Koordinationsprobleme bei der Einführung der CTV ?

15.10.1976

CTV - ein plötzlich, siehe Orgatechnik, modisches Kürzel für die computerunterstützte Textverarbeitung? Indes, der Textverarbeiter versteht nichts von EDV und der Datenverarbeiter will mit der Textverarbeitung nichts zu tun haben. So überspitzt formuliert läßt sich wohl nur erklären, daß die seit Jahren - wenn nicht länger - proklamierte Idee, Computertechnik für die Routinearbeit des Standardbrief-Schreibens, aber auch für das Schreiben individueller Textbaustein-Briefe - von einigen Pioniertaten abgesehen - noch nicht die breite Anwendung findet, die angesichts der ungeheueren Rationalisierungsmöglichkeiten angezeigt wäre. Wenn es überhaupt irgendwo im EDV/Org.-Bereich eine Millionen-Verschwendung gibt, dann in den Brieferstellungs-Verfahren. Zeichnet sich endlich ein Wandel ab? hö

Dieter Schwenk, Leiter der EDV-Abteilung, Bausparkasse Schwäbisch-Hall, Schwäbisch-Hall

Die computer-unterstützte Textverarbeitung läuft bei uns schon seit Anfang der 70er Jahre. Probleme zwischen Organisation und Datenverarbeitung gab es während der Einführung nicht - allerdings wurde die CTV nicht gewaltsam bei uns durchgesetzt. Obwohl wir relativ frühzeitig mit der Realisierung dieser Art von Textverarbeitung begannen, zog sich der Werdeprozeß etwa drei Jahre hin. Hemmend wirkte anfangs, daß die Anforderung der Brieftexte nur über Lochkarte möglich waren. Das war ein System, das man den sachbearbeitenden und vorwiegend korrespondierenden Bereichen nicht "verkaufen" konnte. Heute gibt es die Bildschirm-Eingabe und keine Probleme mehr.

Für den reibungslosen Ablauf der Textverarbeitung halte ich einen Koordinator zwischen EDV- und Text bzw. Sachbearbeitung unbedingt für erforderlich. Diese Koordinationsstelle ist bei uns in der Organisationsabteilung angesiedelt: Hier werden von einer Projektgruppe in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen die Schriftgutanalysen durchgeführt, das Texthandbuch aufgebaut. Die Programm-Pflege des von uns eingesetzten AKO-Textverarbeitungsprogramms der IBM ist ebenfalls in diese Organisation eingegliedert. Die Pflege der erarbeiteten Textdatei erfolgt in den einzelnen Fachbereichen - und zwar wiederum in zugeordneten Organisationsbereichen.

Eine große Hilfe bei der Einführung der CTV war für unsere Mitarbeiter, daß wir die Textverarbeitung wie sie vorher in der konventionellen Art von Schreibautomaten erledigt wurde, auf das neue "Sachmittel" Computer übernommen haben, - ohne zunächst einmal im organisatorischen Bereich etwas zu ändern. Der nächste Schritt bestand darin, die Textverarbeitungsleute einfach zu Computerleuten zu machen, - nicht in speziellen Kursen, sondern in Zusammenarbeit mit der IBM und durch die zunehmenden Erfahrungen, die die Mitarbeiter durch den Umgang mit diesem System hatten.

