Kostentreiber oder Sparschwein?

27.03.2007
Eine generelle Betriebskostenprognose für Netweaver gibt es nicht, wohl aber Erfahrungswerte.
Mit Hilfe des Portals lassen sich Kosten einsparen, da Web-Oberflächen in der Regel weniger Schulungen und Support erfordern.
Mit Hilfe des Portals lassen sich Kosten einsparen, da Web-Oberflächen in der Regel weniger Schulungen und Support erfordern.

Zur Bewertung der Betriebskosten für Netweaver gibt es abseits von konkreten Projekten stets nur relative und keine allgemeingültigen Maßstäbe. Es existieren jedoch Erfahrungswerte aus verschiedenen Kundenprojekten. In jedem Fall ist es zu empfehlen, einen Verlauf von mindestens zwei Jahren zu betrachten.

Das sollten Sie beachten

Netweaver rechnet sich nur selten für ein Projekt oder eine Lösung, sondern erst als Infrastruktur für wesentliche Unternehmensbereiche. Es geht darum, wie die Netweaver-Kosten durch IT-Konsolidierung aufgefangen werden können. Erfahrungen haben gezeigt, dass eine Kostenreduktion von 20 Prozent durch den Einsatz des Portals über einen Zeitraum von zwei Jahren erreicht werden kann, wobei der Service-Level (garantierte Bereitstellung und Support) gleichzeitig gesteigert wurde. Die Exchange Infrastructure empfiehlt sich ab fünf zu integrierenden Systemen. Diese Anzahl hat sich als das Minimum herausgestellt, ab dem mit einer Wiederverwendbarkeit von Definitionen, Mappings etc. gerechnet werden kann und ab dem jede neue Schnittstelle geringere Entwicklungs- und Betriebskosten produziert.

Hier lesen Sie ...

• wie sich Netweaver auf die IT-Betriebskosten auswirken kann;

• dass hierbei sowohl IT- als auch Business-Kosten betrachtet werden müssen;

• dass sich die SAP-Infrastruktur vor allem dann rechnet, wenn sie möglichst breit ausgerollt wird;

• wann eine Integration von Drittsystemen mit Net- weaver XI sinnvoll ist;

• dass sich die Portallösung am schnellsten lohnt.

Außerdem ist zu klären, zu welchem Zweck diese Bewertung angestellt wird. So ist es denkbar, die Betriebskosten von Netweaver mit denen anderer Integrationsplattformen etwa von IBM, Bea, Sun oder Microsoft zu vergleichen. Die folgende Diskussion der relevanten Kostenfaktoren von Netweaver konzentriert sich auf die Frage, wie sich die Betriebskosten einer IT-Umgebung (mit wesentlichem SAP-Anteil) mit und ohne Netweaver zueinander verhalten. In der Regel ist damit heute die Frage eines Release-Wechsels von R/3 4.6c/4.7 nach Mysap ERP 2005 verbunden, da Netweaver hier nicht nur Teil der Lizenz ist, sondern für viele fachliche Funktionen genutzt wird. Darüber hinaus wird die Frage gestreift, wie Kosten und Nutzen eines Einstiegs in eine SOA-Applikationslandschaft zu bewerten sind.

IT und Business-Kosten

Netweaver (mit den Hauptkomponenten Portal, Exchange Infrastructure, Web Application Server) verbessert stets die Integration der Applikationslandschaft, wenn durchgängig eingesetzt wird. Die Kosten im Fachbereich sowie in der IT sinken jedoch erst mit zunehmender Nutzung der Plattform - nicht schon bei deren Bereitstellung. Support und Schulung lassen sich beispielsweise leicht verbilligen, weil sich die Benutzerfreundlichkeit durch ein Portal erhöht, ein Single-Sign-on eingeführt, die Wiederverwendbarkeit von fachlichen und technischen Komponenten gesteigert und Medienbrüche reduziert werden.

Aus dieser Grundannahme folgt, dass zwei unterschiedliche Kostenfaktoren in die Kalkulation einbezogen werden müssen, um den Einfluss von Netweaver auf die Betriebskosten beurteilen zu können: Business- und IT-Kosten. Erst die Summe der beiden Kostenfaktoren lässt fundierte Rückschlüsse zu.

