Exklusivportal gegen Recruiting-Wucher

Konzerne etablieren eigene Jobbörse

02.05.2003
Mit Jobstairs.de gibt es einen weiteren virtuellen Stellenmarkt. Das Besondere am neuen Portal: 27 Großunternehmen möchten das elektronische Recruitment selbst in die Hand nehmen und sich von den etablierten Jobbörsen im Netz emanzipieren. Ob das Angebot genügend Bewerber anlocken kann, muss sich erst noch zeigen.CW-Bericht, Ingrid Weidner

"Die Jobbörsen haben den Bogen überspannt", bringt Marcus Fischer, bei Audi in Ingolstadt für das Personal-Marketing in den neuen Medien zuständig, die Unzufriedenheit einiger Arbeitgeber auf den Punkt. Die Preispolitik der elektronischen Stellenmärkte sei undurchsichtig und beliebig gewesen, erklärt Fischer den Einstieg der Ingolstädter in Jobstairs.de. Doch nicht nur Audi, auch andere Unternehmen ärgerten sich darüber. "Der Kostenfaktor war für uns ein Argument: Wir wollten ausschließlich für Leistungen bezahlen, die wir auch nutzen", erläutert die verantwortliche Projektleiterin E-Recruiting Gabriele Hobmeier von BMW den Entschluss der Münchner, sich am Portal zu beteiligen.

Nur: Was kann eine weitere Jobbörse bieten?, fragten sich in den vergangenen Wochen viele, die vom Start der neuen Plattform Job-stairs.de erfuhren. Der Arbeitsmarkt ist am Boden, die Jobofferten der virtuellen Stellenportale nehmen sich momentan sowieso schon äußerst bescheiden aus. Der besondere Anreiz der neuen Plattform soll in ihrer Exklusivität liegen: Nur ausgewählte Großunternehmen können ihre Jobangebote dort präsentieren, die Bedingungen bestimmen die Beteiligten. Die Idee zu einer eigenen, auf die Ansprüche der Unternehmen zugeschnittenen Plattform für die Vermittlung offener Stellen entstand vor eineinhalb Jahren während eines Treffens von Recruitern. Damals suchten Firmen noch händeringend qualifizierte Mitarbeiter. Da die Personalverantwortlichen viele Vakanzen neu besetzen mussten, stiegen die Kosten für die Bewerbersuche. Viele Großunternehmen berappten für die Online-Job-Postings sechsstellige Euro-Beträge. Die Preispolitik einiger Jobbörsen mit variablen Konditionen erboste so manchen Personalverantwortlichen, denn die Kosten hingen oftmals vom Verhandlungsgeschick des jeweiligen Recruiters ab. "Die Jobbörsen gingen aus der Sicht der Großunternehmen in die falsche Richtung", beschreibt Wolfgang Jäger, Professor am Lehrstuhl für Medienwirtschaft der Fachhochschule Wiesbaden und Moderator der Veranstaltung, die damalige Stimmung unter den Personalern. Die zusätzlichen Angebote der virtuellen Stellenmärkte wollten die Firmen nicht mitbezahlen, da sie sich davon keinen großen Mehrwert versprachen. "Eigene Befragungen der Nutzer haben gezeigt, dass den Bewerbern die zusätzlichen Features der Jobbörsen nicht wichtig sind", fügt Fischer hinzu.

Kartell der frustrierten Personaler

Die Idee zu einer eigenen Jobbörse war daher simpel: Eine Plattform sollte die offenen Jobangebote von ausgewählten und attraktiven Unternehmen auflisten, die Bewerber direkt zur Firmen-Homepage und den eigenen Online-Recruiting-Seiten weiterleiten. Die Beteiligten investierten in die Entwicklung und hatten direktes Mitspracherecht bei der Umsetzung. Geplant und an die Wünsche der Unternehmen angepasst hat die Dr. Jäger Medien-Service und Consulting GmbH, Königstein/ Taunus, das künftige Portal.

