Konkurrenzklausel in Programmierer-Verträgen?

16.01.1981

Dr. Christoph Zahrnt Rechtsanwalt und DV-Fachbuchautor

Daß jeder Programmierer (und Organisator) mit seinem Wissen zur Konkurrenz gehen kann unterstreicht ein Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 9. August 1978 (2 Ga 18/78).

In diesem Fall hatte ein Hochschulabsolvent dreieinhalb Jahre in der Entwicklungsabteilung eines Unternehmens gearbeitet. Dabei hatte er dessen Know-how, das dem Unternehmen derzeit einen Wettbewerbsvorsprung sicherte, gründlich kennengelernt. Er übernahm dann eine leitende Stellung in der Entwicklungsabteilung eines Konkurrenzunternehmens X. Der alte Arbeitgeber wollte das gerichtlich unterbinden. Er hatte keinen Erfolg.

In der Urteilsbegründung heißt es:

"Ein Verbot der Verwertung des bei der Klägerin erworbenen Know-how läßt sich nicht aus der nachvertraglichen Treuepflicht herleiten (1). Durch eine Schweigeverpflichtung wird der Beklagte in seinem Fortkommen eingeschränkt. Sie enthält daher ein Wettbewerbsverbot (2). Der Arbeitgeber wird aber nur vor der Konkurrenz seines Arbeitnehmers geschützt, solange er seinerseits zur Fürsorge verpflichtet ist. Verkürzt sich die Fürsorgepflicht mit Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf rudimentäre Restpflichten (Auskunft über den Arbeitnehmer), verkürzt sich auch die Treuepflicht. Konkurrenz unter Ausnutzung redlich erworbener Betriebsgeheimnisse ist jetzt erlaubt. Die §§ 133 f. Gewerbeordnung, 74 ff. und 90 a HGB, 5 Abs. 1 und 19 Berufsbildungsgesetz gewährleisten Entfaltungsfreiheit des Arbeitnehmers nach Beendigung des Dienstverhältnisses (3) Diesen Vorschriften und § 60 HGB läßt sich folgender Grundsatz entnehmen: Innereuropäische Wettbewerbsverbote gibt es für die Dauer des Beschäfhgungsverhältnisses umsonst, danach müssen sie bezahlt werden.

Die Verwertung redlich erworbener Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen § 1 UWG (4). Daran ändert auch nichts, daß der Klägerin nach ihrem Vortrag durch das Überwechseln des Beklagten zur Konkurrenz erheblicher Schaden entsteht. Allein wegen ihrer Folgen kann man diese Wettbewerbsverhandlung nicht als sittenwidrig ansehen (5). Schädigungen des Wettbewerbs liegen in der Natur einer freien Wirtschaftsordnung. Selbst die Existenzgefährdung des Konkurrenten ist bei Anwendung erlaubter Mittel nicht sittenwidrig (6). Erst wenn das KampfmitteI, das konkrete Wettbewerbsverhalten dem Anstandsgefühl der beteiligten Kreise widerspricht oder von der Allgemeinheit mißbilligt wird, kann man von unlauterem Wettbewerb sprechen, den der Beklagte nach der Generalklausel des § 1 UWG unterlassen müßte (7).

Nun zeigen aber gerade die §§ 74 ff. HGB, daß Geheimnisverwertung und Konkurrenz keine aus sich heraus zu mißbilligenden Tatbestände darstellen. Die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse sind das Kapital des Arbeitnehmers. Die Einschränkung der freien Verwertung erworbener Kenntnisse ist daher in aller Regel einer Gegenleistung wert: Zahlung von Karenzentschädigung.

Nur in wenigen, eng zu begrenzenden Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses den Arbeitnehmer vom freien Wettbewerb abhalten: Provozieren fristloser Kündigung durch den Arbeitnehmer zur möglichst schnellen Verwertung von Geschäftsgeheimnissen; nur kurzzeitige Tätigkeit für ein Unternehmen ersichtlich allein zu dem Zweck, die Betriebsgeheimnisse zu erfahren; Verstoß gegen ein besonderes Vertrauensverhältnis, das sich in exponierter Stellung und entsprechender Dotierung dokumentiert hat (8), oder nachträgliche Verwertung von Arbeitsergebnissen ohne eigenes weiteres Zutun, die durchweg noch während der Beschäftigungszeit abschließend vorbereitet wurden (9).

