Technische Gesichtspunkte nicht überbewerten

Konsequentes Management ist der Schlüssel zum Projekterfolg

13.07.1990

Damit ein Softwareprojekt nicht scheitert, sollte man ein konsequentes Projektmanagement einfuhren. Darüber hinaus müssen nach Auffassung von Ullrich Günther und Heinz-Dieter Knöll* vor allem auch die psychologischen und soziologischen Komponenten berücksichtigt werden.

Immer wieder hört man von Softwarehäusern und DV-Anwendern, daß sie über gescheiterte Softwareprojekte anderer berichten. Es sind meist die großen Projekte, die scheitern. Die Berichte über solche Projekte sind keine Einzelfälle; das zeigen Untersuchungen von Diebold (1988) und der Fachhochschule Nordostniedersachsen in Lüneburg (1989). Die Studie der Fachhochschule hatte das Ziel, den Ausbildungsbedarf der Softwarehersteller zu ermitteln und erfragte dabei auch das Umfeld des Software-Erstellungsprozesses. Eines der interessantesten Ergebnisse war die Tatsache, daß 37 Prozent der befragten Softwarehersteller angaben, bereits mindestens einmal Software entwickelt zu haben, die nicht zum Einsatz kam (Abbildung 0. Die Studie von Diebold ergab auf der Basis der SW-Investitionen noch dramatischere Ergebnisse: 47 Prozent dieser Investitionen werden für Software ausgegeben, die nie verwendet wird. Für Software, die ohne große Modifikationen funktioniert, betragen die SW-Investitionen lediglich fünf Prozent.

Doch wie reagieren Softwareentwickler und DV-Anwender auf diese Situation? Einige Softwareentwickler beginnen nur noch kleine Projekte in der Hoffnung, daß sich, jede betriebliche Anforderung kleinhalten läßt. Dabei verkennen sie, daß sich einige Anwendungsbereiche nicht beliebig kleinklopfen lassen und die Anwender nicht gewillt sind, mehr als fünf Jahre auf die Einführung zu warten. Andere versuchen mit Hilfe von Werkzeugen das Problem in den Griff zu bekommen. Bei diesem Ansatz stellt sich schnell heraus, daß man sich neue Probleme zu den alten ins Haus geholt hat: Die Schulung ist auf wendig, und häufig werden die unabwendbaren Spezifikationsfehler bis zur Codierung durch die Werkzeuge multipliziert.

Die einzig erfolgversprechende Strategie ist die Einführung eines konsequenten Projektmanagements. Ein Projektmanagement sollte sich nicht nur auf die technischen Aspekte wie Phasenkonzept, Züständigkeiten und Verantwortung, Modularisierung, Soll-Ist-Vergleich, beschränken, sondern auch die psychologischen und soziologischen Komponenten berücksichtigen. Das technische Projektmanagement hilft, das Scheitern eines Projektes früh zu erkennen und darin steuernd einzugreifen. Dies macht aber noch kein erfolgreiches Projekt. Es zeigt sich immer wieder, daß die Person des Projektleiters, sein fachliches und psychologisches Geschick, letztlich der

Schlüssel zum Projekterfolg sind.

So auch die Ergebnisse des amerikanischen Psychologen Bill Curtis, der als renommierter Spezialist auf dem Gebiet von Softwareprojekten eine Forschergruppe bei MCC in Austin/Texas leitet: Erfolgreiche Projektleiter oder auch Meinungsführer in dem Projektteam öffnen zum richtigen Zeitpunkt die Diskussion und verdichten Wissen und Kreativität der Gruppe zu einem Konzept. Dabei sind sie einerseits fachlich in der Lage, die beste Lösung zu erkennen, und andererseits psychologisch kompetent, einen in der Gruppe akzeptierten Konsens herbeizuführen, der ein einheitliches und strukturiertes Handeln ermöglicht.

*Dr. Ullrich Günther ist Professor für Wirtschaftspsychologie und -soziologie. Dr. Heinz-Dieter Knöll ist Professor für Wirtschaftsinformatik. Beide sind im Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Nordostniedersachsen in Lüneburg tätig.