Zu den IT-Kosten gehören Aufwände für Hardware, Lizenzen sowie für den Betrieb (Installation, Customizing, Administration) der Lösung. Die Business-Kosten umfassen die initialen Schulungskosten, fachlichen Support und damit Personalkosten sowie die Verrechnungskosten für die anteilige Nutzung der Plattform. Gegenüber einer vorhandenen Lösung können über die Zeit Minder- oder auch Mehrkosten entstehen. Das hängt davon ab, wie effizient die Lösung auf Basis von Netweaver die Geschäftsprozesse unterstützt (zum Beispiel Self-Services, intelligente Benutzerführung, Reduktion von Eingaben und Fehlerquellen).

Wichtig ist also, nicht nur die reinen Betriebskosten in der IT zu betrachten, sondern auch zu hinterfragen, wie effizient ein Unternehmen Prozesse mit einer neuen Integrations- und Anwendungsplattform gestalten kann. Die Projektkosten für das Umsetzen der Lösungen sind Teil der Gesamtkostenbetrachtung, gehören aber nicht in eine reine Betriebskostenübersicht.

Betriebskosten während der Netweaver-Einführung

Die Einführung einer neuen Plattform verläuft idealtypisch in drei Phasen.

• Pilotierung: In der ersten Phase werden ein Pilotsystem entwickelt und die Infrastruktur sowie ein erstes Expertenteam für Entwicklung und Betrieb aufgebaut. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse werden die Folgestufen bewertet und geplant. Die Pilotierung ist durch Kosten für den Aufbau von Entwicklungssystemen und die Implementierung der Pilotlösung geprägt. Lizenzkosten können in dieser Phase möglicherweise mit dem Hersteller verhandelt werden. Wird ein geeigneter, fachlich relevanter Pilot gewählt und in der Breite eingeführt, kann sich das Projekt bereits in dieser frühen Phase über Prozesseinsparungen im Fachbereich rechnen.

• Netweaver in der Breite einsetzen: Eine erste Reduktion der Business-Kosten tritt üblicherweise erst in der zweiten Phase ein. Nun wird Netweaver in der Breite eingesetzt. Die Prozesse sind durchgängig implementiert, eine Portallösung steht zum Beispiel für einen gesamten Bereich zur Verfügung, und die Exchange Infrastructure (XI) wird für die Integration aller neu anzubindenden Systeme genutzt. Die IT-Kosten ändern sich in der zweiten Phase entweder nicht oder steigen leicht an, weil mehr Hardware und weitere User-Lizenzen erforderlich sind. Je nach Kundensituation ist es möglich, schon in der zweiten Phase die Gesamtkosten zu reduzieren. Zum Beispiel können Administrationskosten eingespart werden, wenn weitgehende Selbstbedienung im Portal eingeführt oder Batch- durch Online-Schnittstellen auf XI-Basis ersetzt werden.

• Redundanzen eliminieren: In der Regel tritt eine Gesamtkostenreduktion jedoch erst in der dritten Phase ein. Die in der zweiten Phase noch betriebenen fachlichen und technischen Altsysteme, etwa lokale Intranets, andere EAI-Werkzeuge und fachliche Insellösungen, die nun integriert sind, werden jetzt abgeschaltet. Charakteristisch für diese Phase ist auch die Neuorganisation der IT und der Fachbereiche passend zur neuen Infrastruktur.

Wichtig für die erfolgreiche Umsetzung ist, dass sich die Projekte in der zweiten und dritten Phase an einem klar definierten Business Case orientieren, damit die Betriebskosten auch wie berechnet gesenkt werden. Schaltet man Altsysteme (fachlich oder technisch) nicht ab, sondern betreibt sie weiter parallel, oder wird die Organisation nicht passend zur neuen Architektur ausgerichtet, können die jeweiligen Unternehmen das volle Potenzial von Netweaver nicht ausschöpfen und die Betriebskosten nicht so weit senken, wie es möglich wäre.

Einsatzszenarien

Vor dem Hintergrund des beschriebenen Modells lassen sich Kunden in zwei Gruppen aufteilen:

1. Firmen entscheiden sich strategisch für Netweaver (für eine oder mehrere Komponenten: Portal, Exchange Infrastructure, Web Application Server für Abap und Java, Business Warehouse).

