Digitale Inhalte anders aufbereitet

Kostenlose Software hilft Blinden

27.05.2011
Wie macht eine Hochschule digitale Inhalte und das Internet am besten für blinde Studenten zugänglich? Die Fernuni Hagen und der Duden-Verlag haben eine Lösung gefunden.

Damit Blinde mit wissenschaftlichen Inhalten arbeiten können, müssen diese in Blindenschrift ausgedruckt vorliegen. Die gegen eine Gebühr zur Abdeckung der Druckkosten für die Handbücher beziehbare Hagener Braille-Software (HBS) überträgt deshalb digitale Inhalte in Blindenkurzschrift und ermöglicht über den Braille-Drucker das Drucken der Texte. Zu den Stolpersteinen in Texten, die sich durch das Übertragen in die Blindenschrift ergeben, gehört beispielsweise eine falsche Silbentrennung. Solche Hindernisse behebt jetzt die Sprachtechnologielösung des Duden-Verlages. Die benötigten Funktionen dieser Lösung werden in die Braille-Software integriert. Der Duden-Verlag stellt seine Technologie für die Weiterentwicklung des Hagener Braille-Software-Systems kostenfrei zur Verfügung.

In der Blindenkurzschrift werden Wörter dadurch verkürzt, dass für eine Silbe eine Abkürzung steht. Diese sogenannte Kürzung nimmt die HBS automatisch vor. Hierzu muss die Software aber entscheiden, wo eine Silbe endet und die nächste Silbe beginnt. Da diese Aufgabe nicht einfach ist, werden Wörter bei der automatischen Übertragung in die Blindenkurzschrift oft an der falschen Stelle auseinandergerissen. So entstehen zahlreiche verwirrende Kombinationen aus Silben wie "Speis" und "esaal", "Reis" und "eleiter", "Rein" und "emachen" oder "Nach" und "tessen". An diesen Beispielen wird deutlich, wie irritierend eine falsche Trennung von Wörtern auf einen blinden Leser wirken muss. Die Irritation des tastenden Lesers unterbricht dessen Lesefluss. Die sprachtechnologische Lösung des Duden-Verlages erkennt jedoch zusammengesetzte Wörter, sogenannte Komposita. Vor der Übersetzung in die Blindenschrift "zeigt" die Duden-Software der Übersetzungssoftware, an welcher Stelle im Wort eine Trennung der Silben sprachlich richtig und möglich ist. Somit werden Wörter nicht mehr an der falschen Stelle gekürzt. Der Lesefluss eines Blinden ist dann ungestört.

Einen weiteren Beitrag zur Qualität von Texten in Blindenkurzschrift leistet die Dudentechnologie durch Informationen zur Silbenvortrennung. Das heißt, die Duden-Software verhindert das automatische Trennen von Wörtern am Zeilenende an den falschen Stellen. Mithilfe dieser Informationen ist jetzt eine automatische Silbentrennung am Zeilenende während der Übertragung von Texten in die Blindenkurzschrift durch die HBS möglich. Das ist wichtig, da in der Blindenkurzschrift sehr oft Wörter getrennt werden müssen, um die Zeilen möglichst vollständig zu füllen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen geht es darum, Platz und damit auch Druckkosten zu sparen, denn die Zeichen der Blindenkurzschrift sind relativ groß. Somit passt im Vergleich zur lateinischen Schrift relativ wenig Text auf eine Druckseite. Das Layout sollte daher als Ausgleich möglichst platzsparend sein. Des Weiteren signalisiert ein frühes Zeilenende dem blinden Leser einen neuen Absatz. Endet die Zeile früh, allerdings mitten im Satz, verwirrt das den tastenden Leser und unterbricht somit wieder seinen Lesefluss. Das passiert auch bei Lücken zwischen den einzelnen Wörtern, die eine tastende Wahrnehmung ebenfalls unterbrechen würden. Deshalb ist in der Blindenkurzschrift das Formatieren von Texten im Blocksatz nicht möglich, da beim Blocksatz Lücken zwischen den Wörtern entstehen. Die Dudentechnologie liefert nun die nötigen Informationen für eine korrekte Trennung und ermöglicht ein besseres automatisch erstelltes Layout.

Dank der Dudentechnologie müssen Autoren in der automatischen Übersetzungssoftware für blinde Leser keine nachträglichen Korrekturen wegen falsch zusammengesetzter Substantive oder falscher Silbentrennung mehr vornehmen. Der leitende Wissenschaftler in der Entwicklung der HBS ist Richard Heuer. Er ist Ansprechpartner für Blinde an der Fernuniversität Hagen und arbeitet seit 1984 an der Entwicklung und Verbesserung der HBS. Dabei griff er auf die Arbeiten des Informatikers Wolfgang Slaby, Westfälische Universität Münster bzw. Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, und der Schweizerischen Bibliothek für Blinde und Sehbehinderte, Zürich, zurück. Heuer betont: " Mithilfe dieser Technologie, die wir in unser Braille-System integrieren durften, schaffen wir bessere Voraussetzungen für eine akademische Laufbahn von Blinden." (hk)