Kosten senken und auf Regeln einstellen

Kosten senken und auf Regeln einstellen

04.12.2007
Vittorio D’Orazio, Principle Research Analyst bei der Unternehmensberatung Gartner, hat die Studie „Financial Services Trends in Western Europe“ verfasst, für die er die wichtigsten Entwicklungen auf dem Bankenmarkt bis ins Jahr 2010 zusammengestellt hat.

COMPUTERWOCHE: Was haben Sie herausgefunden? Was beschäftigt die Verantwortlichen der Banken derzeit am meisten?

Vittorio D’Orazio: Zunächst sind ein Toptrend weiterhin mögliche Strategien, um Kosten zu senken. Alle Banken vor allem in Großbritannien, aber zunehmend auch in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien bemühen sich darum, ihre Kosten weiter zu reduzieren. Auf der einen Seite wollen sie die internen Ausgaben reduzieren, in dem sie etwa versuchen die Mitarbeiterzahl in den IT-Abteilungen zu verringern. Auf der anderen Seite ist man ganz allgemein darum bemüht, die IT-Kosten herunterzufahren – immer mehr auch durch Outsourcing. Langfristig ist es einfacher, Dinge nach außen zu geben, als sie intern zu erledigen. Großbritannien ist hier führend in Europa – weltweit sind hier die USA ganz vorne. Dort ist Outsourcing im Bankenbereich allgemein sehr weit verbreitet. Auf dem Kontinent machen die Banken dies jetzt nach. Ein Beispiel: Die Commerzbank hat gerade angekündigt, ihre IT an HP auszulagern. Alle Banken in Europa schauen sich derartige Möglichkeiten an.

COMPUTERWOCHE: Was ist ein weiterer wichtiger Trend, den sie erkannt haben?

Ebenfalls sehr wichtig ist der Compliance-Trend. Banken müssen sich den neuen Regelungen von EU-Kommission und EU anpassen. Die wichtigsten Stichworte hierzu lauten Basel II, wo es um das Management von Risiken geht. Basel II ist schon seit einigen Jahren aktuell. Neue Regelungen betreffen SEPA, den einheitlichen Europäischen Zahlungsraum und damit alle grenzüberschreitenden Zahlungen in Europa. Sie werden jetzt wie Zahlungen im Inland behandelt. Auf der einen Seite verlieren die Banken die Gebühren, die sie bisher erheben konnten, auf der anderen Seite wird die Zahl der Überweisungen speziell von Unternehmen stark ansteigen. Das bedeutet für die Banken auch neue Möglichkeiten. SEPA betrifft alle 25 EU-Staaten plus die Schweiz und Großbritannien. Eine weitere neue Regelung ist MiFID, die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive) zur Harmonisierung des Handels zwischen den 25 EU-Staaten. Die Kunden haben dann den Anspruch, ihre Order stets zum bestmöglichen Preis ausgeführt zu bekommen. Das ist für die IT der Banken eine große Herausforderung. Denn sie müssen ihre Systeme auf den neuesten Stand bringen, und das bedeutet vor allem auf der Softwareseite höhere Ausgaben für die IT. Einige Banken werden es einfacher finden, Teile der Aufgaben outzusourcen. Bei Basel II empfehlen wir zwar nicht, die Basel-II-Vorgänge selbst nach außen zu geben, das gehört zum Kerngeschäft, aber das Berichtswesen dafür.

Wir sehen im Moment viele Übernahmen im Bankenbereich. Ein weiterer Trend?

Ja, ein weiterer wichtiger Trend ist dieser Trend zur Konsolidierung. Viele Banken sind an Übernahmen interessiert, sie bilden Banken-Netzwerke in Europa. Wir haben gerade erst den Übernahmekampf um ABN Amro durch Barclays auf der einen Seite und das Konsortium von Royal Bank of Scotland, Santander und Fortis gesehen. Die drei gewannen, die Bank wird jetzt wahrscheinlich zwischen den Gewinnern aufgeteilt.

Was bedeutet das für die IT der Banken?

Auf der IT-Seite verlangt das eine Menge an Konsolidierung des Back-Office. Die Kernbankensysteme müssen auf den neuesten Stand gebracht werden. Die Banken werden ihre IT-Strategien überdenken müssen und ihre Prozesse restrukturieren, was Outsourcing und Offshoring mit einschließt. Offshoring bedeutet die Prozesse außer Landes zu schicken. Britische und Amerikanische Banken senden sie zumeist nach Indien, deutsche nach Polen, italienische nach Albanien und französische nach Marokko. Die Banken wollen hier frühzeitig ihre Sicherheitsgurte anlegen, um für die neuen Herausforderungen des Marktes gerüstet zu sein. Dazu gehört es, effizienter zu werden, um neue Produkte schneller und mit geringeren Kosten und damit besseren Margen auf den Markt bringen zu können.

Passiert das auch auf dem deutschen Markt?

Ja, ich habe dafür ein gutes deutsches Beispiel, darf Ihnen aber den Namen nicht nennen. Auf dem deutschen Markt ist die IT ja um die großen Rechenzentren der großen Dienstleister gruppiert. Der deutsche Bankenmarkt ist stark fragmentiert, es gibt über 2000 Banken, viele Sparkassen und Landesbanken. Einige Namen: Die Finanz-IT, die sich um rund 340 Sparkassen kümmert. Dann haben wir die Sparkassen Informatik mit Services für mehrere hundert Banken. Und die Fiducia kümmert sich um die Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland. Dazu gibt es Software-Paketanbieter wie SAP. Der Markt für Kernbankensysteme ist in Deutschland sehr statisch, es gibt wenige Möglichkeiten für Anbieter aus anderen Ländern. Es gibt großes Interesse, mit Outsourcing die Kosten zu reduzieren, sowohl in Indien als auch nearshore in Polen, Ungarn, Tschechien, Russland und Rumänien. Dienstleister in Russland arbeiten etwa für die Deutsche Bank, aber auch für andere. Oft wird Offshoring eine Notwendigkeit aus Outsourcing heraus. Banken brauchen die Kapazitäten und Fertigkeiten, die sie nicht intern vorhalten können oder wollen.

Sehen wir insgesamt mehr Automatisierung, etwa auf dem Kreditmarkt?

Ja, die Banken versuchen hier mit der Nachfrage Schritt zu halten. Nicht nur in Westeuropa, sondern auch in Osteuropa gibt es ein Wachstum im hohen zweistelligen Bereich, teilweise über 6o Prozent. Der Markt wächst und Banken suchen nach Lösungen, wie sie Kredite möglichst automatisiert vergeben können. Neue Produkte sollen schnell auf den Markt gebracht werden – zu niedrigeren Kosten. Hier ist eine integrierte Mulikanalstrategie sehr wichtig. Die Kunden können etwa im Internet eine Hypothek aufnehmen und müssen nur dann noch in die Filiale kommen, um den Vertrag zu unterschreiben. Für Banken ist es wichtig, die richtige kundenzentrierte Strategie zu haben, um die Kundenbindungen zu erhöhen. Denn neue Kunden zu gewinnen ist sehr schwierig, bestehende zu halten, viel einfacher. Hier helfen Technologie und gute CRM-Systeme. Das reicht aber nicht. Denn Kunden wollen keine Maschinen, sondern Systeme, die wirklich mit ihnen interagieren und ihre Fragen beantworten können.

Vittorio D’Orazio, Principle Research Analyst bei der Unternehmensberatung Gartner