2. Anwender führen die SAP-Infrastruktur unter lösungsorientierten Gesichtspunkten ein, wobei man diese unterscheidet in lösungsorientiert im Rahmen der Eigenentwicklung von "Composite Applications" zur Prozessoptimierung oder lösungsorientiert im Zusammenhang mit der Einführung von Mysap ERP 2005.

Modell eins: Strategischer Netweaver-Einsatz

In der Pilotierung sind die Betriebskosten durch den Einsatz des Portals, der Exchange Infrastructure und des darunter liegenden Web Application Servers höher als vorher. Hier schlägt der Einsatz zusätzlicher Systeme und Lizenzen, Schulungen und Support für Mitarbeiter zu Buche. Idealerweise ermöglicht bereits das Pilotmodell, wenigstens einige Altsysteme abzulösen. Auf diese Weise bleiben die Betriebskosten in einigen Fällen gleich hoch.

Während der Pilotierung sollte darüber hinaus eine Blaupause der Architektur für die Phasen zwei und drei erstellt und als Richtlinie für die Umsetzungsprojekte verwendet werden. Entsprechende Governance-Funktionen sorgen für eine möglichst weitgehende Annäherung an die Soll-IT-Landschaft. Die Architekturblaupause hat Einfluss auf die Betriebskosten in der IT und im Fachbereich. Beispiele für zu lösende Fragen sind:

• Netweaver Portal: Wie erfolgen das User-Management und ein Single-Sign-on? Wird ein externes Content-Management eingesetzt, und kann es mit anderen Portalen gemeinsam genutzt werden? Wie vollzieht sich die Administration des Content? Welche Navigationsstrukturen (zentral, dezentral) werden festgelegt? Nutzt die Firma dasselbe Portal mandantenfähig in allen Unternehmensteilen, oder gibt es bereichsspezifische Lösungen?

• Exchange Infrastructure: Welche Vorgabe besteht zur Integration von Anwendungen (Integration Guide)? Ist eine Koexistenz oder Ablösung vorhandener EAI-Lösungen vorgesehen, und in welchem Zeithorizont? Wie wird eine Durchgängigkeit vom Prozessmodell zur technischen Prozessausführung abgebildet? Wie erfolgt das Prozess-Monitoring auf Seiten des Fachbereichs und auf Seiten der IT? Die Erfahrungen haben gezeigt, dass gerade Letzteres sehr aufwändig sein kann.

• Web Application Server/Composite Applications: Sind als Entwicklungssprachen sowohl Abap als auch Java erforderlich? Falls ja, sind zwei Entwicklungs- und Laufzeitumgebungen mit entsprechendem Personal einzuplanen.

Je zentraler eine Infrastruktur ist, desto eher lassen sich die Betriebskosten senken. Ein Nachteil zentraler Lösungsansätze ist jedoch, dass diese oft zu starr sind. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu umgehen, ist eine fachlich dezentrale, aber technisch zentrale Infrastruktur - zum Beispiel im Portalbereich mit zentralen und lokalen Verantwortlichkeiten, Navigationspunkten und Seiten. Dies reduziert zwar nicht die Business-, aber zumindest die IT-Kosten.

Nicht alle Kunden setzen Netweaver strategisch ein, sondern nutzen es als Plattform für einzelne Lösungen oder partiell beim Umstieg von R/3 auf Mysap ERP 2005. Eine Rechtfertigung zusätzlicher Betriebskosten ist hier schwieriger.

Modell zwei: Lösungsorientierter Einsatz

Composite Applications liegen zwischen Standardsoftware (Nutzung von Backend Services) und Individualsoftware (Entwicklung eines prozessoptimierten Frontends). In einem Projekt zeigte sich, dass eine Composite Application und gegen eine über den Sapgui zu bedienende Anwendung zu deutlichen Einsparungen führte. In diesem Fall ließen sich die Schulungs- und Supportkosten durch den Fachbereich gegenüber einer Sapgui-Lösung so weit reduzieren, dass die Investitionen in Infrastruktur annähernd kostenneutral waren. Schwieriger messbar war die Wiederverwendbarkeit, die ihre Wirkung erst im zweiten Projekt entfalten kann.

Der Einsatz von Netweaver bei der ERP 2005 Einführung erlaubt noch keine Zwei-Jahres-Gesamtbetrachtung. (fn)