Mobile Payment per Smartphone bleibt ein Wunschtraum

Kreditkarte ist mobilstes Zahlungsmittel

22.12.2015
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 ist Mitgründer und CTO der PPRO Group.
Seit Jahren spricht die Welt über „Mobile Payment“. Smartphone mit integrierten Wallets sollen Plastikgeld wie Mastercard, Visa und Co. ablösen. Doch wie viel mobiler als mit Bargeld oder Karte kann das Bezahlen eigentlich werden?
Braucht keinen Akku und ist wasserfest - eigentlich das ideale mobile Bezahlungssystem.
Braucht keinen Akku und ist wasserfest - eigentlich das ideale mobile Bezahlungssystem.
Foto:

Die einen verstehen unter Mobile Payment das Bezahlen mittels eines Mobiltelefons. Andere das möglichst mobile, von Bargeld unabhängige Bezahlen. Für mich ist Mobile Payment letzteres, wobei ich Bargeld mobiler finde als viele andere Bezahlformen. Aber lassen wir das einmal außen vor. Die "nächst-mobilste" Art des Bezahlen sehe ich in der Kreditkarte: kein Strom funktioniert immer und, wie Visa uns das so schön in der Werbung zeigt, kann man damit sogar schwimmen gehen.

Ungeeignetes Smartphone

Eignet sich das Smartphone wirklich zum mobilen Bezahlen?
Eignet sich das Smartphone wirklich zum mobilen Bezahlen?
Foto: Apple

Schauen wir uns hingegen das vielbeschworene Smartphone an. Natürlich hat man das Smartphone meistens dabei. Aber der Gros der Geschäftsreisenden auf deutschen Flughäfen zeigt uns: bei jeder Gelegenheit versuchen sie, noch einen Tropfen Saft aus irgendeiner Steckdose - und sei sie noch so gut versteckt - zu quetschen, damit Ihr Smartphone-Akku den Tag übersteht. Da bin ich mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, sich beim Bezahlen auf sein Smartphone und damit dessen Akku zu verlassen! In letzter Konsequenz würde das ja bedeuten, dass man entweder trotzdem noch eine Kreditkarte mitführen muss oder zumindest ein Ladegerät beziehungsweise eine dieser klobigen neumodischen Powerbanks, um im Fall der Fälle nicht ohne alles dazustehen. Dann stellt sich mir allerdings die Frage: wenn ich sowieso eine Kreditkarte dabei habe - warum brauche ich noch das Smartphone zum Bezahlen?

Viele werden jedoch dagegen halten: "Ja aber mit dem Smartphone kann ich kontaktlos bezahlen". Das ist nicht falsch, gilt aber ebenso für eine Kreditkarte. Denn am Ende ist das Smartphone nichts anderes als ein Medium, auf dem Kreditkartendaten gespeichert werden. Auch jede Kreditkarte kann mit einer Kontaktlos-Funktion ausgestattet werden. Im Vergleich zu einem Smartphone geht sie nicht kaputt, wenn sie einmal ins Wasser oder auf einen Betonboden fällt. Außerdem gibt es zudem NFC-Kreditkartenaufkleber, die man zum Beispiel auf ein Mobiltelefon kleben kann. Damit könnte man paradoxerweise auch das älteste Nokia-Telefon mit einer Mobile-Payment-Funktion nachrüsten.

2:0 für Kreditkarte

Viele Funktionen und daher anfällig - das Smartphone als digitaler Geldbeutel.
Viele Funktionen und daher anfällig - das Smartphone als digitaler Geldbeutel.

Bei einer kritischen Betrachtung sollte man sich durchaus bewusst machen, dass ein Smartphone eine Fülle an Funktionen in seinem Betriebssystem integriert. Dadurch liegt es in der Natur der Sache, dass es immer Sicherheitslücken geben wird, die im Extremfall sogar die Sicherheit von Zahlungsdaten gefährden. Und damit sind nicht nur die Zahlungsdaten gemeint, mit denen ein Betrüger selbst einkaufen kann, sondern auch alle Daten bezüglich des Einkaufsverhaltens des Nutzers. Jetzt denken Sie vielleicht: "Das ist ja nicht so schlimm, wenn jemand sieht was ich kaufe." Aber stellen Sie sich vor, Sie sind im Urlaub in den USA und jemand sieht aus den Daten Ihres Telefons, dass Sie gerade nur in den USA einkaufen. Wäre das nicht der richtige Zeitpunkt, Ihre Wohnung auszuräumen?

