von unseren EDV-Abteilungen die Programm-Pakete aussortiert, die auf unserer Anlage NCR Century 201 einsetzbar sind (Cobol oder Veat/3). Dann wird vor allem geprüft, ob das Paket mehr bietet, als wir benötigen, und wie hoch der Anpassungsaufwand ist. Wir sind in der Regel nicht bereit, Überdeckung und Anpassungsaufwand besonders zu honorieren. Die Anpassung an unsere Hardware nehmen wir allerdings selbst vor. Wenn es wirtschaftlich Betretbar ist, sollte eine Probeinstallation möglich sein.

Der Preis der Fremdsoftware muß niedriger sein als unsere eigenen Entwicklungskosten, die wir sehr gut -abschätzen können. Nur wenn der Preis höchstens die Hälfte der eigenen Entwicklungskosten erreicht, ist das Paket für uns interessant, da für

uns ja auch noch Hardware-Anpassungskosten entstehen.

Als negative Erfahrung möchte ich noch erwähnen, daß als Anpassungsaufwand in der Organisation manchmal bis zu 200 Prozent des angegebenen Preises verlangt werden, vor allem deshalb, weil viele Pakete nicht anpassungsfreundlich genug sind.

Gute Erfahrungen haben wir mit dem Ankauf eines kompletten Software-Paketes bei einem Service-Rechenzentrum gemacht. Diese Software ist preisgünstig, schnell lieferbar, anpassungs- und änderungsfreundlich.

Klaus Ruggaber, Referatsleiter EDV/ORG Fraunhofer-Gesellschaft, München

Die Anforderung des Vorstandes, bei der die Frage des Einsatzes von Fremd-Software aufgeworfen wurde, lautete: "Einführung eines Informationssystems im Bereich Buchhaltung/Kostenrechnung." Dabei stand als Randbedingung neben der Wirtschaftlichkeit der Projektrealisierung auch die kurzfristige Projektimplementierung. Da wir bis zu diesem Zeitpunkt in der Zentralverwaltung keine EDV eingesetzt hatten, waren die Weichen für den Einsatz von Fremd-Software praktisch bereits gestellt, da weder eigene Programme beziehungsweise Programmbausteine zu beachten waren noch eigene Programmierkapazität zur Verfügung stand.

Das weitere Vorgehen war dadurch bestimmt, aus dem überaus reichlichen Angebot an Standard-Programmen das für unsere Anforderungen geeignete auszuwählen. Während dieser Phase haben wir allein für die Voranalyse eines Anbieters 50 000 Mark aufgewendet. Nach Abschluß dieses Prozesses, der für den Erfolg des Gesamtprojektes von vorentscheidender Bedeutung ist, wurde eine Kosten-/Nutzenanalyse durchgeführt, die in diesem Fall eindeutig für den Einsatz von Fremd-Software sprach und gegen den Aufbau einer entsprechenden eigenen Programmierkapazität.

In dieser Kosten-/Nutzenanalyse wurden die Kosten zu erwartender Progammanpassungen berücksichtigt. Solche Anpassungen sind bei Einsatz kommerzieller Standardprogramme unvermeidlich - sie wurden jedoch auf ein Mindestmaß beschränkt.

Ludwig Kuhn Leiter des kaufmännischen Rechnungswesens Stahlwerke Röchling-

Burbach GmbH, Völklingen

Die Organisation unserer Geschäftsbuchhaltung auf EDV wurde Anfang 1971 ausgeschrieben. Unter etwa zehn Bewerbern wurde der Firma mit dem für uns günstigsten Angebot der Zuschlag erteilt.

Seit 1971/72 werden bei uns im Bereich Datenverarbeitung für den Ablauf vor allem der Geschäftsbuchhaltung von der Firma Orga-Ratio entwickelte Standard-Programme eingesetzt. Diese Pakete sind den von uns gestellten Anforderungen gerecht geworden, das heißt, unsere Organisation wurde nicht auf die Standard-Programme ausgerichtet. Die Überleitung von erstellten Programmen zu den Standard-Programmen wurde vom Anbieter vorgenommen.

Die dadurch entstandenen zusätzlichen Anpassungskosten erhöhten natürlich den Gesamtpreis.

Wir wären sicherlich auf Grund unserer Programmierkapazität in der Lage gewesen, die benötigte Software auch selbst zu erstellen. Dagegen sprachen jedoch im wesentlichen zwei Gründe: Einmal, hätte eine Eigenentwicklung zu viel Zeit in Anspruch genommen (ein bis zwei zum anderen sind unsere Programmierer ohnehin ausgelastet

Hans Kober Abteilungsleiter EDV, Wacker Chemie GmbH, München

Grundsätzlich wird jedem Projekt der Einsatz von Standardsoftware als gleichberechtigte Alternative zur Eigenentwicklung von Programmen in Betracht gezogen. Diese Überlegungen finden bereits in der Voranalyse für ein Projekt statt, da sie ganz wesentliche Aussagen über, Kosten und Dauer eines Projektes liefern. Damit ist auch bereits das wesentliche Kriterium für die Auswahl von Standardsoftware genannt: Nämlich die Kosten, die in Gestalt von Software als wesentlicher Bestandteil eines jeden EDV-Projekts auftreten. An erster Stelle sind dabei folgende Fragen zu beantworten:

1. Ist das benötigte Fachwissen (anwendungsbezogen in der Fachabteilung) qualitativ in dem geforderten Zeitrahmen verfügbar?

2. Kann nach Abschluß der Systemspezifikationen ausreichend Programmierkapazität zur Verfügung gestellt werden?

Neben diesen beiden Kriterien werden selbstverständlich alle anderen Merkmale,

die von einer guten Standardsoftware gefordert werden, in Betracht gezogen. Dazu gehören eine gute Dokumentation genauso wie die Beantwortung der Frage, wie sich ein Programmpaket in das Gesamt-EDV-Konzept einordnen läßt. Programmiersprache, Betriebssystem und Wartungsfrieundlichkeit sind hier die Hauptkriterien. Eine große Rolle spielt auch der eventuell erforderliche Anpassungsaufwand. Dazu muß leider festgestellt werden, daß die meisten auf dem Markt angebotenen Standardsoftwarepakete eines hohen Anpassungsaufwandes bedürfen, da sie in den seltensten Fällen mit Blickrichtung auf den vorhandenen oder möglichen Markt, sondern für einen einzelnen, speziellen Kunden und dessen Bedürfnisse entwickelt wurden.