Klarer Fall von Altersdiskriminierung

Kriegen ältere Mitarbeiter mehr Urlaub?

15.06.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Unzulässige Benachteiligung

Die Klägerin fühlte sich durch diese tarifliche Urlaubsregelung, die nach dem Merkmal "Alter" differenziert, unzulässig diskriminiert und erhob vor dem Arbeitsgericht eine Klage.

Die Richter des LAG Düsseldorf gaben der Klägerin hierbei Recht und erkannten (wie bereits schon die Vorinstanz), dass sie durch die Urlaubsregelung wegen ihres Alters diskriminiert wurde. Nach Ansicht der Richter war die nach dem Alter unterscheidende Regelung nicht entsprechend dem § 10 AGG gerechtfertigt. Es fehle insoweit an einem legitimen Ziel für diese Ungleichbehandlung. Dieses Ziel hätte in dem Tarifvertrag oder zumindest in dessen Kontext Anklang finden müssen. Insoweit ließen die Richter das von der Beklagtenseite vorgebrachte Argument, wonach mit der tariflichen Regelung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden sollte, nicht durchgreifen.

Im Ergebnis billigten die Düsseldorfer Richter der Klägerin auch als Folge der unzulässigen Altersdiskriminierung nun 36 Urlaubstage und nicht nur die im Tarifvertrag vorgesehenen 34 Tage zu, also den tariflich geregelten Maximalurlaub. Insoweit wiesen die Richter darauf hin, dass sich diese Angleichung "nach oben" aus dem Gebot der effektiven und wirksamen Durchsetzung von EU-Rechtsvorgaben ergäbe (LAG Düsseldorf, Urteil vom 18.01.2011, Az.: 8 Sa 1274/10).

Die vorstehende Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, denn das LAG Düsseldorf hat die Revision zum BAG zugelassen, so dass erst einmal dessen Entscheidung abzuwarten bleibt. Allerdings spricht vieles dafür, dass das BAG diese neue Linie bestätigen wird. Daher ist vor diesem Hintergrund sowohl den Tarifvertragsparteien aber vor allem auch den Arbeitgebern anzuraten, in den Tarifverträgen bzw. in den individualrechtlichen Arbeitsverträgen künftig auf Regelungen zu verzichten, die den Umfang von Urlaubsansprüchen vom Lebensalter abhängig machen. Denn sofern eine tarifvertragliche Regelung gegen das AGG verstößt, so gilt dies erst recht für eine entsprechende arbeitsvertragliche Regelung.

Auch Berufserfahrung und Betriebstreue spielen eine Rolle

Ob die vorstehenden Grundsätze auch für die Staffelung von Urlaubsansprüchen gelten, die sich nicht nach dem Lebensalter richten, sondern an die bereits abgeleistete Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers anknüpfen, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Denn an sich lässt sich die hier in Rede stehende Entscheidung des LAG nicht unmittelbar übertragen, weil bei einer Differenzierung der Urlaubsansprüche nach der Beschäftigungsdauer durchaus die Honorierung einer Berufserfahrung und der Betriebstreue als Rechfertigung hierfür ins Feld geführt werden kann. Allerdings liegt auch zu dieser weitergehenden Rechtsfrage noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so dass auch insoweit zur Vorsicht anzuraten ist.

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Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de