Die NFC-Welt

Seit Jahresbeginn 2016 müssen alle Terminal NFC-fähig sein
Seit Jahresbeginn 2016 müssen alle Terminal NFC-fähig sein
Foto: Ingenio

Ich verstehe nicht, weshalb die Entwicklerwelt unbedingt Bezahlfunktionen in ein Telefon einbauen will. Warum nutzen wir nicht einfach die Kreditkarte als die am weitesten verbreitete, mobilste aller mobilen und obendrein unkaputtbarste Option? Am Ende ist es doch egal, ob der NFC Chip in einer viereckigen Plastikkarte, einem Manschettenknopf, einem Ohrring oder in einem Aufkleber integriert ist; nur bei einem Smartphone erschließt sich mir der Vorteil für den Konsumenten noch nicht. Fakt ist doch:

  • Der Erfolg von Mobile Payment liegt in der Verbreitung der NFC-fähigen Terminals und der Akzeptanz von Kreditkarten bei den Händlern.

  • Lokale Kartensysteme wie zum Beispiel Carte Bleu oder girocard werden durch die europaweite Interchange-Regulierung an Bedeutung verlieren, weil der Händler seinen bisherigen Kostenvorteil verliert und gleichzeitig eine erhöhte Komplexität seiner Zahlungsprozesse in Kauf nehmen muss.

  • NFC ist schon heute der quasi-Standard und seit Jahresbeginn 2016 müssen alle POS-Terminals NFC-fähig sein.

Deutschland liebt Bargeld

Deutschland liebt Bargeld - deshalb kommt das mobile Payment nicht in Schwung.
Deutschland liebt Bargeld - deshalb kommt das mobile Payment nicht in Schwung.
Foto: Denys Prykhodov - shutterstock.com

Aber weshalb kommt das Bezahlen mit NFC in Deutschland nicht in Schwung? Technisch und strukturell gesehen steht dem mobilen und obendrein kontaktlosen Bezahlen in Deutschland prinzipiell nichts mehr im Wege - außer natürlich die Deutschen selbst. In einem Land, in dem Geiz immer noch geil ist, will der Kunde nichts für Bankleistungen bezahlen. Alles soll umsonst sein. Die Karte, das Abheben von Bargeld am Automaten, die Kontoführung, Darlehen - eben alles. In keinem anderen Land der Welt ist diese "Umsonst-Kultur" im Bankenumfeld - auch "free banking" genannt - derart ausgeprägt wie in unserem.

Eine kontaktlose Karte kostet etwa zwei Euro mehr in der Produktion. Banken bieten sie trotzdem oft nicht an, da sie Angst haben, dass ihre Kunden diesen Mehrwert nicht bezahlen wollen. Aus diesem Grund ist kontaktloses Bezahlen mit der Kreditkarte bislang noch weitgehend unbekannt in Deutschland, wohingegen es bereits heute in Ländern wie Großbritannien oder Schweden Standard ist. Nur Kreditkarten, die eine extrem hohe Nutzungsrate aufweisen, werden bereits heute NFC-fähig ausgeliefert - und das sind leider die wenigsten.

Vielleicht liegt gerade hier der Vorteil des mobilen Bezahlens via Mobiltelefon: das Aufspielen der Kreditkartendaten auf das Smartphone ist günstiger als ein NFC-Chip für die Kreditkarte eines jeden Kunden. Letztlich profitieren hier die kartenausgebenden Banken und die Anbieter der Zahlarten (also Apple, Samsung, Google und Co). Die Vorteile liegen momentan nicht auf Konsumentenseite.

Fazit

In Zukunft wird eine Kreditkarte mit NFC der Standard für mobiles Bezahlen sein - auch in Deutschland. Alternative "mobile" Zahlsysteme, die nicht mit NFC arbeiten sondern beispielweise per QR Code, werden diese Verbreitung nie erreichen. Und dafür sind nicht nur die Technologie-Lieferanten und die stark diversifizierten Anbieter von "mobilen Zahlarten" aller Art verantwortlich, sondern auch die Angst und das Unwissen der Einzelhändler. Ob wir den Chip dann in einem Smartphone, Aufkleber oder in einem Körperteil implantiert mit uns tragen, spielt keine Rolle mehr. Der Komfort und die Kosten werden entscheiden, welche Version die Konsumenten bevorzugen.