Kontroverse um Rechtsgueltigkeit des DAG-Tarifvertrages IBM verliert die erste Runde im Prozess gegen Gewerkschaftler

02.12.1994

MUENCHEN (hk) - Ein IBM-Beschaeftigter und Mitglied der IG Metall hat einen Arbeitsgerichtsprozess in Hamburg gegen seinen Arbeitgeber gewonnen. Dieser hatte ihn wie alle uebrigen Beschaeftigten verpflichtet, die Bedingungen des Tarifvertrages anzuerkennen, den der Computerkonzern mit der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) im letzten Jahr ausgehandelt hatte.

Seit 1. Januar dieses Jahres hat die IBM Informationssysteme GmbH einen Haustarifvertrag, der eine Arbeitszeit von 38 Stunden pro Woche vorsieht. Der alte Tarif, ausgehandelt mit der IG Metall in einer Zeit, als der Computerkonzern nicht in mehrere Gesellschaften aufgespalten und Mitglied des Arbeitgeberverbandes war, hatte eine Arbeitszeit von 36 Stunden vorgesehen.

Personalvorstand Hans Werner Richter begruendete die Erhoehung der Arbeitszeit ohne Gehaltsausgleich unter anderem damit, dass sich sein Unternehmen kuenftig als Dienstleister verstehe und sich deshalb den neuen Konkurrenten anpassen wolle, bei denen rund 40 Stunden pro Woche gearbeitet werde.

Beide Verhandlungspartner, die IBM-Geschaeftsleitung und die DAG, verkuendeten selbstbewusst, dass sie den Tarifvertrag auf alle Beschaeftigten ausdehnen wuerden, was auch passierte, und dass sie dabei keine juristischen Probleme saehen.

Horst Richter von der IG-Metall-Zentrale argumentiert nun, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung gegen Paragraph 77, Absatz 3, des Betriebsverfassungsgesetzes und Paragraph 5 des Tarifvertragsgesetzes verstosse. Der erste Text verbiete, dass der Betriebsrat - wie in diesem Fall geschehen - eine Vereinbarung, die zwischen DAG und Arbeitgeber abgeschlossen wurde, auf alle Mitarbeiter anwendet. Im zweiten Fall heisst es, dass nur der Bundesarbeitsminister im Einvernehmen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften einen Tarifvertrag fuer allgemeingueltig erklaeren koenne.

Im jetzt ergangenen Urteil (AZ: 21 CA 165/94) in Hamburg stellte das Gericht nach IG-Metall-Darstellung fest, dass die laengere Arbeitszeit von 38 Stunden nur fuer Mitglieder der DAG gelte, der Haustarif sei nicht allgemeinverbindlich. Fuer den IG-Metaller gelte nach wie vor die 36-Stunden-Woche.

Die IBM Deutschland Informationssysteme GmbH will gegen das erstinstanzliche Urteil Rechtsmittel einlegen und spricht von einem "Einzelfall". In einer Stellungnahme besteht das Unternehmen auf der Position, "dass die DAG-Haustarifvertraege auf alle Mitarbeiter Anwendung finden". Wegen der allgemeinen Bedeutung werde man gegen das Urteil "rechtlich vorgehen". Der Computerkonzern erinnert daran, dass seine Gehaelter "deutlich ueber dem Tarifniveau der IG Metall liegen" und dass von "einer pauschalen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen" keine Rede sein koenne.

Die IG Metall dagegen bezeichnet die DAG-IBM-Vereinbarung als "Tarifdumping". Einziges Ziel der Geschaeftsleitung sei, so Gewerkschaftler Richter, um jeden Preis die Personalkosten zu druecken. Die IBM-Chefetage habe sich die DAG als Verhandlungspartner schon deshalb ausgesucht, weil diese auf ihre Wuensche einginge. Richter weiter:

"Noch bis vor zwei Jahren war die DAG so gut wie nicht vorhanden."

Diese behauptet ihrerseits, dass die IG Metall in den letzten zwei Jahren nichts bewegt habe, immerhin stelle die DAG dagegen mittlerweile den Vorsitzenden des Konzernbetriebsrates der IBM und des Gesamtbetriebsrates der IBM Informationssysteme.