Das Rennen um die technische und gestalterische Umsetzung des Konzepts entschied die Internet-Agentur Milch & Zucker aus Bad Nauheim für sich. Der kleine, 1998 gegründete Anbieter mit 36 Mitarbeitern setzte sich gegen zehn Mitbewerber durch. Ein Kriterium für den Zuschlag war sicher, dass die Firma bereits die Karriereseiten von Großunternehmen wie der Deutschen Bank und Bertelsmann realisiert hatte. Beide Konzerne gehören auch zum Kundenkreis von Jobstairs. Milch & Zucker stellt die Plattform zur Verfügung, programmiert die XML-Schnittstellen und kümmert sich um den Betrieb. Die Stellenangebote verwalten dagegen die Unternehmen in Eigenregie. "Für uns ist es ein Kundenprojekt wie jedes andere, das mit den üblichen Gewinnmargen kalkuliert ist", erklärt Carsten Franke, Vorstand von Milch & Zucker sowie Sprecher von Jobstairs in Personalunion.

Jobs ohne Werbepause

Puristisch und ohne überflüssige Features möchte sich www.jobstairs.de seinen Besuchern präsentieren. "Die Technik dahinter sollte möglichst einfach sein. Über eine XML-Schnittstelle können wir die Plattform direkt an unser Bewerbungssystem im Unternehmen anbinden", erklärt die BMW-Personalexpertin. Der Münchner Autobauer gehört zur Gruppe der Initiatoren, die von Anfang an das Projekt mitgetragen und eine eigenständige Lösung favorisiert haben. Dass die gesuchten, hoch qualifizierten Bewerber online auf Arbeitssuche gehen, davon ist die Projektleiterin überzeugt. "Gerade Entwicklungsingenieure und IT-Spezialisten nutzen das Netz verstärkt zur Jobsuche. Schon heute bewerben sich rund 30 Prozent der künftigen Angestellten von BMW über das Internet."

Momentan bietet das Jobportal zirka 2500 Stellenangebote von 27 deutschen Großunternehmen. Doch wie finden die gesuchten, hoch qualifizierten Bewerber die neue Jobbörse? Die bereits etablierten Stellenmärkte mussten dafür große Summen in Marketing-Maßnahmen stecken, um ihren Namen in das Blickfeld eines breiten Publikums zu rücken. Jobstairs setzt in diesem Punkt auf das gute Image der Branchengrößen. "Nachwuchskräfte und Hochschulabsolventen nutzen schon heute die Karriereseiten von großen Unternehmen. Dort finden sie jetzt zusätzlich das Logo und den Verweis auf Jobstairs, dazu haben sich die teilnehmenden Unternehmen verpflichtet", erklärt Jäger eine Werbestrategie des neuen Portals. Mit dieser Huckepack-Methode hoffen die Beteiligten, ihre Marke zu positionieren, weitere Marketing-Aktionen sollen folgen.

Die Jobbörsen sehen die neue Konkurrenz noch überwiegend gelassen und bezweifeln deren Erfolg. Holger Lietz, Vice President Marketing von Jobpilot, setzt auf das eigene Angebot und die starke Position als Nummer eins unter den deutschen Stellen-Boards. "Die Kandidaten gehen auf die Sites, die ihnen bekannt vorkommen. Wir haben 600 000 Besucher im Monat und bieten Zusatzleistungen für diese an." Michael Weideneder, Geschäftsführer von Stellenanzeigen.de, möchte zunächst abwarten, wie sich die Konkurrenz entwickelt. "Eine professionelle Jobbörse ist mit hohen Kosten verbunden. Ob das neue Angebot günstiger arbeiten kann als die eingeführten Börsen, ist fraglich."

