Gastkommentar

Konvergenz von PC und TV? Die Hochzeit wird verschoben

30.06.1995

Diplomingenieur Klemens Gaida, Berater der Eutelis Consult, Ratingen

Mit der Integration der Computer-, Medien-, Unterhaltungs- und Telekommunikationsindustrien zur neuen Multimedia-Branche galt auch das Zusammenwachsen der traditionell getrennten Endgeraete PC und Fernseher als absehbare Entwicklung. Doch die Anfangseuphorie hat sich gelegt.

PC und TV-Geraet werden auch weiterhin ein Single-Dasein fuehren. Diese Prognose beruht darauf, dass nicht die Technik, sondern der Bedarf der Konsumenten eine moegliche Konvergenz vorantreiben wuerde. Verschiedene Untersuchungen zur Akzeptanz von Multimedia- Diensten haben gezeigt, dass es zwei Arten von Kunden gibt: die "passiven" TV-Konsumenten und die "aktiven" PC-Nutzer. Die erste Gruppe bevorzugt den passiven Konsum von Spielfilmen und Shows. Die andere Gruppe wird hochentwickelte Multimedia-Dienste mit komplexen Menuefunktionen nutzen.

In den letzten 20 Jahren haben sich die meisten Verbraucher an passiven Medienkonsum gewoehnt. Deswegen ist kurzfristig kein Potential fuer eine Wandlung dieser Verbrauchergruppe zu aktiven Multimedia-Anwendern vorhanden. Waehrenddessen schaffen sich private Haushalte immer mehr Multimedia-PCs an - aber ohne dass sie dabei etwas mit interaktiven TV-Diensten zu tun haetten.

Prognostiker erwarten zwar, dass die Menschen bis zum Jahr 2000 im Durchschnitt etwa zehn Prozent ihres audio-visuellen Medienkonsums fuer neue interaktive Dienste aufbringen werden. Es ist jedoch kein Potential vorhanden, diesen Wert weiter zu steigern, da die eine Nutzergruppe voll ausgelastet sein wird und die andere mindestens weitere fuenf Jahre benoetigt, um ihr Konsumverhalten hinsichtlich TV beziehungsweise interaktiven Medien zu aendern.

Die medienelektronische Landschaft der Zukunft wird zwar eine Mischung aus klassischen Rundfunkdiensten und neuen interaktiven Multimedia-Diensten sein. Aber die letzteren werden entweder als TV-nahe Dienste wie Video on demand fuer klassische TV-Konsumenten auf einem gewoehnlichen Fernseher, der durch ein digitalfaehiges Zusatzgeraet unterstuetzt wird, angeboten werden oder als PC- verwandte Services wie Teleworking, Telelearning, Teleconsulting etc. fuer fortschrittliche Nutzer auf dem Multimedia-PC.

Neben diesem Konsumverhalten spielt das Kaufverhalten bei PC und Fernseher eine wichtige Rolle. Der TV-Kaeufertyp, der sein Geraet nur erneuert, wenn das alte defekt ist, muss erst noch dazu angeregt werden, seinem neuen Multimedia-Endgeraet - wie der PC- Anwender seinem Computer - immer mehr Leistung fuer komplexere Programminhalte abzuverlangen und entsprechend fruehzeitig ein neues Modell zu erwerben.

Vor diesem Hintergrund muessen nicht nur Diensteanbieter ihre Erwartungen herunterschrauben und ihre Strategien aendern. Einige Hersteller verbinden zum Beispiel einfach TV-Geraet und PC in einem Chassis und testen so mit geringem Aufwand die Marktakzeptanz fuer neuartige Endgeraete, bevor sich die zugehoerigen Multimedia- Services und interaktive Gestaltung ihrer Inhalte etabliert haben.

Die neuen breitbandigen Multimedia-Dienste sind eigentlich erst ab 1997 geplant. Die Diensteanbieter muessen aber keineswegs auf die flaechendeckende Bereitstellung von Breitbandnetzen warten. Sie brauchen auch nicht auf repraesentative beziehungsweise bedarfsorientierte Diensteentwicklungen zu verzichten. In den bestehenden Infrastrukturen und mit den angebotenen Basisdiensten wie ISDN, X.25 oder auch Telefonie mit Modem lassen sich schon heute Dienste konzipieren, die zwar teilweise nur beschraenkt multimedial beziehungsweise interaktiv, aber billiger und regional nicht begrenzt sind. Dadurch waere es moeglich, deren Neu- und Weiterentwicklung an Nutzerwuenschen zu orientieren.

So wird die naechste, weniger spektakulaere Konvergenz ohne TV-Geraet stattfinden. Der Multimedia-PC wird sich als ISDN-Endgeraet etablieren und entsprechende Dienste wie Fax, Anrufbeantworter, Videotelefon etc. in einem Geraet integrieren. Das bedeutet auch, dass diese Dienste in den naechsten Jahren rapide in die privaten Haushalte vordringen werden. Mit der Nutzung dieser neuen Moeglichkeiten zur persoenlichen Kommunikation wird der Verbraucher vielleicht sogar die neuen interaktiven Dienste vergessen. Auf diese Weise wird die Vermaehlung von PC und TV-Geraet vielleicht nicht nur verschoben, sondern sogar ausfallen.