ZVEI will U(po) bei Cenelec europaweit normen:

Konzertierte Aktion bei ISDN-Schnittstellen

15.05.1987

FRANKFURT (cmd) - Über die europäische Normungsorganisation Cenelec* wollen die deutschen Anbieter von ISDN-Nebenstellenanlagen nun durchsetzen, wogegen sich die Bundespost bisher sträubte: Neben der CCITT-Schnittstelle S(o) soll auch U(po) als Interface für den Anschluß von Endgeräten an private ISDN-Systeme festgeschrieben werden.

Bis Ende des Jahres, so hofft man im ZVEI-Fachverband für Informations- und Kommunikationstechnik, von wo die Initiative ausgeht, liegt Cenelec "eine normungsfähige U(po)-Schnittstelle" vor. Damit wäre dann ein gewichtiger Grund aus dem Weg geräumt, der Anwender derzeit noch davon abhält, mit dem Startschuß des öffentlichen ISDN-Betriebes auch private ISDN-Vermittlungssysteme zu ordern. Bisher nämlich sind alle verfügbaren ISPBX, wie die offizielle EG-Bezeichnung für derartiges Equipment jetzt lautet, im Bereich der Teilnehmergeräte eines nicht: kompatibel. Jeder Anbieter hat hier eigene Lösungen parat, da bis auf die S(o)-Schnittstelle beziehungsweise die S(2m) keine weiteren Schnittstellen international normiert sind.

S(o) halten aber die deutschen Telecom-Produzenten im Nebenstellenbereich aus technischen Gründen nicht für das Gelbe vom Ei, da sie für den Anschluß ans öffentliche ISDN-Netz optimiert sei. So erfordere sie aufgrund der Vierdrahtigkeit eine zusätzliche Verkabelung, sei wegen ihrer Komplexität teuer in der Chip-Herstellung und gehe an den Bedürfnissen großer Unternehmen in puncto Reichweitenbeschränkung beim Anschluß von Endgeräten vorbei. Gerade die großen Business User zählen jedoch zu dem potentiellen Kundenstamm, der als erster in die ISDN-Technik investieren will. Zumindest sieht es die Industrie so. Mit einer standardisierten Alternativ-Schnittstelle in Form von U(po), so die Argumentation, sei der Kunde besser bedient.

Aus Sicht der Deutschen Bundespost sah sich das Ganze freilich anders an. Die Bonner Ministerialen plädierten - ebenfalls mit Blick auf den Anwender - für eine ISDN-Schnittstelle S(o) am Haupt- und Nebenanschluß. Nur so sei die Forderung nach Kompatibilität und Portabilität der Endgeräte auch im privaten Bereich gewährleistet. Einen Hebel, dies auch durchzusetzen hat die Bundespost freilich nur indirekt, da der Nebenstellenbereich hierzulande bereits seit 1900 liberalisiert ist. Sie kann sich allerdings auf eine Empfehlung des EG-Ministerrates von Ende letzten Jahres stützen, die auch eine einheitliche Schnittstelle am Haupt- und Nebenanschluß Propagiert. Ziel dieser Aktion war vor allem, unterschiedliche nationale Zwischenlösungen in den Mitgliedsländern zu verhindern und zu einer gemeinsamen Regelung innerhalb der EG zu kommen.

Mit dem Vorschlag des ZVEI, U(po) über Cenelec in die europäische Normung einzubetten, scheint das Thema "nationale deutsche Zwischenlösung" (bis zur weiteren Standardisierung etwa im CCITT oder in der Cept) zunächst vom Tisch, zumal diese Initiative auf EG-Ebene vom Bundeswirtschaftsministerium kräftig von der Bundespost eher zurückhaltend Bonner Unterstützung erfährt.

Nutzen von der Regelung erhoffen sich denn auch alle Beteiligten. Die deutschen Hersteller setzen darauf, ihre Systeme mit einer normierten ISPBX-Schnittstelle U(po) im Teilnehmerbereich besser an den Mann zu bringen, ohne sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, sie strebten eine "protektionistische Lösung" an.

Die Bundespost hält zwar an ihrer und damit auch an der Linie der in der Cept zusammengeschlossenen europäischen Postverwaltungen fest, wonach ISPBX-Systeme mindestens zwei Bedingungen genügen müssen: Sie müssen Mehrdienste-Fähigkeit besitzen und zum öffentlichen, Netz hin S(o) implementiert haben. Im Teilnehmerbereich können aber auch andere Schnittstellen realisiert sein, zum Beispiel U(po).

Das Bundeswirtschaftsministerium schließlich kann sich neuerlich sowohl in Richtung Brüssel als auch in Richtung USA als liberal profilieren, befürwortet man doch eine Lösung, die sowohl innerhalb der EG Einheitlichkeit propagiert als auch ein Vorgehen, das im Hinblick auf die bevorstehenden Telecom-Gespräche mit den Vereinigten Staaten Entgegenkommen im Hinblick auf deren Deregulierungswünsche signalisiert.

* Cenelec, dein Komitee für Elektrotechnische Normung, gehören außer den 12 EG-Staaten auch Finnland, Norwegen, Österreich, Schweden und die Schweiz an. CEN ist das Europäische Komitee für Normung, CEN/Cenelec die Gemeinsame Europäische Normeninstitution.