Gezerre um Glasfasernetze hat begonnen

KPN Qwest geht im Chaos unter

28.06.2002
MÜNCHEN (CW) - Die Treuhänder sehen keine Chance mehr für KPN Qwest. Der US-amerikanisch-niederländische Betreiber von europäischen Glasfaserstrecken kann dem endgültigen Aus wohl nicht mehr entgehen. Übernahmekandidaten hoffen auf ein günstiges Geschäft.

Seitdem KPN Qwest Ende Mai dieses Jahres mit 2,2 Milliarden Euro Schulden Konkurs anmeldete, haben die Insolvenzverwalter mit dramatischen Apellen versucht, eine minimale Liquidität zur Aufrechterhaltung des Netzwerkbetriebs zu erreichen. Sie forderten einerseits die Kunden auf, zum Teil beträchtliche offene Rechnungen zu begleichen und Vorschüsse zu zahlen. Andererseits baten sie Lieferanten um vorübergehenden Verzicht auf ihre Forderungen. Nur mit einem funktionierenden Netzwerk, so die Insolvenzverwalter, ließen sich Teile des Unternehmens zu akzeptablen Preisen verkaufen.

In der Tat scheinen Lieferanten auf Forderungen verzichtet zu haben. So dementierte die französische Alcatel Presseberichte, wonach sie auf der Bezahlung von 15 Millionen Euro aus einer Gesamtforderung von 135 Millionen Euro bestanden habe. Gleichzeitig machten Meldungen Hoffnung, einige Großkunden, allen voran die niederländische Muttergesellschaft und Telekommunikationsfirma KPN, wollten ihre KPN-Qwest-Rechnungen begleichen.

Doch die eingegangenen Gelder wurden von einem Bankenkonsortium blockiert, dem ABN Amro, Bank of America, Barclays, Citigroup, Desdner Kleinwort Wasserstein, die Deutsche Bank und Fortis angehören. Diese Gruppe hatte im März 2002 KNP Qwest einen Kredit in Höhe von 525 Millionen Euro gewährt, um dem Netzbetreiber die Übernahme des US-amerikanischen Unternehmens Global Telesystems zu ermöglichen. Die Verwalter des bankrotten Kabelnetzbetreibers versuchten, die Freigabe der Gelder vor einem Amsterdamer Gericht zu erstreiten, scheiterten aber.

Im Gegenzug meldeten die Banken Zweifel an der Buchführung von KPN Qwest an. Die Abrechnungen wiesen "erhebliche Unstimmigkeiten" auf, zitierte die "Financial Times" eine Stimme aus dem Bankenkonsortium. Es beständen Anzeichen, "dass es ein enormes schwarzes Loch in den Büchern geben muss". Die Beträge, welche die Muttergesellschaften KPN und Qwest als unbeglichen angäben, und die Zahlen in KPN Qwests Büchern stimmten nicht überein. Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer müsse die Vorgänge untersuchen. KPN Qwest wies die Anwürfe als unbegründet zurück.

Auch wenn die Konkursverwalter weitere Verhandlungen mit den Banken ankündigten, scheinen die Aussichten auf die Aufrechterhaltung einer minimalen operativen Liquidität nur marginal zu sein. Rund 40 Firmen, die Teile des Unternehmens mit seinem 25000 Kilometer langen Glasfasernetz zwischen rund 50 europäischen Städten übernehmen möchten, sollen schon vorstellig geworden sein. Sie hoffen auf ein Schnäppchen. Jack McMaster, von den Konkurverwaltern weitgehend entmachteter KPN-Qwest-Chef, befürchtet, das Netzwerk könnte am Ende für nur fünf Prozent des auf 300 Millionen Euro geschätzten Werts den Besitzer wechseln.

Um einen KPN-Qwest-Teil ist bereits eine gerichtliche Auseinandersetzung entbrannt. Der Internet-Provider 1&1, eine Tochter von United Internet, hatte schon Ende Mai erklärt, ein Karlsruher Rechenzentrum der in die Insolvenz gezogenen deutschen KPN-Qwest-Tocher für bis zu 18 Millionen Euro übernehmen zu wollen. Doch dieses Rechenzentrum hat der 1&1-Konkurrent Strato, ebenfalls ein WebHoster, gemietet. Strato hat eine einstweilige Verfügung erwirkt, um einen Verkauf zu blockieren, und das Bundeskartellamt gebeten, zu klären, ob ein Erwerb durch 1&1 nicht einen Verstoß gegen das Kartellverbot wegen unzulässigen "Abkaufs von Wettbewerb" darstellen würde.

Qwest Communications International Inc. aus Denver, neben der niederländischen Telefongesellschaft KPN eine der beiden Muttergesellschaften der bankrotten KNP Qwest, hat Zahlungsschwierigkeiten. 1500 Vertriebsmitarbeiter sollen seit bis zu sechs Monaten nur zum Teil die ihnen zustehenden Provisionen bekommen haben. Ein Sprecher bestätigte die Situation und führte als Grund an, es gebe mit einem neuen Abrechnungssystem Probleme bei der Dateneingabe. Qwest hat nach Angaben des "Wall Street Journal" Schulden in Höhe von rund 26 Milliarden Dollar und hat Sparmaßnahmen angeleitet.

Versatel unter Gläubigerschutz

Auch der niederländische Kabelbetreiber und Internet-Provider Versatel Telecom International NV steht mit 1,7 Milliarden Euro Schulden vor dem Aus. Der Konzern hat Gläubigerschutz nach niederländischem Recht und nach Chapter 11 in den USA beantragt, um ein Jahr Zeit für eine Restrukturierung zu erhalten. Er möchte seine Schulden dadurch ausgleichen, dass die Gläubiger ihre Anleihen in neue Versatel-Aktien umtauschen. Nach Angaben von Versatel sollen Gläubiger von zwei Dritteln der Schulden diesem Verfahren bereits zugestimmt haben. Versatel bedient mit Glasfasernetzen in den Benelux-Ländern und in Deutschland mehr als 70000 vor allem kleine und mittelständische Unternehmen. (ls)