Hier ist die Berufung auf § 1 UWG berechtigt, weil der Arbeitnehmer in einer Weise, die dem Anstandsgefühl widerspricht, sich Kenntnisse "erschlichen" beziehungsweise der Arbeitgeber durch herausgehobene Dotierung die Karenzentschädigung vorweggenommen hat und deshalb vom Schweigen seines Arbeitnehmers nach Ausscheiden aus dem Betrieb ausgehen darf....

Endlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, daß sie zumindest insoweit geschützt werden müsse, als es sich bei den vom Beklagten mitgenommenen Geschäftsgeheimnissen zum Teil um Kenntnisse und Erfahrungen handelt, die er nicht durch eigene Arbeit erworben, sondern bei der Klägerin vorgefunden hat (10).

Man kann schon an der Berechtigung dieser Ansicht zweifeln. Wettbewerb unter Verwertung fremder Arbeitsergebnisse ist ein alltäglicher und vom Gesetz nicht mißbilligter Vorgang. Nur dort sind Schranken errichtet, wo schöpferische Leistungen unter Sonderrechtsschutz gestellt sind (Patent-, Geschmacks- und Gebrauchsmuster-, Urheber-, Kennzeichen- und Ausstattungsrechte). Der Beklagte braucht vernünftigerweise den bisherigen Stand seiner Kenntnisse in seiner weiteren beruflichen Tätigkeit nicht unbeachtet lassen. Er darf auf ihnen aufbauen und sie zur Grundlage seiner späteren Arbeit machen, auch wenn er zur Konkurrenz der Klägerin geht, solange er sich nicht wettbewerbswidrig verhält (11). Das Merkmal der Sittenwidrigkeit ist aber nicht schon gegeben, wenn ohne Kosten und Mühen fremde Arbeitsergebnisse ausgenutzt werden (12).

Im übrigen hat die Klägerin selbst vorgetragen, daß sich "eigenes Know-how" des Beklagten von dem der Klägerin nicht trennen lasse. Um so weniger kann sie dann die Tätigkeit des Beklagten bei der Konkurrenz untersagen, weil ihr eher zuzumuten war, der Gefahr einer Weitergabe von Betriebsgeheimnissen durch Vereinbarung eines wirksamen Wettbewerbsverbots vorzubeugen, als dem Beklagten eine generelle Verschwiegenheitspflicht aufzuerlegen, die ihn dann ohne Entschädigung auch an der Verwertung "eigenen Know-hows" hindern würde.

(1) vgl. BAG AP Nr.10 zu § 74 HGB; BGH; BGH AP Nr. 1 zu § 60 HGB; Stahlhacke, Kommentar zur Gewerbeordnung § 133 f. Anm. I

(2) Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl. (1963) Bd. I s. 252 FN 12; Schlegelberger § 74 Rdn. 4; Baumbach-Duden, HGB 19. Aufl. (1971) § 74 Anm. 1 c)

(3) vgl. BGH in DB 1955,191 = AP Nr.1 zu § 60 HGB, BAG in DB 1959, 710 = AP Nr. 10 zu § 74 HGB, BGH in DB 1977, 1548 = AP Nr. 28 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel

(4) Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 11. Aufl. (1974), § 17 Rdn. 35, Würdinger in Großkommentar HGB 3. Aufl. (1967) § 59 Rdn. 31; Emmerich, Wettbewerbsrecht 2. Aufl. (1976) S. 30.

(5) hierzu Emmerich, Wettbewerbsrecht S. 30

(6) vgl BGH LM § 1 UWG Nr. 7

(7) vgl. BGH GRUR 1972, 553

(8) vgl BGH GRUR 1963, 367 (370}

(9) BAG AP B.4 zu § 242 BGB Nachvertragliche Treuepflicht:

(10). vgl. hierzu Dietz in Festchrift Wedemann (1938) S. 341 f. Stauding Weber BGB 11. Aufl. (1961) § 242 A 993; Staudinger-Nipperdey-Neumann § 611 BGB Rdn. 164

(11) vgl. RGZ 135, 385 (393)

(l2) stg. Rechtsprechung RGZ 135,385, (393) bis 144, 41 (49) BGHZ 5, 1 (10) = DB 1952, 468; 18, 175 (182) = DB 1955, 1038; 21, 266 (269) = DB 1956, 796; GRUR 1960.244 (246)