Willkommen im Club

Die an Jobstairs beteiligten Unternehmen halten sich mit konkreten Zahlen zu den anfallenden Kosten zurück. Allerdings versprechen sie sich ein deutliches Einsparpotenzial. Das Finanzierungsmodell setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Neben einer festen Summe für die Entwicklung zahlen die Beteiligten einen Jahresbeitrag. Ob sie anschließend fünf oder 500 Stellenangebote einstellen, bleibt ihnen überlassen, an den Kosten ändert sich nichts. Unternehmen, die von Anfang an zum Team gehörten, sollen bereits 20 000 bis 25 000 Euro an Entwicklungskosten bezahlt haben. Der Jahresbeitrag bewege sich dann in der Größenordnung von 15 000 Euro. Firmen, die erst später dazugestoßen sind, müssen entsprechend höhere Jahresbeiträge zahlen, die zwischen 20 000 und 25 000 Euro rangieren sollen.

Um das neue Angebot möglichst attraktiv zu gestalten, plant Franke, noch weitere Arbeitgeber für den Premium-Service zu gewinnen, und möchte interessante Kandidaten ansprechen. Von SAP und Bertelsmann abgesehen, fehlt es vor allem an IT-und Medienunternehmen. "Bis Ende des Jahres sollen es 40 Unternehmen sein", erhofft sich der Jobstairs-Sprecher. Allerdings möchten die Beteiligten ihren Club nicht unbegrenzt erweitern. Mehr als 50 Firmen sollen nicht zum elitären Kreis gehören. Klar definierte Kriterien will Franke nicht nennen. "Groß und bedeutend" sollen die Teilnehmer sein, insgesamt strebt er einen Branchenmix an. Zwar erfüllt einer der größten Arbeitgeber hierzulande diese Anforderungen, doch Siemens wird sich nicht an Job-stairs beteiligen. "Wir waren anfangs mit dabei, haben uns aber dann dagegen entschieden, da der Bau von Jobboards nicht zu unserer Kernkompetenz gehört", erklärt Hans-Christoph Kürn, Personal-Manager bei der Siemens AG und für das Recruiting verantwortlich.

Den etablierten Jobbörsen könnte die neue Konkurrenz durchaus einige Etats wegschnappen, denn SAP hat sich schon heute dafür entschieden, Stellenangebote nur noch über die eigene Homepage und Jobstairs zu veröffentlichen. "Das Angebot passt in die Zeit, denn wir betrachten das Recruitment stärker unter dem Kostenaspekt", so ein SAP-Unternehmenssprecher. Allerdings suchen die Walldorfer momentan auch nicht intensiv nach neuen Mitarbeitern. Bei den zirka 160 ausgeschriebenen Offerten handelt es sich überwiegend um Praktikumsplätze. Nur hinter 60 bis 70 Angeboten verbergen sich Vollzeitjobs. Die restriktive Einstellungspolitik der Softwareschmiede soll sich in nächster Zeit auch nicht ändern.

Einjährige Bewährungsphase

"Ob wir aus den anderen Jobbörsen aussteigen, hängt auch vom Erfolg der neuen Plattform ab", erklärt Fischer von Audi und fügt hinzu: "Wir werden die Entwicklung von Jobstairs natürlich kritisch beobachten, aber wir gehen davon aus, dass das Portal eine wettbewerbsfähige Größe erreicht und sich am Markt etablieren wird." Allerdings gibt es bei BMW momentan noch keine konkreten Überlegungen, offene Stellen ausschließlich auf der eigenen Homepage und unter www.jobstairs.de auszuschreiben. Die Münchner Autobauer nutzen momentan noch ein bis zwei externe Jobbörsen. Sie wollen sich das neue Projekt genau ansehen und anschließend entscheiden, ob sie zukünftig exklusiv auf den eigenen Stellenmarkt und Jobstairs setzen, erklärt Hobmeier. Stellenanzeigen-Chef Weideneder bekommt die neue Konkurrenz schon zu spüren: "Einige Kunden haben angekündigt, dass sie für einige Zeit pausieren möchten." Er hofft jedoch, dass die Abtrünnigen bald wieder zurückkommen.