Hilmar Kruse, Gesellschaft für rationelle Textverarbeitung, Köln

Was ist eigentlich computerunterstützte Textverarbeitung? Leider ist die Definition dieses Begriffes heute noch vielen nicht klar. Ganz sicher aber spricht man nicht von CTV, wenn ein Textautomat mit Mini oder Mikro und gar einem Bildschirm arbeitet. Bei der EDV-Textverarbeitung allerdings gibt es ganz erhebliche Koordinationsschwierigkeiten zwischen den Datenverarbeitern und der Organisationsabteilung. Der Grund besteht einfach darin, daß jeder der beiden getrennt in seine Denkungsweise vor sich hinarbeitet. Die EDV-Spezialisten sollten sich darüber im klaren werden, daß die Textverarbeitung ebenfalls viel Fachwissen erfordert. Das so entstehende Problem liegt ganz sicher nicht bei der technischen Koordination. Es gibt die Datenfernübertragung, es gibt Offline, Timesharing, - von der EDV-Seite her ist eigentlich alles vorhanden. Die Schwierigkeiten liegen bei der der Organisation und dem gesamten Datenaufbau. Die beiden Bereiche laufen völlig getrennt, ein Textverarbeiter ist von vornherein kein Gesprächspartner für die EDV, er kann normalerweise ein Bit nicht von einem Byte unterscheiden. Auf der anderen Seite haben die EDV-Spezialisten keine Ahnung von den Problemen in der Textverarbeitung, die im Grunde genommen wesentlich komplexer und weniger normierbar ist als die Datenverarbeitung. Textverarbeitung erfordert Individualismus. Auch wenn heute ein EDV-Mann ein Terminal bedient, arbeitet er nur nach ganz exakt vorgegebenen Abläufen, - die Textverarbeitung braucht "Freiheit". Hier stoßen zwei Welten aufeinander, es fehlt einfach die "Schnittstelle".

In einigen, wenigen Betrieben gibt es heute sehr qualifizierte, gut ausgebildete - wenn auch autodidaktisch - Textverarbeitungsorganisatoren, - die wir im Grunde brauchen, um die CTV langfristig im Sinne einer echten Informationsverarbeitung zu realisieren. Für die nächsten Jahre würde es sicher genügen, wenn sich die Textverarbeitungsleute mit der EDV befassen und diese Kenntnisse zumindest in einem Einführungskurs erwerben. Auch sollten sich die Computer-Spezialisten mit der Textverarbeitung befassen. Interessant ist hierbei, daß es sogar bei der IBM einen Geschäftsbereich Textverarbeitung und einen Geschäftsbereich Datenverarbeitung gibt, - streng getrennt!

Wolf-Dieter Greiner, Leiter der EDV-Abteilung, Heimstatt-Bauspar AG, München

Wir arbeiten heute - nach einer vierteljährlichen Probeinstallation - mit dem IBM-Paket ATMS für die computerunterstützte Textverarbeitung. Als erstes wurde die Mahnkorrespondenz automatisiert. Die Hauptprobleme, die beim Einsatz einer CTV entstehen können, sind meiner Meinung nach weniger in der mangelnden Koordination zwischen Organisation und EDV-Abteilung zu suchen, sondern entstehen meist schon in der Vorstandsebene. Im Gegensatz zur Rationalisierung in der Industrie wurden Rationalisierungsmaßnahmen im Büro hierbei speziell im Schreibwesen - kaum für nötig gehalten. Und plötzlich gibt es einige Stimmen, die Sensationelles über Einsparungen durch die computerisierte Korrespondenz zu berichten haben. Natürlich horcht das Management auf und dann soll alles sehr schnell gehen, denn wir haben doch auch einen großen Computer, der Hunderttausende im Monat kostet! Aber die "zeitliche Kleinigkeit", die benötigt wird, um die entsprechenden Vorbereitungen im Vorfeld, in der reinen Betriebsorganisation zu schaffen, wird leicht vergessen. Im Gegensatz zu vielen unserer Kollegen, die bereits vor fünf Jahren mit der CTV begonnen haben und durch die schwerfälligen Software-Pakete allein beinahe drei Jahre Vorbereitungszeit benötigten, haben wir gewartet, bis die Software-Probleme weitestgehend durch Pakete wie das ATMS gelöst wurden - und werden heute oft beneidet.

Zusätzlichen Schwierigkeiten gingen wir durch exakte Vorbereitung aus dem Weg. Vor Einsatz des ATMS wurde ein dreitägiges Symposium im Bayerischen Wald abgehalten, Teilnehmer waren die Geschäftsleitung, der Gesamtvorstand, die jeweiligen Hauptabteilungsleiter sowie Herren von der IBM. Die Aussage dieses Symposiums war von allen Seiten derart eindeutig, daß wir sofort mit voller Konzentration in die CTV einsteigen konnten. Koordinationsschwierigkeiten zwischen den verschiedenen Bereichen werden heute bei uns von vornherein ausgeschaltet: Neben der EDV-Org.-Hauptabteilung gibt es eine Stabsstelle Betriebsorganisation. Innerhalb dieser Stabsstelle wird ein Mitarbeiter ständig und ausschließlich für die Textverarbeitung eingesetzt.