Informationstechnik das Thema des GMD-Schloßtages 1983:

Kooperation: Zauberformel für den IT-Einsatz

02.12.1983

SANKT AUGUSTIN-Das in der Bundesrepublik herrschende Innovationsklima, vor allem aber die notwendigen Verbesserungen im Hinblick auf den Einsatz der Informationstechnik, standen in diesem Jahr im Mittelpunkt des "Schloßtages" der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) in Birlinghoven. Ergebnis der Bestandsaufnahme: Eine wesentliche Voraussetzung für eine größere Effizienz von Forschung und Entwicklung hierzulande ist eine umfassende Kooperation auf allen gesellschaftlichen Ebenen und quer durch alle Bereiche.

Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber definierte in seinem Referat die Informationstechnik als "Gemeinschaftsaufgabe von Wirtschaft, Wissenschaft und Staat". Dem Staat falle dabei vor allem die Aufgabe zu, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um Innovationen zu ermöglichen. Staatliche Förderung der Informationstechnik sei dabei "der Sache nach zeitlich begrenzt , . . . subsidiär und nachgeordnet".

Als Schwerpunkte der künftigen Förderpolitik seines Hauses nannte der Minister eine "dichtere" Arbeit der Vertragsforschung, die Erweiterung der Verbundforschung, eine engere Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft sowie mehr Direkte Maßnahmen wie zum Beispiel FuE-Sonderabschreibungen. Zu den staatlichen Rahmenbedingungen gehörten aber ebenso die Bereitstellung der entsprechenden informationstechnischen Infrastruktur durch die Bundespost als auslösendes Moment für eine verstärkte Nachfrage auf dem Endgerätemarkt. Schließlich könne auch die Beschaffungspolitik der öffentlichen Hände als Innovationsinstrument eingesetzt werden, was allerdings, so räumte Riesenhuber ein, bisher nur begrenzt geschehen ist.

Hier will das Bundesforschungsministerium jedoch eine bessere Bündelung der begrenzten Ressourcen in Angriff nehmen. Riesenhuber wies auf den Bericht der Bundesregierung, der derzeit unter der Federführung seines Hauses erarbeitet werde und in dem zum Beispiel auch die Aus-und Weiterbildung im Bereich Informatik Berücksichtigung finde. Darüber hinaus seien Gespräche mit dem Verteidigungsminister sowie mit den Städten und Gemeinden geplant. Schließlich wies der Minister auch auf das "Esprit"-Programm, die europäische Kooperation bei der Forschung und Entwicklung auf dem Sektor Informationstechnik, hin.

Zur Rolle der Großforschungseinrichtungen im allgemeinen und der GMD im besonderen meinte Riesenhuber, diese müßten vor allem als Schaltstellen für den Technologietransfer dienen. Sinnvoll sei hier,

mehr als bisher Verbundforschung mit der Industrie zu betreiben nach dem Motto: "Technologietransfer nicht über Papiere, sondern über Köpfe".

Professor Norbert Szyperski, der Vorsitzende der Birlinghovener Forschungsstätte, stellte in seinem Referat die "Antwort der GMD auf die informationstechnische Herausforderung" vor. Zum einen habe man sich in der Organisationsstruktur gewandelt und neue Formen der Kooperation mit Universitäten begonnen. Zum anderen wende man sich neuen Themenkreisen der Forschung zu, so etwa den Bereichen "Expertensysteme", "Entwurf neuer Schaltkreise" , "Neue Rechnerarchitekturen" und "Unix".

Schließlich konnte die GMD nach den Worten Szyperskis in den letzten Monaten auch verstärkt Kooperationen mit der Industrie in Angriff nehmen. Der indirekten Kritik des Ministers an der aus dessen Sicht zu geringen Auftragsforschung der Großforschungseinrichtungen begegnete der GMD-Vorsitzende damit, daß er für die Wissenschaft ebenso eine "Teilautonomie" beanspruche wie für Wirtschaft und Wissenschaft. Die Auftragsforschung habe daher zwar einen Stellenwert, dürfe aber nicht der zentrierende Punkt sein.

Einen anderen Sinn erfuhr das Ministerwort vom "Technologietransfer nicht über Papiere, sondern über Köpfe" durch die weiteren Referate des Schloßtages, die sich mit den Einstellungen der Bevölkerung zum Computer beschäftigten. Peter Hoschka vom Institut für Angewandte Informationstechnik der GMD faßte die Ergebnisse einer Umfrage zusammen, die die Birlinghovener hatten durchführen lassen.

Danach gebe es nicht ein Lager pro oder kontra Computer, sondern die Mehrheit der Deutschen sei hier in sich gespalten und ambivalent. Insgesamt werde der Computer aber nicht so negativ beurteilt, wie man dies aus einzelnen Befunden oder Berichten zu schließen glaubte. Vor allem bei denjenigen der Befragten, die bereits Erfahrungen mit dem Computer hätten, falle das Gesamturteil deutlich positiver aus als bei DV-Unerfahrenen .

Auf der anderen Seite schärft die Arbeit mit dem Computer aber auch das Urteil über die unerwünschten Wirkungen im Berufsleben. Hoschkas Fazit: "Für die Herausbildung endgültiger Einstellungen wird es maßgeblich darauf ankommen, wie und wofür Computer künftig eingesetzt werden. "

Die Ergebnisse der GMD-Studie wurden ergänzt durch zwei empirische Untersuchungen, die 1974 und 1983 bei Beschäftigten im Bürobereich durchgeführt worden waren. Professor Detlev Müller-Böling vom Fachgebiet Methoden der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung an der Universität Dortmund wies darauf hin, daß die Informationstechnik heute von den Benutzern sehr viel kritischer beurteilt werde als 1974.

Als Gründe führte er an:

1. Die Arbeitslosigkeit sei zum tragenden Element der Einstellung gegenüber dem Computer geworden;

2. die in den Betrieben eingesetzte Informationstechnik führe häufig zu einer kritischen Haltung ;

3. bei der Einführung der Technik würden die Benutzer oft nicht in ausreichendem Maße in die Systemgestaltung mit einbezogen.

Interessen-neutral und Menschen-unähnlich

Carl Adam Petri, Mitglied des Instituts für Methodische Grundlagen der GMD, schließlich setzte sich mit dem Schlagwort "Vermenschlichung des Computers" auseinander. Vielen gelte das als Allheilmittel für die Mißstände, die man in einer vom Computer durchdrungenen Welt befürchten müsse. Diese Hoffnung, so Petri, werde aber enttäuscht werden. Stattdessen plädierte der Wissenschaftler dafür, den Computer als Teil eines informationstechnischen Mediums zu entwickeln, das der Verknüpfung von Nachrichten diene und damit Mißbrauch ausschließe. Der Kern dieses Mediums müsse völlig Interessen-neutral und damit besonders Menschen-unähnlich sein.