Vorerst ist mit Content kein Geld zu verdienen

Konkurrenz der breitbandigen Access-Medien

07.09.2001
BERLIN (hi) - DVB-C, DVB-S, DVB-T, DSL, Powerline, Satellit sowie UMTS - um die Gunst von Endanwendern und Industrie buhlt eine Vielzahl von Access-Medien. Angesichts dieser großen Bandbreite stehen beide Zielgruppen vor der Frage, in welche Technologie sie investieren und über welches Medium sie ihren Content vermarkten sollen.

Fragen, denen auch die Basler Unternehmensberatung Prognos in ihrer Analyse "Breitbandige Multimedia-Plattformen im Wettbewerb" nachging. Auf der IFA präsentierte sie die Ergebnisse. Dabei kommen die Forscher von Prognos zu einem für die Netzbetreiber ernüchternden Schluss: Aufgrund der Kaufkraft und Zahlungsbereitschaft der privaten Kunden reicht die Marktnachfrage für eine Refinanzierung der erforderlichen Investitionen nicht aus.

Eine weitere bittere Pille hält Klaus Schrape, Bereichsleiter Medien und Kommunikation bei Prognos, für die Content-Anbieter bereit: Sie können nicht vor 2005 mit steigenden Ausgaben für Inhalte rechnen, da die Consumer bis dahin alleine monatliche Access-Gebühren von durchschnittlich 100 Mark tragen müssen. Aufgrund der politischen Rahmenbedingungen (Stichworte: Rentenreform, steigende Krankenkassenbeiträge oder Ökosteuer) sei in Zeiten sinkender Realeinkommen vorerst kaum mit steigenden Ausgaben für den Medien-Content zu rechnen. Erschwerend komme hinzu, dass die Betreiber nicht mehr wie zu Monopolzeiten mit Refinanzierungszeiträumen von 20 Jahren und mehr rechnen könnten.

Kurze AmortisationszeitenHeute müsse sich eine Technik in fünf Jahren amortisieren. Vor diesem Hintergrund warnt Schrape eindringlich davor, Vergleichszahlen aus Ländern wie den USA für Prognosen heranzuziehen.

Die Content-Anbieter werden allerdings nicht nur mit der fehlenden Kaufkraft zu kämpfen haben. Aus technischer Sicht sind sie laut Prognos zudem mit Access-Medien konfrontiert, die nicht alle gleichermaßen für verschiedene Dienste prädestiniert sind. So kann zwar ein Medium wie DSL sehr gut für den schnellen Internet-Zugang geeignet, aber eine schlechte Plattform für "Pay per view" sein (siehe Grafik). Ginge es nur nach der Eignung für verschiedene Dienste, so wäre das Breitbandkabel mit DVB-C die erste Wahl. Allerdings glauben die Analysten, dass die erforderliche Aufrüstung fünf bis acht Jahre dauert. Zudem ist es mehr als fraglich, wie die Investoren die Kosten von 500 bis 1500 Mark pro Anschluss refinanzieren wollen. Im Free-TV-verwöhnten Deutschland ist es eher unwahrscheinlich, dass die Endkunden aufpreispflichtige Programmpakete akzeptieren.

Sollten die Eigner dies planen, so könnten die Consumer schnell auf entsprechende Satellitendienste ausweichen. Zumal diese wieder mehr an Attraktivität gewinnen, wenn bidirektionale Datendienste offeriert werden. Wenig Chancen räumt Schrape dagegen DVB-T ein. Da lediglich 7,5 Prozent der Haushalte terrestrisch per Funk versorgt sind, rechnen sich in seinen Augen Investitionen in diese Technologie nicht.

Eher zurückhaltend bewertet Prognos auch die Zukunftsaussichten von Powerline. Zwar sei die Technologie, von Kinderkrankheiten abgesehen, ausgereift, doch aufgrund des verzögerten Markteintritts seien die Refinanzierungsaussichten unklar. Hier sieht Prognos für DSL die Situation aufgrund der "First-Mover"-Vorteile deutlich besser. Zudem gebe es für diese Technologie bereits ein Geschäftsmodell, auch wenn dieses wegen seiner Internet-Zentrierung als zu einfach kritisert wird.

Keine guten Chancen räumen die Analysten UMTS ein, das im vergangenen Jahr noch als "der" mobile Breitbanddienst der Zukunft gefeiert wurde. Nach Meinung der Prognos-Forscher sind für diese Technik alle Voraussetzungen (Inhalte, Business-Modelle) für einen Markterfolg noch ungeklärt. Manager Schrape rechnet denn auch nicht damit, dass sich bei UMTS die Erfolgsstory von GSM wiederholt. Zumal UMTS im Wettlauf der breitbandigen Medien relativ spät an den Start geht.

Angesichts dieser pessimistischen Zukunftsprognosen verwundert es nicht weiter, wenn Peter Wagner, Vorstandsvorsitzender der Debitel AG, auf der IFA bereits forderte, über UMTS-Exit-Szenarien nachzudenken. Darin sind laut Wagner die Schritte und Konsequenzen für den Fall festzulegen, dass einer der UMTS-Bieter seine Lizenzen zurückgibt.

KommunikationstalentWährend die Netzbetreiber über die Zukunftsaussichten der jeweiligen Access-Technologie diskutieren, verfolgt der in Ulm angesiedelte Bereich Forschung und Entwicklung von Daimler Chrysler einen sehr pragmatischen Ansatz. Ihr auf der IFA präsentiertes Konzeptionsfahrzeug "Comcar" unterstützt einfach alle für den mobilen Einsatz geeigneten Techniken. "Dabei ist es uns egal, ob die Daten per UMTS oder an einer Tankstelle per Wireless LAN das Fahrzeug erreichen", erklärt Michael Wolf, bei den Daimler-Chrysler-Forschern im Bereich Communication Technology tätig, das Multitalent.

Abb: Breitband-Plattformen für Multimedia

Hohe Bandbreiten versprechen sie alle. Das universelle Access-Medium für alle Einsatzzwecke gibt es nicht. Quelle: Prognos