Ausschuß untersucht Unregelmäßigkeiten bei Rüstungsaufträgen

Kongreß wirft der IBM Corp. dubiose Sales-Praktiken vor

17.11.1989

MÜNCHEN (CW) - In den USA sind wieder einmal die Marketing-Praktiken der IBM ins Gerede gekommen. Seit einer Woche beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuß des Kongresses mit den offenbar allzu innigen Beziehungen zwischen IBM und den Beschaffungsorganen der US-Marine.

Peinliche Fragen müssen derzeit einige hochrangige Militärs der US-Navy über sich ergehen lassen. "Lasches Management, Begünstigung und einen Hauch von Korruption" stellten, nach einem Bericht des Wall Street Journals, Untersucher des House Government Operations Committees bei der Marine fest. Im Zentrum der Vorwürfe steht IBM, der mit Abstand größte Computer-Lieferant der Marine.

Seit Jahren soll es bei der Beschaffung von Hardware und Services nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Betroffen sind Aufträge in einer Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar. Konteradmiral Paul Tobin, seit einem Jahr oberster Computer--Einkäufer der Marine, räumte bereits schwere Fehler in der Vergangenheit ein. So seien in einigen Fällen die Beschaffungsprozeduren dadurch abgekürzt worden, daß die Ausschreibungen gezielt auf IBM-Produkte hin maßgeschneidert wurden.

Die Untersucher stießen auf weitere Unregelmäßigkeiten. In anderen Fällen, stellten sie fest, "hätten Marineangehörige den IBM-Marketiers interne Ausschreibungsunterlagen zukommen lassen, und gelegentlich, so heißt es, hätten sie sich gleich schon beim Entwurf künftiger Ausschreibungsbedingungen von Big Blue helfen lassen. Beanstandet werden darüber hinaus die ausgiebigen kostenlosen Schulungen, die IBM in den vergangenen Jahren zirka 30 DV-Managern der Navy zukommen ließ. Die Untersucher werten sie als illegale Zuwendungen.

IBM selbst wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe und sieht sich als Opfer einer Verschwörung. Für ihren Anwalt Bob Salvia ist die Untersuchung Teil einer auf dem Rücken von Big Blue durchgeführten Strategie zur Durchsetzung strengerer Beschaffungsgesetze. Daß die Marine-Verantwortlichen zu IBM-Produkten tendierten, läge einfach daran, daß das Unternehmen der "unbestrittene Technologie-Führer" bei den großen Systemen sei, die das Militär benötige. Außerdem ist Salvia überzeugt, daß kostenlose Schulungen legal sind und in keinem Widerspruch zu den Beschaffungsrichtlinien der Marine stehen. Es gebe nichts im Verhalten der IBM, das in irgendeiner Weise der Änderung bedürfte.

Außenstehende Beobachter sind sich dessen nicht so sicher. Sie erwarten, daß sich der Ausschuß auch eingehender mit der massiven "Landschaftspflege" der IBM im gesamten Marinebereich befassen und dabei auch der Frage nachgehen wird, inwieweit Gefolgsleute der Armonker versucht haben, im Arbeitsministerium und im Weißen Haus Änderungen von Vorschriften durchzusetzen die kleinere Konkurrenten benachteiligen würden.

Ausgelöst hatten die Untersuchung einige kleinere Computerfirmen, die mit dem Vorwurf einer systematischen Bevorzugung der IBM bei Marine-Aufträgen an die Öffentlichkeit gegangen waren. Der Erfolg scheint den ungewöhnlichen Schritt zu rechtfertigen. Inzwischen habe die Marine "einige überfällige Schritte in Richtung grundlegender Organisatorischer Änderungen" gemacht, stellt Sidney Wilson, Vice President der PacifiCorp Capital, einem der fahrenden Mitglieder der Gruppe, befriedigt fest.

Die Probleme indes sind noch weit davon entfernt, gelöst zu sein, und sie betreffen offenbar, wie der unlängst im Pentagon aufgedeckte Beschaffungsbetrug (Operation Ill Wind) belegt, nicht nur die Marine mit ihrem 2,2 Milliarden Dollar umfassenden DV-Budget, sondern das gesamte Militär. Die Summen, um die es dabei geht, sind astronomisch. Denn das Militär befindet sich derzeit in einem, laut Wall Street Journal, beispiellosen DV-Kaufrausch. 30 Milliarden Dollar jährlich will das Pentagon in der nächsten Zeit beispielsweise allein für die Software ihrer Waffensysteme ausgeben.

Bei der Kontrolle dieser Ausgaben, so das Blatt weiter, hat die militärische Führung in fast jeder Hinsicht versagt. Acht der größten geplanten Computersysteme des Pentagons lägen weit hinter ihrem Zeitplan zurück, während die Kosten sich seit Anfang der achziger Jahre verdoppelt hätten. Erst vor zwei Wochen hatte eine Prüfungskommission konstatiert, die Software des Verteidigungsministeriums sei "ungeordnet und außer Kontrolle geraten". Als Ursachen dafür werden Desinteresse und Fehleinschätzungen der militärischen Führung genannt.